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CORSAIR HS65 Surround Gaming Headset im Test – Optisch und haptisch solide aber mit leichten Schwächen im akustischen Finish

An dieser Stelle zunächst ein großes Dankeschön an Igor, der mir bei diesem Test mit seiner Expertise ausgeholfen hat. Seine neue Messstation wurde zwar hier bereits genauer Vorgestellt, aber für das HS65 Surround sollte sie nun das erste Mal offiziell zum Einsatz kommen.

Messaufbau und Grundlagen

Nun schlägt die Stunde der Wahrheit, mal wieder. Und doch ist ab jetzt Einiges anders und genau deshalb habe ich mich hier auf dieser Seite mal eingeklinkt, den gemessen werden die Teile ja jetzt auch und das geht nur hier im Labor. Nennen wir es einmal Arbeitsteilung bei der Wahrheitsfindung. Der Testaufbau ist jetzt final und die Basis bleibt das bekannte Messmikrofon, dass sich ja bereits für die In-Ears bewährt hat. Die Anregungen für die Realisierung habe ich bei Oratory gefunden und es schadet nichts, auch dort einmal vorbeizuschauen.

Generell gilt, dass man zur Messung des Übertragungsverhaltens von Kopfhörern sogenannte Kuppler mit klar definierten Volumina und fest eingebauten, sauber kalibrierten Messmikrofonen nutzt. Für Einsteckhörer (In-Ears) und Kleinhörer (z.B. aus Hörgeräten) lässt sich der Aufbau genauso gut nutzen, wie für einfachere Kopfhörer und Headsets als sogenannte On-Ears (Kopfhörer mit supraauralen Kissen). Für solche Kopfhörer (On-Ear) ist das „künstliche Ohr“ nach IEC 318 brauchbar, an das ich mich mit der Umsetzung nunmehr gehalten habe. Dazu kommt die Creative AE-9 als Soundkarte, an der nicht nur das Messmikrofon rauscharm genug angeschlossen ist, sondern auch die Ansteuerung der Kopfhörer, solange das analog per Klinke möglich ist. USB-Lösungen bei den Heatsets nutze ich jedenfalls im Original und wenn beides möglich ist, wie in diesem Fall, nutze ich auch vergleichend beide Optionen. Zur Creative Sound Blaster AE-9 gibt es noch einen gesonderten Artikel

Das Corsair-Headset auf dem Prüfstand

 

Die dicken Over-Ears, also circumaurale bzw. Ohr-umschließende Kopfhörer, sind nicht einfach zu handhaben, wenn es um die Messung und vor allem um die Reproduzierbarkeit geht. Denn genau dafür gibt es ja noch gar keine wirklich genormten Kuppler. Die Gründe dafür liegen in Schwierigkeiten der Messtechnik und den vielen beeinflussenden Faktoren begründet, die eine sichere Reproduzierbarkeit fast unmöglich machen. Daher werden solche circumaurale Kopfhörer überwiegend mit entsprechend umgebauten Kupplern für supraaurale Kopfhörer gemessen, indem man zusätzlich eine eine flache Platte als Auflage für das circumaurale Kissen nutzt (siehe Bild oben).

Wichtiger Anhaltspunkt: Die Harman Kurve

Die sogenannte Harman-Kurve ist eine (optimale) Klangsignatur, die die meisten Menschen bei ihren Kopfhörern bevorzugen. Sie ist somit eine genaue Darstellung dessen, wie z.B. hochwertige Lautsprecher in einem idealen Raum klingen und sie zeigt den Zielfrequenzgang eines perfekt klingenden Kopfhörers. Damit erklärt sie auch, welche Pegel angehoben und welche gedämpft werden sollten, wenn man diese Kurve zugrunde legt. Damit erklären wir auch in einem Aufwasch noch den Begriff der oft zizitierten „Badewannen-Abstimmung“, bei dem die Harman-Kurve jedoch völlig überzogen missbraucht und überhöht wird.

Aus diesem Grund ist die Harman-Kurve (auch „Harman-Ziel“ genannt) einer der besten Frequenzgangstandards für den Musikgenuss mit Kopfhörern, denn im Vergleich zum flachen Frequenzgang (neutrale Kurve) sind bei der Harman-Kurve die Bässe und Höhen leicht angehoben. Diese „Kurve“ wurde 2012 von einem Team von Wissenschaftlern unter der Leitung des Toningenieurs Sean Olive erstellt und veröffentlicht. Die Forschung umfasste seinerzeit auch umfangreiche Blindtests mit verschiedenen Personen, die unterschiedliche Kopfhörer testen mussten. Auf der Grundlage dessen, was sie dann mochten (oder auch nicht), fanden und definierten die Forscher die allgemein beliebteste Klangsignatur.

