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2D-Leistung im Rückwärtsgang? Eine umfassende Analyse | Retro Teil 2 von 2

Die Symptome

Wir mussten feststellen, dass die direkte, ungepufferte Ausgabe von einigen  GDI-Primitives (also den geometrischen Grundformen) über eine HD 5870 bzw. eine HD 5750 im Vergleich zu anderen Karten unter Windows 7 sehr langsam erfolgte. Bevor wir jedoch versuchen, uns den Ursachen zu nähern, sollten wir zunächst die Symptome betrachten, denn hier entscheidet sich zunächst die Relevanz für den einen oder andern Anwenderkreis und damit die Frage, ob man davon betroffen ist oder nicht. Es ist nämlich durchaus kein Problem, das jeden Nutzer gleichermaßen trifft, aber diejenigen, deren Software mit den Folgen der Einschränkungen zu kämpfen hat, werden im Extremfall quasi zu Zuschauern einer nervenden Slideshow.

Markierte Auswahl mehrerer Objekte. Das Verschieben dieser Auswahl in Echtzeit kann zur Geduldsprobe werdenMarkierte Auswahl mehrerer Objekte: Das Verschieben dieser Auswahl in Echtzeit kann zur Geduldsprobe werden

Probleme beim direkten Zeichnen

Prinzipiell krankt, wie wir es bereits im ersten Teil des Artikels gemessen haben, vor allem die Ausgabe von Linien, Kurven, Ellipsen und Polygonen. Auch die Füllungen werden nicht wirklich schnell umgesetzt. Wir konnten z.B.  nur ca. 4000 Kurven pro Sekunde für die HD 5870 messen, wenn unter Windows 7 direkt und ohne eigenen Puffer auf das Ausgabegerät gezeichnet wird. Verschieben wir nur eine einzige Kurve in Echtzeit mit Hilfe des ROP, so summiert sich bereits bei lediglich 25 Einzelschritten pro Sekunde die Anzahl der insgesamt zu zeichnenden Kurven auf 50  (wir erinnern uns an das „Verschwinden lassen“ durch zweimaliges Zeichnen). Rechnen wir einfach mal nach. Ein einfaches Objekt besteht aus 100 Linien. Um dieses Objekt für das Auge ruckelfrei zu verschieben, müssten 25 Bewegungsschritte pro Sekunde gezeichnet werden. Da wir für den ROP pro Schritt bereits 2 Zeichenoperationen benötigen, ergibt dies eine Summe von 5000 Operationen pro Sekunde. Ein Wert, der dann bereits über dem Limit der HD 5870 läge. Ornamente und Cliparts bestehen jedoch zum Großteil aus wesentlich mehr Objekten, so dass ein ruckelfreies Verschieben dieser Objekte („float“) nicht mehr möglich ist. Das Platzieren gerät regelrecht zum Glücksspiel und beeinträchtig die Produktivität und Funktionalität durchaus erheblich.

Desweitern sind viele Anwendungen so einfach gehalten, dass das Nutzen eines Puffers eigentlich nicht als zweckmäßig erachtet wird, solange man voraussetzen kann, dass auch die direkte Ausgabe im Rahmen der üblichen Performance geschieht.  Gerade diese Programme leiden sichtbar unter Geschwindigkeitseinbußen.

Probleme beim Zeichnen in einen Puffer

Selbst wenn Programme einen eigenen Puffer nutzen und die Anzahl bestimmter Geometrieformen überhand nimmt, kann es zum sichtbaren Leistungsverlust und damit einer langsamen Ausgabe kommen. Zumal das Blitten der Pufferinhalte nicht sonderlich schnell erfolgt.

Welche Art  Programme sind genau betroffen?

Alle 2D-Programme, die eine Zeichenausgabe über das GDI realisieren (und damit auch unter Windows XP laufen), wenn viele Zeichenobjekte auszugeben sind und wenn eine Bearbeitungsmöglichkeit für grafische Inhalte existiert (Zeichenprogramme, Coverdesigner, Planungsprogramme, Office-Programme)

Bei welchen Programmen haben wir konkret Probleme festgestellt?

  • Corel Draw, Adobe Illustrator, Adobe Freehand MX, Nemetschek Allplan (2D-Bereich)
  • Adobe Photoshop CS3/CS4 (umfangreichere Vektorobjekte auf verschiedenen Layern)
  • MS Publisher, MS Powerpoint, verschiedene Hausplaner im 2D-Entwurfsmodus
  • MS-Excel beim Ausgeben größerer Charts und dem Editieren großer Tabellen mit Füllungen
  • Diverse Handwerkerlösungen, wie Strangplanung (Elektro), Sanitär- und Heizungsplanung
  • Branchenlösungen im Industriesektor (Wandelementierung, Grundrissplanung, Sägepläne usw.)

Wir möchten anmerken, dass alle aufgeführten Programme auf herkömmlichen Grafikkarten bereits zufriedenstellend liefen und es keine Argumente dafür gibt, eine teure Ati FireGL oder Nvidia Quadro Grafikkarte zu kaufen, wenn bisher auch  LowCost-Karten im Bereich bis 50 Euro gute Ergebnisse lieferten. Handwerker kaufen keine Spezialkarten, Immobilienbüros auch nicht.

Welche Programme betrifft es generell nicht?

  • Alle 2D-Programme, die eine Zeichenausgabe über Direct2D realisieren (und nicht unter XP laufen)
  • Alle 3D-Programme, die Direct3D nutzen und keine 2D-Inhalte ausgeben
  • Aller Programme, die OpenGL für die 2D-Ausgabe nutzen


Fazit und Zusammenfassung

Man muss emotionslos die Treiberentwicklung abwarten und dann entscheiden, ob die von uns geschilderten Probleme für einen persönlich relevant sein könnten. Es betrifft überwiegend die 2D-Performance unter Windows 7 und ist auch nur dann akut, wenn die 2D-Ausgabe über das GDI bzw. GDI++ erfolgt. 2D-Software, die auch unter Windows XP läuft, ist demnach fast immer von diesem  Problem betroffen.  Zum Gestalten einer kleinen Glückwunschkarte reicht die Leistung sicherlich, aufwändige Ornamente hingegen sollte man lieber nicht verschieben wollen. Letztendlich entscheidet dann also der Umfang der Zeicheninhalte.

Da allerdings auch die ATI HD 5750 betroffen ist, befürchten wir auch eine analoge Einschränkung bei den kleineren 5er-Karten, die in absehbarer Zeit folgen werden. Diese Grafikkarten werden dann weniger zum Spielen, sondern  eher in Kombination mit PCs für den Arbeitsalltag gekauft. Und was das in einigen Fällen bedeuten kann, das haben wir in diesem Kapitel versucht zu schildern. Auch wenn es vermutlich kein Designfehler der neuen Karten ist, kann es zumindest im Extremfall für einen Anwender zur Katastrophe werden. