Biegeradius und Haltbarkeit
Auch das mit dem Abbiegen ist so eine Sache, die häufig zu Fehlern führt. Denn zu den bis zu 14 cm Höhe der Grafikkarten nach dem Einstecken kommen noch einmal mindestens 4 cm hinzu (wenn nicht sogar mehr), wenn man das Kabel vor der Seitenwand des Gehäuses abbiegen muss. Man kann also gut und gern mit bis zu 20 cm kalkulieren, wenn man sichergehen möchte. Aber wer hat schon so ein breites Gehäuse? Schauen wir uns an, wie weit man das mit dem Biegen eigentlich treiben kann und darf. Im Bild unten sehen wir einen Abstand von rund 4 cm zwischen Steckerunterseite und Kabelbaum, wobei sich der 90°-Bogen ab ca. 2 cm erstreckt. Einen geringeren Biegeradius bekommt man nicht wirklich sicher hin, wenn man es nicht besonders geschickt (und mutig) anstellt. Deshalb ist diese hier auf dem Bild gezeigte Variante durchaus noch als sicher zu betrachten und es wird auch vom Hersteller wohl so empfohlen.
Allerdings gibt es auch hier (nennen wir sie einmal vorsichtig) Optimisten, die das mit dem Biegen eher nonchalant sehen. Das mit dem Biegen wäre übrigens eher unproblematisch, wäre der Anschluss nicht „zweilagig“ und gäbe es dazu nicht die böse Hebelwirkung! Betrachten wir dafür das Bild unten. Wenn man die Leitungen im 90°-Winkel kurz nach dem Stecker bereits nach unten biegen würde, entstünden bei beiden Lagen unterschiedlich große Biegeradien! Die 12V-Leitungen liegen hier oben, also ist auch der Radius größer! Die Kabellänge bleibt jedoch gleich, da der Sleeve und die einzelnen Leitungen am Ende mit einem Kabelbinder fest verzurrt wurden. Man muss beim Biegen also darauf achten, dass die Leitungen etwas gefächert versetzt und damit leicht nebeneinander (gestrichelte Linie) und nicht direkt übereinander liegen
Macht man das nicht, dann kann das Kabel ja nicht nachträglich nachgeführt werden. Weil man aber einen größeren Radius nutzen muss, wird es den Kontakt unweigerlich nach außen ziehen. Und zwar umso stärker, wie man sich dem Stecker nähert, weil sich die Kabel nicht mehr leicht versetzt nebeneinander bewegen lassen.
Netzteilhersteller und deren Erfahrungen
Da mich be quiet! freundlicherweise mit genügend Kabeln zum Experimentieren versehen hatte, bin ich bei den gecrimpten Anschlüssen der nativen Kabel in die Vollen gegangen. Ich war am Schluss sogar so mutig, an die gequälten Kabel gleich zwei Karten anzuschließen. Ja, auch diese Stecker werden mehr als nur handwarm, aber gefährlich ist das nicht. Meine drei 8-Pins an der übertakteten MSI RTX 3090 SUPRIM X sind da nicht minder warm. Alles unter 70 °C ist aber auch im geschlossenen Gehäuse und nach einer Stunde Last völlig unbedenklich. Nylon 66 schüttelt sich da noch nicht einmal, sondern steckt tiefenentspannt in der Buchse.
Die auf der ersten Seite bereits kritisierten Lötverbindungen lassen sich in nativen Kabeln natürlich crimpen. Dann hat man auch nicht mehr das Problem der Beschädigung der Litze hinterm Lötzinn oder abreißender Lötpads. Auch wenn es natürlich ein typischer Umsatz-Katalysator ist: man sollte wirklich auf ein ATX 3.0 Netzteil mit nativem Kabel umsteigen oder den Hersteller seines Netzteils in die Pflicht nehmen und auf einem 12VHPWR-Kabel bestehen, das netzteilseitig auch mit den üblichen Molex-Steckern (2 x 8, oder 2x 12) versehen sein kann (je nach Anbieter).
