Fremdspannungsabstand und die Grafikkarte
Die steigende Leistungsaufnahme der Grafikkarten und immer brutalere Lastwechsel mit extrem hohen Peaks sind ein weiterer Punkt, warum ich den Onboard-Sound für eher problematisch halte. Hier geht es explizit um die Wechselwirkung dieser starken und eher hochfrequenten Magnetfelder (Spannungswandler der Grafikarten) sowie den elektrischen Einflüssen über die Spannungsversorgung mit dem analogen Audio-Zweig. Sendestation und Leistungsspitzen auf engstem Raum. Denn irgendwie müssen die Audio-Signale ja nach dem DAC auch noch auf analogem Wege aufbereitet und verstärkt werden. Hier wirbt die Industrie gern mit hochwertigen Kondensatoren und anderem Gedöns, vergisst aber oft genug eine aufwändige Abschirmung und die Rücksichtnahme beim zweckmäßigen Platinenlayout. Das glaubt Ihr nicht?
Um dem technischen „Fortschritt“ Rechnung zu tragen, kommt nun eine MSI GeForce RTX 3090 Ti SUPRIM zum Einsatz, deren über 500 Watt die Spulen der Spannungswandler zu echten Elektromagneten mutieren lässt. Dazu kommen die drei Zuleitungen zum Adapter auf den neuen 16-Pin-Anschluss als Sendeantenne für die HF-Spikes und eine ganz neue Leistungsklasse als Vorschau auf das, was uns vielleicht schon ab Herbst 2022 erwartet. Ich habe jetzt einen 32-Ohm-Kopfhörer in den Front-Audio-Anschluss des Motherboards gesteckt, um möglichst realistisch zu bleiben, denn MSI nutzt auf dem MEG X570 Godlike mit dem ESS ES9218 Sabre und sogar 2x ALC1220 das Maximum dessen, was Onboard wohl aktuell geht. Das ist für Motherboards schon echtes High-End.
Und doch ist das, was wir nun als Messkurven sehen, die sogenannte Fremd- bzw. Störspannung, die mehr als nur präsent ist! Transienten können nämlich wirklich grausam sein! Der Laustärkeregler befindet sich in der Position, wo zuvor der verzerrungsfreie Maximalpegel ermittelt wurde. Beginnen wir zum besseren Vergleich zunächst im absoluten Leerlauf, wo sich nichts auf dem Bildschirm bewegt und sogar die Maus einmal Sendepause hat.
Mit ca. 0,001 Vrms an 32 Ohm liegt man bei einem Verhältnis von ca. 1:448 zum maximal möglichen Pegel von 1.448 Vrms. Das ist für eine Onboard-Lösung wirklich das maximal Machbare, allerdings kostet das Board leider auch fast 800 Euro, wenn man es denn überhaupt bekommt. Allerdings hatte hier ja auch die Grafikkarte Sendepause. Doch was passiert, wenn wir die Grafikkarte auf Volllast mit maximaler FPS-Zahl laufen lassen? Die Werte ermittle ich, indem ich den Ingame-Sound auf den HDMI-Ausgang umlege und den gemessenen analogen Kopfhörer-Ausgang frei lasse.
Das am Oszi zu betrachtende Kurvengewirr harmoniert leider perfekt mit dem „Spulenfiepen“ und den Leistungsaufnahme-Spitzen, was die Spannungswandler der Grafikkarte eindeutig als Verursacher ausweist. Mit 0,0074 Vrms bei 32 Ohm liegt das Board zwar weit vor einem billigeren X570 Board wie dem Tomahawk und seinen bis zu 0.012 Vrms, aber der Wert bei 32 Ohm liegt jetzt auch bei diesem High-End-Board schon über 74 mal so hoch wie im Idle!. Hier gelangt man dann schnell auch in den wahrnehmbaren Bereich und es zwitschert im Kopfhörer auch ohne Vögel, denn die fast 2 mW pro Kanal sind nicht zu ignorieren.
Die FPS-Raten liegen in der gewählten Ultra-HD-Auflösung bei ca. 92 bis 100 FPS, aber da geht ja noch was. Bewegen wir uns mal ins Menü, dann ist es schon ein Vielfaches dessen, was man leider auch sieht und hört! Mit immerhin 3 mW und rund 0,01 Vrms ist das Zwitschern schon sehr deutlich vernehmbar und auf Dauer wohl auch nervtötend. Und immer daran denken, das ist ein sauteures Motherboard mit 3 Sound-Chips und einem speziell abgeschirmten Audio-Bereich!
Wer genau aufgepasst hat, der wird auch feststellen, dass sich die obigen Werte mit meiner Erkenntnis decken, dass die Einstellung des Lautstärkereglers für den Lautsprecher-/Kopfhörerausgang bei nicht vorhandenem Nutzsignal eigentlich fast schon egal ist. Man hört diese ungewollten Mischprodukte nämlich leider immer! Und was schlussfolgern wir daraus?
Intermodulation: Mischprodukte der anderen Art
Keine Angst vor dem sperrigen Begriff, ich erkläre es Euch. Unter Intermodulation (IM) versteht man die Entstehung von neuen (Misch-) Frequenzen, wenn mindestens zwei (oder mehr) unterschiedliche Frequenzen in ein System mit nichtlinearer Übertragungsfunktion gelangen und dann verarbeitet (verstärkt) werden. Zum einen haben wir da das hörbare Frequenzband dessen, was uns Musik oder Spiele liefern, zum anderen sind da z.B. die Spannungswandler, die mit 300 bis ca. 400 KHz takten. Aber nicht nur diese.