Die Abstimmung von Kopfhörern kann aufgrund der menschlichen Anatomie wirklich problematisch sein. Jeder Mensch hat eine etwas andere Ohrmuschel und einen etwas anderen Gehörgang, was sich darauf auswirkt, wie die einzelnen Personen bestimmte Frequenzen wahrnehmen. Im Extremfall gibt es von Person zu Person ein paar dB Unterschied, was dann auch die kleinen Unterschiede in manchen Messungen mit künstlichen Ohren erklärt. Außerdem wird der Schall, wenn er nicht absorbiert wird, von anderen Oberflächen zusätzlich reflektiert. Thoretisch wäre also auch ein Torso im Testaufbau mit einzubeziehen, aber das wäre viel zu aufwändig.

Das Corsair HS65 Surround Headset ohne USB-Dongle direkt am Verstärker

Kommen wir nun zur ersten Messung, bei der ich das Headset erst einmal zum besseren Vergleich analog direkt an der Creative Sound Blaster AE-9 anschließe. Die Ausgangsimpedanz der Endstufe liegt deutlich unter einem Ohm, so dass vor allem im Bassbereich keine Impedanzverschiebungen und damit zusätzliche Messfehler enstehen. Man sieht sehr schön die recht ausgeprägte Badewanne, die jedoch beim Bass etwas schwächelt. Das Problem ist hier allerdings weniger der Abfall im Tiefbass unterhalb von 40 Hz, das ist locker zu verkraften. Was mich etwas stört, ist der doch sehr ausgeprägte Oberbass, der dann ab 200 Hz zum etwas unangenehmen „Papp-Sound“ führt. Eingeweihte kennen das aus dem Party-Keller, wo billige China-Schrammelboxen wummern und dröhnen. Ich hätte den Buckel der Kurve lieber noch etwas weiter links gesehen, aber ok, es ist ein Gaming-Headset. Die dunkle Kurve ist das Harman-Ziel.

Der Bereich der unternen Mitten bricht etwas ein, weil der Bass alles etwas in den Hintergrund schiebt. Der Einbruch bei ca. 550 bis 600 Hz ist aber nicht wirklich wahrzumnehmen, auch wenn es etwas Kühle verbreitet, weil die Grundtonfrequenzen nach oben hin etwas schwächeln. Bei 2,5 bis 3 KHz sehen wir den gehörbedingten Pegelanstig, der etwas stärker als die Idellinie der Harman-Kurve ausfällt. Außerdem hibbeln die Treiber im Superhochton bei ca. 10 KHz etwas, aber auch das wird man beim Gaming kaum subjektiv wahrnehmen. Aber wir werden diesen Bereich gleich noch einmal wiedersehen. Interessant ist auch, dass die Treiber noch bis 20 KHz sauber spielen, was auch nicht selbstverständlich ist. Hören wird man es allerdings kaum noch. Unterm Strich sieht es also beim Direktanschluss an einen ordentlichen Verstärker ganz gut aus. Man kann also auch Musik damit hören, auch wenn es keine Hi-Fi Kopfhörer sind. Aber es ist auch keine Tröte, nur etwas kopflastig beim Oberbass. Das kann man mögen, oder auch nicht (so wie ich).

Das Corsair HS65 Surround Headset mit USB-Dongle in Software

Kommen wir nun zur zweiten Messung, bei der ich das Headset nun an die mitgelieferte USB-Soundlösung anschließe. Die Ausgangsimpedanz lässt sich schwer abschätzen und für aufwändige Messungen fehlt mir etwas die Zeit. Doch werfen wir nun einen Blick auf die Kurve im sogenannten „Pure Direct“-Modus. Der Bass fällt, warum auch immer, unterhalb von ca. 150 Hz recht stark ab. Den Rest der Kurve kann man so lassen, auch wenn nun ein eklantanter Höhenabfall im Superhochton messbar ist, den man auch hört. Das klang eben noch deutlich besser. „Pure“ ist da nichts, auch wenn der Papp-Sound fast kompleg weg ist. Allerdings versackt der komplette Bass entmutigt in der Belanglosigkeit.

