Messaufbau und reale Messwerte
Hier wiederhole ech mich noch einmal kurz vom letzten Artikel. Da die Speichermodule deutlich kleiner geworden sind, ist natürlich auch die Wärmedichte gestiegen. Das Silizium weist zudem einen länglichen und sehr schmalen Hotspot in der Mitte der jeweiligen Speichermodule auf, so dass Thermalsensoren (Thermal Couplers) zum Kleben aufgrund der sehr großen Kontaktfläche für punktuelle Messungen ausscheiden. Für die Durchschnittstemperatur mag das sicher noch ganz gut hinkommen, aber für kleine Hotspots ist das wirklich ungeeignet. Also doch zurück zum berührungslosen Messen und einer ordentlichen Vorbereitung. Denn ohne die geht es nicht.
Leider zeigen die mit Modulen bestückten Seiten der Speicher-Riegel in Richtung Kühler, so dass ich hier mit der IR-Kamera gewisse Klimmzüge machen musste. Abhilfe schaffte dann eine 90° Weitwinkel-Optik statt der 33°-Normal-Optik, das Verwenden eines stabilen Schwanenhals-Stativs (Elgato) und das anschließende Kalibrieren der Kamera an einem einfachen schwarzen Strahler, den ich anstelle des Speichers platziert hatte. Damit habe ich auch versucht, die Winkelabhängigkeit der Strahlleistung zu kompensieren (Lambert’sches Cosinus-Gesetz).
Test System and Equipment |
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Hardware: |
Intel LGA 1700 NVIDIA GeForce RTX 3090 FE 1x 2 TB MSI Spatium M480 |
Cooling: |
Aqua Computer Cuplex Kryos Next, Custom LGA 1200/1700 Backplate (hand-made) Custom Loop Water Cooling / Chiller Alphacool Subzero |
Thermal Imager: |
1x Optris PI640i Thermal Imager Pix Connect Software Type K Class 1 thermal sensors (up to 4 channels) |
Im nachfolgenden Bild seht Ihr den Bereich, auf den ich den Fokus gesetzt habe und in dem die gemessenen Werte nach dem Kalibrieren auch recht genau ausgelesen werden können.
Aktuell kann ich leider nur Micron-Module messen, da mir anderer Speicher nicht zur Verfügung steht. Aber die aktuellen Werte sind erst einmal aussagefähig genug und nach dem Eintreffen schnellerer Module anderer Hersteller (SK Hynix, Samsung) lässt sich natürlich immer noch alles erneut nachmessen und ergänzen. Doch betrachten wir nun den Maximalwert dessen, was sich im Hotbox-Aufbau zur Simulation realer Bedingungen im geschlossenen PC ermitteln ließ.
Das nachfolgende Bild zeigt ca. 84 °C bei 1.35 Volt. Das steigt an bis auf ca. 88 °C bei kurzzeitig maximal vertretbaren 1.4 Volt (bitte nicht nachmachen). Rechnet man jetzt noch den Wärmewiderstand zwischen der Oberfläche des Speichermoduls bis zum Hotspot im Inneren des Speicher-Moduls hinzu, dann kann man mit Sicherheit noch einmal 4 bis 5 Grad draufschlagen. Damit wären wir dann auch kurz unterhalb der zulässigen Grenze von maximal 95 °C angelangt.
Erkenntnis 1: Betriebssicherheit
Wir können daraus aber auch die Erkenntnis ableiten, dass der gekühlte RAM auch bei 1.35 Volt und viel OC zumindest nicht in die Bereiche der physikalischen Zerstörung gelangt. Da müsste man schon viel bösen Willen und schlechte Absichten mitbringen. Das wird also erst einmal nicht passieren. Anders sieht es mit der Stabilität aus. Vor allem beim Übertakten wird der Speicher schneller instabil und Oberflächen-Temperaturen über 75 °C führen bereits zu Fehlern und damit auch zur Verlangsamung bzw. sogar gravierenden Fehlern bis hin zum BSOD bzw. Neustart.
Erkenntnis 2: Faustformel
Man kann aus dem Wert für den SPD-Hub durchaus auch grob auf die Temperatur im Speicher-Inneren schießen, denn es ist ja alles auch thermisch mit- und untereinander verbunden. Ich würde so vorgehen, dass ich eine (sehr großzügig ausgelegte) Summe bilden würde:
SPD Hub in °C + 13 Grad (Delta zur Oberfläche) + 5 Grad (Delta zwischen Moduloberfläche und Hotspot)
Damit liegt man eigentlich immer auf der sicheren Seite, denn der tatsächliche Wert sollte hier stets niedriger liegen. Für Extrem-Übertakter dürfte das Ganze allerdings durchaus hilfreich sein.
Fazit und Zusammenfassung
Es bleibt mir Unverständlich, wieso Micron hier auf die Implementierung von Temperatursensoren verzichtet, obwohl die JEDEC-Spezifikationen so etwas vorsieht (aber leider nicht zur Pflicht macht). Das wirkt einmal mehr wie ein überhasteter Schnellschuss, der am aktuellen Trend zu smarterer Überwachung vorbeigeht. Das bewusste Weglassen rudimentärer Überwachungsfunktionen erinnert einmal mehr an das geheimnisvolle Verhalten rund um die Temperaturen des GDDR6X-Speichers, dem ich ja seinerzeit auch schon einige Zeile gewidmet hatte.
Es ist schade, dass man als zahlender Kunde selbst mitrechnen muss, wo die aktuellen Betriebstemperaturen liegen. Es ist natürlich keine Frage physikalischer Zerstörung des Speichers durch zu hohe Temperaturen, denn da ist die thermische Reserve noch zu groß. Aber in Bezug auf Betriebssicherheit und Stabilität solcher Systeme darf am als Kunde durchaus auf solchen Auslesemöglichkeiten bestehen. Hoffen wir mal, dass es in Zukunft damit besser klappt, ich bleibe natürlich dran. Mein Dank geht hier auch noch einmal an Martin, der geduldig (und genauso neugierig) kompiliert hat, wie ein Weltmeister. Try & Error auf höchstem Niveau 🙂
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