Die entstehenden Mischprodukte liegen dann aber schnell auch im hörbaren Bereich und man „hört, was man sieht“. Die sogenannte Kreuzmodulation ist eine spezielle Form der Intermodulation und entsteht z.B. an Nichtlinearitäten der Verstärker. Je höher die Qualität und Abschirmung des analogen Signalweges, umso niedriger fallen die Pegel dieser Mischprodukte („Wellensalat“) aus. Das genau aber vermisst man bei Motherboards fast immer oder es ist, wie bei unserem teuren Board, am Ende einfach nicht vollständig möglich.
Ich will es nicht zu kompliziert machen, habe aber ein schönes Beispiel dafür, wie so ein Mischprodukt unser originales Signal negativ beeinflussen und sogar verfälschen kann. Ich lege zunächst einmal im Idle ein 50 Hz Signal an und steuere den Verstärker so aus, dass die Kurve noch nicht verzerrt wird. Das ist also die „ideale“ 50-Hz Kurve:
Die Wellenform ist wirklich geradezu perfekt und man hört genau das, was man auch erwartet. Doch was passiert, wenn ich wie eben das Spiel starte? Anstelle des Gaming-Sounds (der geht ja an den HDMI) lasse ich das 50-Hz-Signal einfach weiterlaufen und zeichne auch diese Kurve am analogen Ausgang auf. Man erkennt bereits jetzt, wenn man wirklich genau hinsieht, vor allen in den Spitzen der Kurven schon sehr unschöne Fransen. Nur gibt es die leider nicht nur dort.
Da man es schwer erkennen kann, zoome ich auch hier noch einmal eine Welle heraus. Nur hat das, was ich jetzt sehe, nichts mehr mit einer sauberen 50-Hz-Kurve zu tun! Durch die Intermodulation wird diese Frequenz ebenfalls beeinflusst und als Produkt entsteht so eine hibbelige Kurve! Das ist ärgerlich, aber nicht mehr durch Kunstgriffe und Tricks zu beheben. Man hört es nämlich. Im Game klingen dann z.B. auch Kanoneneinschläge oder ein tiefes Dröhnen leicht verzerrt, obwohl der Verstärker noch gar nicht übersteuert! Der Vrms-Wert ist höher, was aber daran liegt, dass hier nur eine Welle von vielen berechnet wird (statistisch eher wertlose Momentbetrachtung). In der Summe über eine längere Zeit landet man nämlich doch wieder beim Ausgangswert.
Half beim Störabstand noch der Trick mit dem Lautstärkeregler, kann die Verfälschung des originalen Signales nicht mehr behoben werden! Da hilft auch der teuerste DAC auf dem Motherboard nichts und die goldigsten Kondensatoren werden zu gelangweilten Statisten, wenn die Grafikkarte dermaßen brutal zuschlägt. Und zu Nvidias Ehrenrettung muss man auch noch fairerweise anmerken, dass AMD’s Radeon RX 6950XT nicht minder schwer zu- und einschlägt. Wenn das Motherboard nicht wirklich eines der Extraklasse ist, scheidet sich spätestens beim Einsatz einer potenten Grafikkarte die Spreu vom Weizen.
Das lästige Zwitschern hat man sogar am Desktop beim Scrollen und der Workaround mit den angepassten Pegeln hilft nur gegen die Störspannungen als solche, nicht jedoch gegen Intermodulationsprodukte, die leider auch die Originalsignale hörbar verfälschen können. Jeder wird natürlich anders darauf reagieren und nur das geübte oder geschulte Ohr wird es im Normalfall auch heraushören. Nur schön geht leider anders, so oder so.
Abhilfe: extra Soundkarte
Wobei sich natürlich die Frage stellt, was man sich jetzt gönnt. Doch lieber eine interne Lösung oder doch besser ein externer DAC oder komplette Soundlösung? Und wir dürfen ja auch das Mikrofon nicht vergessen, denn Headsets brauchen ja beides, einen Ausgang UND einen guten Eingang. Doch bevor es soweit ist, werden wir uns auf den nächsten drei Seiten noch den aktuell gängigsten Onboard-Chips widmen. Dann gibts von mir noch Messungen an exemplarisch ausgesuchten Testkandidaten, nachdem wir auch über die Headsets- und Kopfhörer und deren Bedürfnisse noch mehr erfahren haben. Also bitte brav durchhalten!
- 1 - Problemstellung, Einführung und gelöste Treiber-Probleme
- 2 - Störendes Brummen und Masseschleifen
- 3 - Störgeräusche und Jitter am externen USB-DAC
- 4 - Grafikkarten und Intermodulation
- 5 - Onboard: Realtek ALC1220 vs. Realtek ALC1200
- 6 - Onboard: Realtek ALC4080 und ALC4082
- 7 - Datenblätter: Realtek ALC1200, ALC 1220 und ALC 4080/ALC4082
- 8 - Effektivspannung, Ausgangsleistung und Schallpegel
- 9 - Intern: Creative Sound Blaster Audigy FX V2 (Einsteiger)
- 10 - Intern: Creative Sound Blaster Z SE (Mittelklasse)
- 11 - Extern: Creative Sound Blaster G3 (Einsteiger)
- 12 - Extern: Creative Sound Blaster X4 (Mittelklasse)
- 13 - Zusammenfassung, Fazit und Vorschau
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