Modus: Pure Direct

Schauen wir mal, ob das der „Bass Boost“ Mode besser hinbekommt. Doch nun ist auch Tante Helgas Party-Keller wieder in Tanzlaune und es steppt der Bär bei 200 Hz. Man hat den Bereich zwischen 30 und 40 Hz stark angehoben, obwohl die Treiber das so gar nicht können. Die Folge ist ein leichter Rückgang der Pegelfestigkeit und eine Delle bei 70 Hz. Oben heraus schiebt man auch die Höhen bei 8 KHz viel zu viel an, der Rest passt dann wieder. Diesen Modus würde ich wohl am wenigsten bevorzugen.

Modus: Bass Boost

Aber es ist ja ein Gaming-Headset und so begeben wir uns nun zum voreingestellen Modus „FPS Competition“. Ooops, was ist den da passiert? Vor allem in Richtung 45 Hz ist eine extreme Delle, während es weiter unten noch einmal einen Aufschwung gibt. Dafür gibt es am oberen Ende einen versöhnlichen Ausklang.

Kumulative Spektren (CSD, SFT, Burst)

Das kumulative Spektrum bezeichnet verschiedene Arten von Diagrammen, die Zeit-Frequenz-Eigenschaften des Signals zeigen. Sie werden durch die aufeinanderfolgende Anwendung der Fourier-Transformation und geeigneter Fenster auf überlappende Signalblöcke erzeugt. Diese Analysen basieren auf dem bereits oben dargestellten Frequenzgangdiagramm, enthalten aber zusätzlich noch das Element Zeit und zeigen nun als 3D-Grafik („Wasserfall“) sehr anschaulich, wie sich der Frequenzgang über die Zeit hin entwickelt, nachdem das Eingangssignal gestoppt wurde. Umgangssprachlich wird so etwas auch „ausklingen“ oder „ausschwingen“ genannt. Normalerweise sollte der Treiber nach dem Wegfall des Eingangssignals ebenfalls möglichst schnell anhalten. Einige Frequenzen (oder sogar ganze Frequenzbereiche) werden jedoch immer langsam(er) abklingen und dann in diesem Diagramm als länger anhaltende Frequenzen auf der Zeitachse auch weiterhin erscheinen. Daran kann man gut erkennen, wo der Treiber eklatante Schwächen aufweist, vielleicht sogar besonders „scheppert“ oder wo im ungünstigsten Fall Resonanzen auftreten und das Gesamtbild stören könnten.

Cumulative Spectral Decay (CSD)
Der kumulative spektrale Zerfall (CSD) verwendet die FFT und ein modifiziertes Rechteckfenster, um den spektralen Abfall der Impulsantwort zu analysieren. Es wird hauptsächlich zur Analyse der Treiber-Antwort verwendet. Der CSD verwendet normalerweise nur eine kleine FFT-Blockverschiebung (2-10 Samples), um Resonanzen im gesamten Frequenzbereich besser sichtbar zu machen und ist somit ein nützliches Werkzeug zur Erkennung von Resonanzen des Wandlers. Das Bild zeigt sehr schön das Einschwingverhalten und einige anwesende Bassresonanzen im Oberbass. Irgenwo muss das ja herkommen. Die Membran schwingt nämlich unterhalb von 250 Hz etwas nach. Miese, hochkomprimierte MP3-Dateien oder lausige YouTube-Streams werden durch die Spitzen etwas im Hochton kristallisiert, aber bei sehr guten Einspielern ist das für mich schon etwas too much. Man kann es lieben, muss es aber nicht hassen. Eigentlich passt das sogar ganz gut.

Short-time Fourier Transform (STF)
Die Kurzzeit-Fourier-Transformation (STF) verwendet das FFT- und Hanning-Fenster, um das zeitlich variierende Spektrum der aufgezeichneten Signale zu analysieren. Hier nutzt man im Allgemeinen eine größere Blockverschiebung (1/4 bis 1/2 der FFT-Länge), um einen größeren Teil des zeitvariablen Signalspektrums zu analysieren, wobei man besonders den Einsatzgebieten wie Sprache und Musik näherkommt. Im STF-Spektrum sehen wir nun auch sehr schön die Arbeit der Treiber, die sich in einigen Frequenzbereichen diverse Schwächen leisten. Dieses „Nachziehen“ bei den niedrigeren Frequenzen unterhalb von 500 Hz wiederholt sich dann noch und bei ca. 2,5 bis 3 kHz und dann kommt ja auch noch noch die hibbelnde Peitsche im Superhochton bie ca. 10 Khz.

