Der Faktor Mensch und die PCI SIG
Es ist uns selbst auch schon passiert, dass man beim Astron Stecker meint, er wäre bereits am Anschlag und voll eingesteckt. Man sieht am Foto unten sehr deutlich, dass die Reste vom Spritzguss nicht nur das Einführen („Einfädeln“) des Steckers extrem erschweren können, sondern sie schieben sich auch als eine Art Keil in den sehr schmalen Zwischenraum zwischen Stecker und Buchse. Je weiter man den Stecker einsetzt, umso größer wird der Widerstand, bis man glaubt, der Stecker wäre vollständig eingesteckt. Die Fertigungstoleranzen beim Astron-Stecker scheinen zum Teil durchaus recht groß auszufallen, denn die Arretierung ist bei einigen Adaptern quasi nicht vorhanden bzw. zumindest taktil nicht spürbar. Hier muss definitiv die Qualität des Spritzgusses hinterfragt werden.
Man verwendet zweckmäßigerweise Nylon 66 (PA66) und nicht Nylon 6 (PA6), weil es deutlich temperaturbeständiger ist. Allerdings ist PA66 etwas granulärer und damit auch schwerer zu verarbeiten. Aus meiner Sicht stellt es einen gravierenden Mangel dar, dass die Kanten der Stecker nicht gefast wurden bzw. man auf jegliche Nachbearbeitung verzichtet hat. Das habe ich NVIDIA gestern auch so mitgeteilt. Über die Probleme mit dem Spritzguss hatte ich nämlich bereits letzte Woche ein Gespräch mit einem Supplier, der hier definitiv auch die PCI SIG in der Pflicht sieht. Was für die angeschrägten Innenkontakte der Buchse gilt, muss auch für die Außenkanten der Steckverbinder gelten.
Dann klappt es auch senkrecht und ohne Gewalt. Es ist am Ende wie immer auch eine Frage der richtigen Führung. Denn was passiert, wenn man den Stecker nicht senkrecht eingesetzt bekommt? Richtig, man sucht sich den Weg des geringsten Widerstandes, winkelt den Stecker ab und sucht sich die zwei seitlichsten Kontakte der Buchse, um hier anzusetzen. Das wiederum ist tödlich für jedes Tulip-Design, vor allem, wenn es doppelt geschlitzt ist! Und wer aufgepasst hat: Je nachdem, ob der Anwender Links- oder Rechtshänder ist, trifft es die jeweils andere Außenseite mit den verschmorten Kontakten.
Das erklärt dann vielleicht auch, warum es überwiegend eine Seite besonders trifft. Wenn in seltenen Fällen auch Mittelkontakte betroffen sind, hat der Anwender mit Sicherheit den Stecker an den Längsseiten abgewinkelt. Die Fälle bei der Founders Edition sind seltener, was wohl auch daran liegt, dass die Buchse frei erreichbar ist. Doch dazu gleich mehr, wenn es um die Kühler geht.
Es wurde in den Medien ja bereits eine Überarbeitung des Steckers durch die PCI SIG thematisiert. Auch hier konnte mir Gabriele Gorla noch einmal persönlich bestätigen, was ich von den Drittanbietern bereits letzte Woche erfahren hatte. Aber doppelt hält besser. Die aktuell geplanten Änderungen werden nämlich lediglich die vier Sense-Pins betreffen, haben es jedoch in sich. Durch das Zurücksetzen bzw. Einkürzen der Kontakte werden die Sense-Pins nämlich erst dann kontaktfähig, wenn der Stecker vollständig eingesteckt wurde!
Das heißt im Umkehrschluss, dass ohne die Belegung bzw. das Erkennen der ersten beiden Sense-Pins die Grafikkarte nicht mehr starten wird. Warum man das nicht gleich so geplant hat, weiß wohl nur de PCI SIG selbst. Wenn man sich in einem zweiten Schritt noch dazu durchringen könnte, zusätzlich die Form der Steckergehäuse zu korrigieren, indem man abgeschrägte bzw. gefaste Kanten vorschreibt, würde wohl ein Großteil der Probleme auf Kundenseite automatisch gleich mit verschwinden.
Einstecken und Entfernen mit künstlichen Hindernissen
Doch nicht nur der Stecker und dessen Produktion kann den Anwender in die Irre leiten, sondern auch das Umfeld der Steckverbindung! Viele Boardpartner haben beim Grafikkarten-Design leider nicht mitgedacht und man stellt Design und Optik leider über die Funktionalität. Um meine Kritik zu verstehen, zeige ich Euch jetzt zwei Karten, beide mit 12VHPWR-Anschluss, aber mit unterschiedlichen Kühlern. Auch diesen wunden Punkt hatte ich ja bereits schon ein einem der verlinkten Artikel thematisiert und mir sogar selbst die Finger blutig geschnitten.
Man sieht an der oberen Lösung sehr deutlich, dass die Finger genügend Platz finden, um die den Stecker ordentlich anzufassen und auch weit genug einschieben zu können, ohne nur am Steckerende oder an den Kabeln zu drücken. Auch ein seitliches Anfassen bzw. Stabilisieren des Steckers ist noch möglich.
Außerdem ist das Lösen der Arretierung beim Herausziehen des Steckers später noch sehr einfach durchzuführen. Bei der unteren Kühllösung ist bereits das Einstecken mit Hürden verbunden, weil ein paar Millimeter am Platz fehlen (auch seitlich) und man den Stecker ohne das Risiko einer Fingerveletzung auch nicht wieder gelöst bekommt.
Auch hier sehe ich die PCI SIG in der Pflicht. Das, was bei CPU-Sockeln seit Jahrzehnten Pflicht ist, nennt sich „Keep out Area“ und beschreibt die Flächen neben dem Sockel, die nicht durch Backplates oder Brackets überdeckt bzw. genutzt werden dürfen. Wo liegt nun bitte das Problem, so eine ergonomisch notwendige Zone auch für diesen Steckverbinder zu definieren? Hier könnte man mit einer simplen Bounding-Box dafür sorgen, dass der Anwender keine Probleme beim Einstecken oder Lösen so einer Verbindung bekommt. Auch das habe ich NVIDIA gestern so kommuniziert, denn wenn die PCI SIG als schwerfälliger Konsens-Apparat für solche Basics zu unflexibel ist, könnte NVIDIA dies den eigenen AIC im Rahmen des Green Light Programs doch einfach so mit auf den Weg geben. So etwas halte ich persönlich sogar für essentieller, als das Pantone-genaue Proofing der Box-Art und deren Farben.
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