Subjektiver Sound-Check
Nach den ganzen technischen Details kommen wir nun endlich zum Wichtigsten: Wie klingt das Teil eigentlich? Wir setzen jetzt dort fort, wo es etwas mehr weh tut: nämlich beim individuellen Hörtest. Der Kopfhörer wurde fast 72 Stunden lang fleißig eingespielt, dieses Argument entfällt also. Zum Einsatz kommen meine Tidal-Playlist, diesmal alternierend im Loop mit Stutter-Techno, Güttlers Bachtrompete und Kammermusik.
Bassbereich
Der HIFIMAN HE400se bietet eine leichte Betonung im Bassbereich bei 6 5Hz, was ihm ein subjektiv eher „voluminöseres“ Klangbild verleiht. Obwohl der Bassbereich den nötigen Punch liefert, ist er doch nicht überbetont. Es gibt allerdings einen merklichen Roll-Off im Tiefbass beginnend ab 80 Hz, was dazu führt, dass das Bassniveau bis 40 Hz um etwa 3 dB abfällt. Dies kann bei manchen Musikstilen wie Rock und Metal zu einem etwas „schwammigen“ Klang führen, muss aber nicht. Hier ist wieder der Parametrische EQ gefordert, mit dem man gut nachbessern kann.
Dieser Bereich wirkt souverän und geht vollends in Ordnung. Die männlichen Vocals werden recht volumig modelliert und sind etwas über rein neutraler Grundton-Basis. Die Instrumente werden ebenfalls sehr sauber angebunden, was zwar nicht per se komplett massenkompatibel klingt, aber noch ausreichend neutral. Man muss sich sicher erst einmal damit anfreunden, wenn man es nicht gewohnt ist, aber mir kommt so etwas durchaus entgegen. Die nur minimale Badewannen-Ausrichtung ist recht gut gelungen, denn auch männliche Stimmen bekommen hier ein nicht zu kräftiges Fundament. Das kann man also so lassen.
Mitteltonbereich
Jetzt wird es fast schon warm wie am Kaminfeuer, weil die Mitten etwas mehr in den Vordergrund treten. Viele Details der Grundtonfrequenzen bleiben trotzdem sehr nah am Original, also es ist es noch akzeptabel. Das kann man sogar mögen, denn diese Spielart strahlt Wärme und vor allem auch Fülle aus. Weibliche Vocals klingen im Fundament immer noch sehr souverän, aber etwas kräftiger als die männlichen. Die Auflösung der Treiber ist einfach gut genug, um alles exakt wiedergeben zu können. Das kann man getrost so lassen.
Man fällt erst einmal in ein kleines Tal bei rund 1,5 KHz, um dann ab 2,5 KHz wieder enorm zuzulegen, was der differenzierten Wiedergabe in diesem Bereich minimal abträglich ist und ein Bild von falsch verstandener Neutralität ergibt. Die Bühne ist trotz allem recht breit und die subjektiv empfundene Qualität der räumlichen Auflösung ist hier auf überdurchschnittlichem Niveau. Hohe Pegel bei sehr vielen gemeinsam spielenden Quellen sind trotz des 3-KHz-Peaks kein Problem, die Ortung gewinnt jedoch immens, wenn man den Bereich um 1,5 KHz etwas anhebt und die 3 KHz etwas zurücknimmt (Glockenfilter reicht). Beim Gaming ist das mit dem Pegel nicht ganz so kritisch und es ist vieles so, wie es eine gewisse Gruppe von Gamern sicher gern hätte. Die Lokalisierung der Schallquellen ist allerdings nach dem bereits erwähnten Eingriff mit dem Equalizer noch einmal deutlich besser, obwohl sie auch ohne Nachhilfe schon weit über dem Durchschnitt liegt.
Hochtonbereich
Die Wiedergabe ist qualitativ gut, aber doch etwas arg höhenlastig. Sie setzt auf den teilweise verhalten ausgeprägten Mitten und den prägnanten oberen Mitten auf, was das Ganze wieder zwar etwas ausgleicht, aber nach dem EQ schreit. Die Sprachverständlichkeit sowie die Qualität der Vocals bei der Wiedererkennung sind hingegen richtig gut und es wird immer dann noch sehr viel besser bis an der Rand der Perfektion, wenn man diesen Bereich am EQ etwas zurückregelt. Geschmacksache, wie immer. Fürs Gaming gilt exakt das Gleiche, das Resultat kann man also auch beim Gaming vollends akzeptieren. Manche Peaks sind dann aber schon nervig. Naja, dafür gibt es den EQ.
Der Hochton ist brillant, das kann man erst einmal so lassen oder noch weiter verbessern. Sibilanten und Ausblasgeräusche sind sehr präsent, aber nicht zu vordergründig und es gleitet auch nichts ins Metallische und Spitze ab. Darüber bildet sich etwas eisige Höhenluft, aber man kann ja nachregeln. Klanglich liegt der Kopfhörer also voll im Trend, auch wenn ich das persönlich eher nicht so mag. Der zum Vergleich genutzte offene T5 der 3. Generation von Beyerdynamic kostet fast das Zehnfache und produziert vor allem im Hochton noch mehr Fragezeichen. Also entweder ist der T5 eine überteuerte Katastrophe oder der HIFIMAN HE400se ist ein echtes Sparbrötchen mit tollem Klang. Das soll jeder für sich entscheiden.
Zusammenfassung und Fazit
Wo soll ich das Ganze jetzt einordnen? Für einen Straßenpreis von aktuell 99 bis 109 Euro ist der HIFIMAN HE400se eine extrem freche Kampfansage an die „Etablierten“. Einen magnetostatischen Kopfhörer in dieser Preisklasse anzubieten ist schon echt herausfordernd. Zumal hier auch beim Material kaum Einschnitte gemacht wurden, die sofort negativ auffallen würden. Ja, man könnte diesen guten Hi-Fi-Kopfhörer mit einem Mikrofon sogar zum fast unschlagbaren Headset umbauen, aber dann müsste man erst einmal das passende Kabel mit Mikrofon finden.
Klanglich ist der HIFIMAN HE400se voll auf der Höhe, wobei einen der trockene und weitgehend gut konturierte Bass im Rahmen eines offenen Kopfhörers durchaus begeistern kann. Die Mitten sind bis in die oberen Lagen warm und schmeichelnd, auch wenn ich das Peak bei 3 KHz nicht sonderlich mag. Hier kann man aber etwas nachregeln und sich dem Ideal der Harman-Kurve sehr einfach annähern. Was aber in jedem Fall begeistert, sind die flinken Treiber mit einem vorzüglichen Einschwing- und Ansprechverhalten und der tollen Auflösung. Für diese Preisklasse ist das herausragend und eigentlich auch einzigartig.
Die Pegelfestigkeit ist nahezu episch, allerdings wird man am Onboard-Sound der Mainboards eher wenig Freude haben, da dort alles flau und viel zu kraftlos klingt, trotz der 32 Ohm Impedanz. Mit etwas mehr Antrieb startet dann aber ein wahrer Höhenflug und es bleibt kein Auge trocken. Das Ohr übrigens auch nicht, aber es wird sauber durchgepustet. Das ist eigentlich eine echte Kaufempfehlung, wenn da die drei eingangs bereits erwähnten Kleinigkeiten nicht wären: etwas zu kurzes Kabel mit einem albernem Winkelstecker, die nötige Ausgangsleistung am Kopfhörerausgang und das etwas klobige Kopfband, das man für wenige Euro mehr auch anders hätte machen können. Aber wollen wir mal ganz ehrlich sein: Das ist alles schon zweckgebundenes Jammern auf allerhöchstem Niveau.
Der HIFIMAN HE400se wurde anonym selbst gekauft. Falls jemand Headsets wie z.B. die neueren MMX 100 und MMX 150 von Beyerdynamic oder Modelle von Teufel besitzt und für einen echten, Influencer-freien Test zur Verfügung stellen möchte, den bitte ich um Kontaktaufnahme. Da ich so etwas eher nicht auf Eigenkosten in meiner Sammlung haben möchte (siehe Custom One Pro), bin ich da auf die Community angewiesen. Schon einmal danke fürs Mitmachen!
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