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DDR5 Speicher von Micron kommt ohne Temperatursensoren! Blindflug für den Anwender und echte Messungen als Hilfe

Messaufbau und reale Messwerte

Hier wiederhole ech mich noch einmal kurz vom letzten Artikel. Da die Speichermodule deutlich kleiner geworden sind, ist natürlich auch die Wärmedichte gestiegen. Das Silizium weist zudem einen länglichen und sehr schmalen Hotspot in der Mitte der jeweiligen Speichermodule auf, so dass Thermalsensoren (Thermal Couplers) zum Kleben aufgrund der sehr großen Kontaktfläche für punktuelle Messungen ausscheiden. Für die Durchschnittstemperatur mag das sicher noch ganz gut hinkommen, aber für kleine Hotspots ist das wirklich ungeeignet. Also doch zurück zum berührungslosen Messen und einer ordentlichen Vorbereitung. Denn ohne die geht es nicht.

Leider zeigen die mit Modulen bestückten Seiten der Speicher-Riegel in Richtung Kühler, so dass ich hier mit der IR-Kamera gewisse Klimmzüge machen musste. Abhilfe schaffte dann eine 90° Weitwinkel-Optik statt der 33°-Normal-Optik, das Verwenden eines stabilen Schwanenhals-Stativs (Elgato) und das anschließende Kalibrieren der Kamera an einem einfachen schwarzen Strahler, den ich anstelle des Speichers platziert hatte. Damit habe ich auch versucht, die Winkelabhängigkeit der Strahlleistung zu kompensieren (Lambert’sches Cosinus-Gesetz). 

Test System and Equipment
Hardware:

Intel LGA 1700
Core i9-12900KF (PL1 125W, 241W), Core i7-12700K (PL1 241W), Core i5-12600K (PL1 150W)
MSI MEG Z690 Unify
2x 8 GB OCPC Extreme DDR5 4800 / 2x 16 GB Corsair Dominator DDR5 5200

NVIDIA GeForce RTX 3090 FE

1x 2 TB MSI Spatium M480
1x 2 TB Corsair MP660 Pro XT
Be Quiet! Dark Power Pro 12 1200 Watt

Cooling:
Aqua Computer Cuplex Kryos Next, Custom LGA 1200/1700 Backplate (hand-made)
Custom Loop Water Cooling / Chiller
Alphacool Subzero
Thermal Imager:
1x Optris PI640i Thermal Imager
Pix Connect Software
Type K Class 1 thermal sensors (up to 4 channels)

Im nachfolgenden Bild seht Ihr den Bereich, auf den ich den Fokus gesetzt habe und in dem die gemessenen Werte nach dem Kalibrieren auch recht genau ausgelesen werden können.

Aktuell kann ich leider nur Micron-Module messen, da mir anderer Speicher nicht zur Verfügung steht. Aber die aktuellen Werte sind erst einmal aussagefähig genug und nach dem Eintreffen schnellerer Module anderer Hersteller (SK Hynix, Samsung) lässt sich natürlich immer noch alles erneut nachmessen und ergänzen. Doch betrachten wir nun den Maximalwert dessen, was sich im Hotbox-Aufbau zur Simulation realer Bedingungen im geschlossenen PC ermitteln ließ.

Source: Micron

Das nachfolgende Bild zeigt ca. 84 °C bei 1.35 Volt. Das steigt an bis auf ca. 88 °C bei kurzzeitig maximal vertretbaren 1.4 Volt (bitte nicht nachmachen). Rechnet man jetzt noch den Wärmewiderstand zwischen der Oberfläche des Speichermoduls bis zum Hotspot im Inneren des Speicher-Moduls hinzu, dann kann man mit Sicherheit noch einmal 4 bis 5 Grad draufschlagen. Damit wären wir dann auch kurz unterhalb der zulässigen Grenze von maximal 95 °C angelangt.