Der von NVIDIA mitgelieferte Adapter ist in jedem Fall nur als eine Notlösung zu betrachten, wirklich schön ist dieser Knödel nicht. Zumal es noch nicht einmal sichergestellt ist, dass das teuer bezahlte Effizienz-Label z.B. eines 80 Plus-Titanium-Netzteils nach noch mehr Verbindern und Kabeln überhaupt noch gilt, weil die Vorgaben deutlich überschritten werden. Ich habe übrigens die meisten Steck-Tests mit einer eigenen Platine im Labor gemacht, um die 12VHPWR-Anschlüsse der wertvollen Grafikkarten nicht zu beschädigen.
Hier musste dann wieder die MSI RTX 3090 SUPRIM X herhalten, deren Power Limit ich auf 480 Watt geprügelt habe. Mit dieser Platine ließ sich dann ziemlich stressfrei die Erwärmung der eingesteckten 12VHPWR Verbindung testen, zumal ich direkt an den Lötaugen der Steckverbinder auch Thermo Coupler für die Temperaturmessung anbringen konnte. als Spannngsversorger diente dabei das weiter oben abgebildete Dark Power Pro 13 von be quiet! samt des dazugehörigen 12VHPWR-Kabels bzw. drei einzelnen PCIe-Kabeln mit jeweils einem 6+2 Pin-Stecker.
Alternativ habe ich sogar den kompletten Kurzschluss getestet und dies bis 480 Watt Verlustleistung aus meinem Labornetzteil gespeist (Manson HCS 3400). Die Pins waren mit dem Adapter von Astron dabei nach ca. 10 Steckvorgängen um ca. 4-5 °C heißer als beim NTK-Adapter. Der NTK-Adapter war aber nur 1-2 °C wärmer als das native, gecrimpte Original-Kabel des Netzteils, das auch nach 50 (!) Verbindungen keine signifikanten Veränderungen aufwies.
Winkelstecker und Winkelkabel
Hier hat NVIDIA unbewusst gerade einen regelrechten Third-Party-Boom losgetreten. Dass man den Boardpartnern (laut deren Aussagen) mehr oder weniger nachdrücklich „nahegelegt“ hat, nur die von NVIDIA gelieferten Lösungen zu nutzen, muss man nicht ausdiskutieren, denn anhand der Komplexität der Umstände kann man sich keinerlei Nachlässigkeiten erlauben. Dass dann der Boardpartner die RMA ablehnt, wenn auf Kundenseite Drittanbieter-Produkte ins Spiel kommen, ist auch irgendwie nachvollziehbar. Wobei sich dies definitiv nicht auf die von den Netzteilherstellern gelieferten nativen Anschlüsse oder Zubehörkabel bezieht, sondern auf die potentiellen Brandbeschleuniger aus dem Alibaba-Wühlregal. Da habe ich mittlerweile schon viel Elend gesehen.
Das betrifft auch 90° Winkelstecker, die bisher nicht offiziell zertifiziert wurden und die Molex z.B. wegen der Nähe der Anschlüsse bisher kategorisch ausgeschlossen hat. Und was ist mit dedizierten Winkeladaptern? Die Lagenstärke der bisher gezeigten Winkelplatinen dürfte aus Kostengründen meist nur bei den üblichen 35 µm (1 oz) liegen, empfohlen werden jedoch mindestens 70 µm (2 oz). Diese Platinen sind aber leider auch deutlich teurer und bei 105 µm (3 oz) werden wohl alle Anbieter freiwillig aussteigen. Aber ich habe ja die technischen Möglichkeiten, auch solche Produkte zu testen. Also lieber Anbieter, traut Euch und schickt mir Eure Winkel!
