Wie kommt man von der TGP zur TBP?
Hier wird es erneut arg tricky (und auch etwas ungenau), wenn man bei AMD-Karten nichts messen, sondern nur kostenlos auslesen will. Denn eigentlich lässt sich die Leistungsaufnahme („Verbrauch“) einer AMD-Grafikkarte in ihrer Gesamtheit ja gar nicht messen! Somit dienen viele Screenshots einschlägiger Spiele mit dem Afterburner-Overlay bei AMD Karten lediglich der Legendenbildung, denn die Werte sind zwar nicht falsch, aber so unvollständig, dass sie eigentlich fast nutzlos scheinen. Man kann auch nicht einfach so per Faustformel ein paar Watt obendrauf rechnen, auch das wird definitiv schiefgehen. Und nun? Betrachten wir einmal die unlängst getestete MSI RX 6950 XT Gaming X Trio aus dem Launchartikel und zunächst deren BIOS-Vorgabe für die TGP:
Jetzt erzeugen wir in Ultra-HD eine Volllast und messen die Karte über 15 Minuten lang nach. Da ich die Masse an Messwerten am Oszillographen vermeiden möchte, messe ich jeweils nur die ersten und letzten zwei Minuten in 20ms-Intervallen (True RMS). Wir sehen sehr deutlich, dass die mit GPU-Z ausgelesenen Werte sich sehr gut mit der BIOS-Vorgabe für die TGP decken. Die Durschnittsmessung mit meinem eigenen Shunt-Messplatz und PDAT von NVIDIA decken sich auch ziemlich genau. Die Oszillographen-Messung zeigt am Ende auch, dass die TBP (also die gesamte Karte) nach der Erwärmung deutlich gestiegen ist, während die mit GPU-Z ausgelesene TGP in etwa gleich blieb. Hier spielen nunmehr die Spannungswandler-Verluste und die Lüfter eine Rolle, auch wenn die GPU selbst fast unbeeinflusst bleibt.
Faustformel oder Ratespiel?
Man kann festhalten, dass sowohl die Shunt-Messungen, als auch die Ergebnisse des Oszillographen recht gut übereinstimmen, denn ein paar Toleranzen gibt es immer, auch zwischen zwei Messungen unter gleichen Bedinungen nach den selben Methode. Betrachen wir nun die gemessene TGP von 330 Watt (GPU-Z) und die TBP (igorsLAB, Shunt) von 431.4 Watt, dann liegt die tatsächliche Leistungsaufnahme der MSI RX 6950 XT Gaming X Trio fast satte 30 Prozent über dem Sensortwert für die TGP! Doch sind das jetzt immer um die 30 Prozent Zuschlag, also ein Drittel mehr?
Testen wir das mal gegen! Die MSI RX 6750 XT Gaming X Trio zeigt in GPU-Z als erwärmte Karte einen Durchschnitt von 225 Watt TGP an. Mit meinem Shunt-Messaufbau sind es knapp 270 Watt für die gesamte Karte. Rechnet man die Differenz jetzt einmal um, kommt man auf eine Steigerung um 20 Prozent, was immer noch viel, aber deutlich weniger ist. Vergleichbar ist das also erst einmal nicht.
Deshalb teste ich abschließend auch noch die MSI RX 6650 XT Gaming X. Mit einer TGP von nunmehr nur noch 145 Watt sind es dann 180 Watt TBP für die ganze Karte, also plötzlich wieder 24 Prozent mehr! Man kann also nicht per se einfach darauf schließen, dass man hier von einer simplen Kurve ausgehen könnte, die bei sinkender TGP auch als Zuschlag einfach abfällt. Die vier Prozent, die hier gegenüber der RX 6750 XT mehr zu Buche schlagen, resultieren überwiegend aus der deutlich niedrigeren Effizienz der Spannungswandler. Der Wert wäre sogar noch höher, würden Lüfter und Co. genauso viel verbraten, wie auf der RX 6750 XT.
Ich werde mich deshalb nicht soweit aus dem Fenster lehnen, um eine AMD-Faustformel zu definieren, die alle Fälle exakt abdeckt. Das ist technisch nicht möglich und wäre deshalb auch reichlich unehrlich. Man kann aber, je nach Höhe der TGP und damit auch den Platinen- und Komponententemperaturen bzw der Qualität der verbauten Spannungswandler von einem Zuschlag zwischen ca. 20 und 30 Prozent auf die TGP ausgehen, um zum eigentlichen Endwert zu gelangen. Das ist sehr grob und ungenau. Und es ist am Ende auch einer der Gründe, warum ich Software-„Messungen“ an AMD-Grafikkarten absolut nicht mag. Meist hinterlassen die Software-Tools nämlich bei den Anwendern mehr offenen Fragen als sie Antworten anbieten. Ich hoffe zumindest, dass der heutige Artikel reicht, um den einen oder anderen Mythos zu zerstören. Für die Legendenbildung muss man sich schon andere Themen suchen.
Und wer es wirklich verlässlich messen und nicht nur erraten möchte, der kauft sich einfach den PMD von Elmor, dann gibt es den EPS für die CPU noch gleich mit dazu.
Weiterführende Links (immer noch aktuell):
657 Antworten
Kommentar
Lade neue Kommentare
Urgestein
1
Urgestein
Veteran
Mitglied
Veteran
Urgestein
Urgestein
Urgestein
1
Urgestein
1
Urgestein
Urgestein
Urgestein
Urgestein
Veteran
Urgestein
Urgestein
Alle Kommentare lesen unter igor´sLAB Community →