Erkenntnis 1: Betriebssicherheit

Wir können daraus aber auch die Erkenntnis ableiten, dass der gekühlte RAM auch bei 1.35 Volt und viel OC zumindest nicht in die Bereiche der physikalischen Zerstörung gelangt. Da müsste man schon viel bösen Willen und schlechte Absichten mitbringen. Das wird also erst einmal nicht passieren. Anders sieht es mit der Stabilität aus. Vor allem beim Übertakten wird der Speicher schneller instabil und Oberflächen-Temperaturen über 75 °C führen bereits zu Fehlern und damit auch zur Verlangsamung bzw. sogar gravierenden Fehlern bis hin zum BSOD bzw. Neustart.

Erkenntnis 2: Faustformel

Man kann aus dem Wert für den SPD-Hub durchaus auch grob auf die Temperatur im Speicher-Inneren schießen, denn es ist ja alles auch thermisch mit- und untereinander verbunden. Ich würde so vorgehen, dass ich eine (sehr großzügig ausgelegte) Summe bilden würde:

SPD Hub in °C + 13 Grad (Delta zur Oberfläche) + 5 Grad (Delta zwischen Moduloberfläche und Hotspot)

Damit liegt man eigentlich immer auf der sicheren Seite, denn der tatsächliche Wert sollte hier stets niedriger liegen. Für Extrem-Übertakter dürfte das Ganze allerdings durchaus hilfreich sein.

Fazit und Zusammenfassung

Es bleibt mir Unverständlich, wieso Micron hier auf die Implementierung von Temperatursensoren verzichtet, obwohl die JEDEC-Spezifikationen so etwas vorsieht (aber leider nicht zur Pflicht macht). Das wirkt einmal mehr wie ein überhasteter Schnellschuss, der am aktuellen Trend zu smarterer Überwachung vorbeigeht. Das bewusste Weglassen rudimentärer Überwachungsfunktionen erinnert einmal mehr an das geheimnisvolle Verhalten rund um die Temperaturen des GDDR6X-Speichers, dem ich ja seinerzeit auch schon einige Zeile gewidmet hatte.

Es ist schade, dass man als zahlender Kunde selbst mitrechnen muss, wo die aktuellen Betriebstemperaturen liegen. Es ist natürlich keine Frage physikalischer Zerstörung des Speichers durch zu hohe Temperaturen, denn da ist die thermische Reserve noch zu groß. Aber in Bezug auf Betriebssicherheit und Stabilität solcher Systeme darf am als Kunde durchaus auf solchen Auslesemöglichkeiten bestehen. Hoffen wir mal, dass es in Zukunft damit besser klappt, ich bleibe natürlich dran. Mein Dank geht hier auch noch einmal an Martin, der geduldig (und genauso neugierig) kompiliert hat, wie ein Weltmeister. Try & Error auf höchstem Niveau 🙂

 

 

 

Kommentar

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ssj3rd

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Dann halt kein Micron Speicher kaufen….

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Igor Wallossek

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Kauf mal was anderes :D

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Xidder

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Die Faustformel wird auf jeden Fall hilfreich sein, zumal es, wenn ich richtig verstanden habe, auf Basis von 30min Temperaturwerten basiert. Die thermische Masse von RAM Modulen ist ja auch noch recht überschaubar, da wird die Zeit zum erreichen des Gleichgewichts locker reichen.
Danke.

Die Module, die ich Zulauf habe, haben Samsung Speicher so weit ich weiß, hoffentlich ist es da besser Umgesetzt, incl. Sensoren.
Hm ne, soll doch SK Hynix sein.

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Igor Wallossek

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Es ist ab ca. 30 Minuten stabil, ich habe es sogar 2 Stunden laufen lassen. Das Delta ist de facto gleich geblieben und pegelt sich sogar schon nach ca. 15 Minuten Volllast ein.