Burst Decay

Beim CSD wird der Plot im Zeitbereich (ms) erzeugt, während der hier verwendete Burst Decay Plot in Perioden (Cycles) dargestellt wird. Und während beide Methoden ihre Vor- und Nachteile (oder Einschränkungen) haben, kann man durchaus sagen, dass die Darstellung in Perioden durchaus sinnvoller sein kann, um das Abklingen eines Treibers mit einer großen Bandbreite zu bestimmen. Und genau da schneidet das HS 65 eher mittelprächtig ab. Wir sehen eine starke Resonanzschwingung im Oberbass mit dem maximum bei ca. 200 Hz, ein paar kleine Nachhänger  um die 2 bis 3 kHz und im späteren Verlauf dann wieder so ein Peak  zwischen ca. 8 und 12 kHz. Aber zumindest der Hochton ist nichts, was subjektiv als echtes Negativum wahrgenommen wird. Der Bass ist aber nicht nur hörbar, sondern hier auch sichtbar schon etwas zu matschig und pappig.

Zwischenfazit

Damit wäre mein Part auch schon wieder erledigt und es ist kein Verriss geworden. Nur die Warnung, es beim Oberbass nicht zu übertreiben und notfalls in der iCUE-Software etwas nachzuregeln. Dann wummert es auch nicht so. Der USB-Dongle mit der eingebauten Soundlösung ist leider nur Mittelmaß und hat im Tiefbass ganz offensichtlich wohl ein Impedanz-Problem. Anders kann ich mir die Delle und den Bassabfall nicht erklären. Ich hatte den Messaufbau nicht verändert und auch das Headset weder abgehoben, noch sonst irgendwie neu positioniert. Die letzte Kontrollmessung ohne Dongle war dann auch wieder ohne diese Delle.

 

Mikrofon-Check

Anbei noch der obligatorische kurze Mikrofontest vom HS65 Surround:

Das Mikrofon bietet eine sehr ordentliche Sprachqualität und übertrumpft dahingehend schon ohne den Mic-Boost die Lautstärke des HS80 RGB. Der Mic-Boost ist somit praktisch unnötig und erhöht nur massiv das Grundrauschen des Mikrofons.

 

Kommentar

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ipat66

Urgestein

1,357 Kommentare 1,355 Likes

Schön zu sehen,dass der neue Messaufbau hier Einzug hält...:)

Das sieht schon ganz ordentlich aus !
Freue mich schon auf die schönen Diagramme.

Danke Alex für den Test.

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P
Phoenixxl

Veteran

159 Kommentare 121 Likes

Ist ein bisschen Off-Topic, aber wenn ich iCue lese, dann interessiert mich das Headset schon kaum noch.
Die Tatsache, dass bei RGB jeder Hersteller sein eigenes Süppchen kocht, um den Kunden im eigenen Ökosystem zu binden geht mir nämlich tierisch auf die Nerven.

Am Ende geht das nur zu Lasten des Kunden, der, falls er es bunt und abgestimmt bunt haben möchte, Corsair iCue, Razer Synapse, Asus Aura Sync usw. parallel laufen lassen oder alles von einem Hersteller beziehen muss.

Mit Gigabyte und GSkill hat das bei mir sogar zu kompletten Systemsstürzen geführt, weil sowohl die Gigabyte als auch die GSkill Software die RAM Beleuchtung steuern wollten.

Antwort 1 Like

G
Guest

Das Teil macht sicher, was es soll. Aber irgendwie ist das für mich weder Fisch noch Fleisch, wenn ich eine 1-GB-Software benötige, um den Funktionsumfang voll nutzen zu können. Und das finde ich dann einfach zu extrem. Naja, die Zeiten von "einfach einstecken und gut" sind wohl für viele Hersteller vorbei. Und ganz ehrlich: wenn es durch den 3,5mm-Klinkenstecker mit allem kompatibel sein will, aber dann die besten Features per Einstellungen über die Software an PC/Mac vorzunehmen sind, ist dass etwas übertriebenes Marketing. Aber es wird sicher seine Käufer finden.

Die Teststation konnte ja hier mal getestet werden, was ich wirklich gut finde. Auch die Erklärungen von Igor dazu waren selbst für mich als Elektrotechnik-Laie sehr verständlich. Bin da schon gespannt, was sich da noch alles an Testobjekten zeigen wird.

Danke für den Test @wuchzael und natürlich auch an @Igor Wallossek

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About the author

Alexander Brose

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