Warum weichen bei AMD nun die wirklich gemessenen Werte an den Anschlüssen so extrem von den per Software ausgelesenen Ergebnisse ab und wieso ist auch die Fehlerquote bei Kurzeitmessungen an NVIDIA-Grafikkarten noch so hoch? Wo kommen die von den Tools ausgelesenen Werte eigentlich her und was unterscheidet beide Grafikkarten-Hersteller am Ende dann so grundlegend? Der heutige Artikel soll Euch zeigen, wo die jeweiligen Fallstricke bei den kostenlosen Tools liegen und was wirklich zur realen Abschätzung der Leistungsaufnahme ausreicht (und was nicht).
Denn da gibt es zwischen AMD und NVIDIA wirklich riesige Unterschiede, die ich Euch anhand des Platinendesigns und des Herangehens beider Hersteller so verständlich wie möglich erklären möchte. Außerdem werde ich Euch paar Hinweise liefern, wie Ihr die per Tool ausgelesenen Daten ggf. noch ergänzen bzw. hochrechnen könnt bzw. müsst. Denn schon an dieser Stelle müssen wir zwischen echter Messung und einfachem Auslesen über Software-Schnittstellen trennen und gehörig unterscheiden. Vergleichbar ist das nämlich, zumindest bei den Radeons, nicht wirklich. Deshalb beginne ich doch noch einmal kurz mit der Messung (zum besseren Verständnis der Aufgabe), da es zunächst die notwenigen Grundlagen zu vermitteln gilt.
Warum eine Messung nicht zu ersetzen ist und sie dennoch nicht jeder täglich braucht
Für den Normalanwender sind die Messungen, so wie ich sie im Labor mache, als reine Informationsquelle und Grundlage wichtig und zum Verständnis auch unerlässlich. Vor allem die Daten zu den Lastspitzen, dem Lastwechselverhalten und die Abschätzung der zweckmäßigen Bemessung des Netzteils sind Erkenntnisse, die man nur mit dem notwendigen technischen und finanziellen Aufwand in einem geeigneten Labor erstellen kann. Diesen Aufwand muss man als Kunde allerdings gar nicht treiben, denn man bekommt das alles ja durch Dritte (wie auch mich) bereits kostenlos geliefert.
Messen kann man es (wie ich z.B.) mit zwei gekoppelten Oszillografen, Strommesszangen und Tastköpfen für die jeweile Spannungen (bis zu 8 Kanäle insgesamt), um auch die letzte Lastspitze bei Intervallen weit unterhalb von eine Millisekunde noch belastbar zu messen, aufzuzeichnen und auszuwerten. Das ermöglichst natürlich tiefe Einblicke in das Verhalten der Grafikkarten bei verschiedenen Lasten, ist aber in der Menge der Daten für den Einzelnen ohne eine fachliche Auswertung und Zusammenfassung fast schon nutzlos. Auch ich muss dann erst einmal alles vereinfachen und auch grafisch so aufbereiten, dass man überhaupt etwas versteht. Alle Details werde ich aus verschiedenen Gründen nicht weiter ausbreiten, auch den aktuellen Aufbau im Labor nicht, denn auch ich habe so das eine oder andere Betriebsgeheimnis. Aber am Schluss habe ich noch eine Linksammlung für Euch, wo ich solche Dinge genauer beschreibe. Hier verwirrt das alles nur.
Was aber bei allen Messungen ermittelt werden muss, sind die fließenden Ströme auf den 12-Volt-Leitungen und die jeweils korrespondierenden Spannungen an jedem der Anschlüsse (da auch diese Werte extrem schwanken). Je kleiner die Messintervalle sind, umso mehr muss man sich aber technisch anpassen. Denn auch die Stromzangen haben eine eingebaute Elektronik, die zu einer gewissen zeitlichen Verzögerung führt, während die Spannungen ja direkt am Eingang des Oszillographen erfasst werden. Hier sind also eine aufwändige Kalibrierung und die Eintragung dieser Verzögerungen in die Firmware-Menüs für die Spannungseingänge zwingend nötig (Delay).
Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn zeitversetzte Werte dann miteinander multipliziert werden (Spannung mal Stromstärke)! Denn nicht immer fällt eine Stromspitze auf eine hohe oder wenigstens durchschnittliche Spannung. Das, was an den 12V-Schienen anliegt, ist alles andere als eine saubere Gleichspannung! Man kann also auch jede Menge Unfug messen (bis hin zum gefürchteten Aliasing), wenn man nicht genau aufpasst, was man eigentlich macht.
Man kann das alles natürlich auch mittles eines sehr auswändigen, MCU-basierten Shunt-Messaufbaus für alle stromzuführenden Leitungen messen, büßt damit aber etwas an der Auflösung ein. Es gibt aktuell kaum Lösungen, die unterhalb einer Millisekunde noch messen können, da alles meist über den USB angebunden ist. Da begrenzt schon die Polling-Rate den Informationsfluss gehörig. Der Vorteil ist jedoch, dass man kein mittelhohes, fünfstelliges Investment treiben muss, sondern schon bei bis zu 1000 Euro glücklich werden kann, je nach Anspruch und Aufwand.
In diese Kategorie günstigerer Shunt-Lösungen fallen auch der PMD von ElmorsLAB und NVIDIAs PDAT. Die Auflösung ist nicht sonderlich hoch, aber für das tägliche Erfassen der relevanten Leistungsaufnahmen und eine gute Momentanzeige reichen diese Hardware-Lösungen allemal. Wer hier etwas Geld investieren möchte, wird sicher nicht enttäuscht sein. Und da bei solchen Lösungen die eingehenden 12V-Leitungen extern überwacht werden, funktioniert alles, wie auch meine Oszillographen-Lösung, für AMD- und NVIDIA Grafikkarten gleichermaßen gut.
Auch auf der 3,3-Volt-Schiene fließen Ströme!
Doch auch die 3,3-Volt-Leitung wird bei einigen Karten noch genutzt (mit zu 5 Watt und mehr!), allerdings wird sie von keinem einzigen Sofware Tool und selbst auch von NVIDIAs PCAT-Platine nicht erfasst, was schon einmal einen gröberen Messfehler (und auch Software-Auslesefehler) von einigen Watt bedeuten kann. Das Auslesen der 3,3-Volt-Schiene per Sensor ist generell unmöglich, wie wir auf den weiteren Seiten gleich noch sehen werden. Ich kann aber schon einmal spoilern, dass NVIDIAs Boardpartner diese Schiene gern nutzen, um diverse Kleinspannungen aus dem Gesamtbudget der 12V-Leitung herauszunehmen. Das ist dann nichts anderes als ein Cheat gegen NVIDIAs Kontroll-Wut, aber dazu komme ich ja gleich noch.
Das Bild oben zeigt die Auswertung der Daten für eine eher kleinere, dafür aktuelle NVIDIA-Grafikkarte, wo aber auch schon einmal 4,5 Watt (und mehr) über den 3,3-Volt-Anschluss fließen und nicht mit in die Total Board Power (TPB) der Grafikkarte als einzuhaltendes Power Limit einfließen. Das erklärt übrigens auch, warum z.B. zwei Karten unterschiedlicher Hersteller trotz eigentlich identischer Leistungsaufnahme auf 12 Volt und ähnlich wertigen Komponenten dann unterschiedlich hoch takten können und nicht gleich schnell agieren. Vor allem bei kleineren Grafikkarten bis 150 Watt TBP ist so etwas durchaus nicht nur messbar.
657 Antworten
Kommentar
Lade neue Kommentare
Urgestein
1
Urgestein
Veteran
Mitglied
Veteran
Urgestein
Urgestein
Urgestein
1
Urgestein
1
Urgestein
Urgestein
Urgestein
Urgestein
Veteran
Urgestein
Urgestein
Alle Kommentare lesen unter igor´sLAB Community →