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Ghoster52

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Irgend wie passt hier der Spruch "was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß"... :ROFLMAO:

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MyRunner

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Machen sich verschiedene Speicherzugriffsmuster auf die Temperatur bemerkbar. Also sowas wie so nen recht lokaler Rowhammer Zugriff?

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cunhell

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Erstmal müssten es die Anderen besser machen. Und das bleibt vermutlich abzuwarten ;-)

Cunhell

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Igor Wallossek

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Schaumer mal, was die anderen tun. Und ohne doppelten Refresh geht eh nix auzszulesen

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eastcoast_pete

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Jetzt ist's auch natürlich so, daß Micron bzw. die Anbieter die Micron verwenden einem auch sehr gerne DDR5 RAM verkaufen das ab Werk sowohl schneller und auch teurer ist. Keine Temperatursensoren im RAM sind eben auch eine deutliche "barrier to entry" für diejenigen unter uns, die ihr "billigeres" (hah!) DDR5 RAM selber schneller machen wollen. Ohne Temperaturauslesung fliegt man da eben doch etwas blind, und überlegt sich das OC zweimal.
Ich bin jetzt Mal gespannt, ob Hynix, Samsung und andere Hersteller das genau so machen, und auch die JEDEC-empfohlenen, aber nicht verpflichtenden Temperatur Sensoren weglassen. Obwohl sowas doch sehr nach Abstimmung zwischen den Herstellern aussehen würde, und zumindest theoretisch gegen Kartellgesetze verstößen kann. Muss man aber auch erst Mal beweisen können.

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Tronado

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Mmh, Sensoren beim Micron auch nicht erkannt...

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Aber der angegebene SPD HUB Temperaturwert in HWINFO64 ist doch ein genauer Sensorwert, oder?

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Ebenso wie der nicht näher benannte Wert in HWMonitor:

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Igor Wallossek

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Siehe Artikel, steht alles drin. Micron hat generell keine Sensoren und der SPD ist auch genau erklärt :)

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Tronado

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Ok, hab's gefunden. SPD HUB Temp + ca. 15°C = Oberfläche Speicherchip, sollte mir so ausreichen.
Großartiges OC ist eh nicht drin, da braucht man sich um die Temps auch keine Sorgen machen. :)
Interessant wird's erst wenn 6000-7000 MHz mit höheren Spannungen erreicht werden.

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DrWandel

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Mal zum Verständnis: Die Sache mit den fehlenden Temperatursensoren ist bedenklich für OC, aber wenn man den Speicher im Standard-Bereich (XMP?) betreibt oder nur sehr moderates OC macht, sollte das kein Problem sein, richtig?

Ausserdem: DDR5 ist ja noch ganz am Anfang, und vielleicht wird da ja auch bei Micron noch nachgelegt.

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Xidder

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Also bei meinen Gskill Modulen mit Samsung Speicher gibt es wohl auch nix:

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Igor Wallossek

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Nein, die habe ich auch schon durch, auch Corsair

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Xidder

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Scheint dann ja das neue Normal zu sein.

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RedF

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garfield36

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1,278 Kommentare 333 Likes

Beim Arbeitsspeicher macht sich wohl die Chip-Knappheit bemerkbar. Ich interessiere mich z.B. für das G.Skill Trident Z Neo 32GB Kit mit DDR4 CL16. Das ist erst seit einem Jahr auf dem Markt, bzw. war es das. Es ist nicht mehr erhältlich. Generell scheint DDR4 RAM mit 3800MHz rar zu sein. Speicher mit 4000MHz kriegt man durchaus noch, aber die sind für eine Ryzen-CPU nicht in jedem Fall brauchbar. Man kann dann zwar runtertakten, bezahlt dann aber für etwas, was man gar nicht nutzen kann.

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Tronado

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3,717 Kommentare 1,949 Likes

Rüstest du jetzt echt nochmal um? Bald kommt doch auch AMD mit DDR5 Boards auf den Markt.

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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