Zusammenfassung und Fazit
Inwieweit man Astron eine Mitschuld an der ganzen Misere geben kann, kann und will ich gar nicht beurteilen. Das muss letztendlich NVIDIA mit seinem Zulieferer unter sich ausmachen. Eine interessante Fußnote dabei ist allerdings, dass die kommende GeForce RTX 4070 Ti mit einem x2 Adapter ausgeliefert werden soll, der diesmal nicht von Astron stammen dürfte. Das hat mir zwar nicht NVIDIA kommuniziert, wurde aber von einigen Boardpartnern schon bestätigt. Wir haben aber gesehen, dass die kausale Kette aller möglichen Probleme und deren Folgen so lang und vielschichtig ist, dass es DEN EINEN und einzigen Grund wohl gar nicht geben kann.
Der PCI SIG muss man anlasten, dass man dort reichlich weltfremd Normen für Anschlüsse aufstellt, die weder praxiserprobt sind, noch die möglichen Wechselwirkungen der unterschiedlichen Einflüsse bis hin zum Endanwender berücksichtigt. Man muss einerseits natürlich NVIDIAs Mut und Beharrlichkeit würdigen, sich auch auf Neues einzulassen, denn bis hin zur GeForce RTX 3090 Ti gab es ja kaum negatives Feedback. Andererseits ist der x4 Adapter von Astron, auch und vor allem handwerklich betrachtet, eine echte Vollkatastrophe. Man sollte an dieser Stelle wirklich nach praxistauglicheren und stabileren Lösungen suchen.
Ich fasse abschließend noch einmal alle im Labor aufgefallenen Probleme zusammen und wo es möglich, gibt es auch einen Workaround mit dazu:
Problem | Ursache | Lösung |
Schlecht passende Stecker, gerades Einstecken unmöglich |
Spritzguss, abstehende Gussreste | Leichtes Fasen mit Cuttermesser, kein Kontaktfett verwenden! |
Schlecht passende Stecker, kein Einrasten am Ende |
Spritzguss, abstehende Gussreste, Mangelhafte Arretierung |
Optische Kontrolle durch User |
Heiße Kontakte, Schmelzen des Steckers (1) |
Aufgebogener Tulip-Kontakt durch gewinkeltes Einstecken oder Bewegen des Steckers danach |
Ersetzen des Kabels bzw. Adapters |
Heiße Kontakte, Schmelzen des Steckers (2) |
Bending des Adapter- oder Netzteilkabels |
Ersetzen des Kabels bzw. Adapters |
Heiße Kontakte, Schmelzen des Steckers (3) |
Alle relevanten Ursachen | Verwenden von ATX3-Netzteilen mit nativem 12VHPWR-Stecker oder Ersatzkabel der PSU (jeweils gecrimpt) |
Ungenügend Grifffläche für das richtige Einsetzen bis zum Endanschlag |
Kühlerdesign | Keine |
Ungenügend Grifffläche für das richtige Lösen der Verbindung ohne Verbiegen |
Kühlerdesign | Keine |
Heiße Zuleitungen zwischen Adapter und PSU |
Adapter mit gebrochenen Lötstellen oder Kabelbruch |
Adapter tauschen |
Heiße Stecker/Buchsen an der PSU-Seite |
PSU-Auslegung zu schwach | PSU ersetzen |
Ich bleibe natürlich mit allen Beteiligten so gut und häufig in Kontakt wie möglich und nötig. Und ich hoffe, dass der nächste Artikel zu diesem Thema dann auch eine Lösung des Adapter-Problems vorstellen kann. Privat nutze ich übrigens mittlerweile nur noch die NTK-Adapter und hatte bisher damit auch keinen einzigen Ausfall. Ob dies jetzt reiner Zufall ist oder wirklich auf eine bessere Qualität der Kontakte schließen lässt, wäre natürlich als Pauschalaussage schon etwas spekulativ. Aber ich fühle mich schon etwas sicherer. Und für das Gaming-System habe ich Gott sei Dank ein natives Kabel am Netzteil. Ich schrieb es ja bereits, dass die Adapter nur eine echte Notlösung sein sollten.
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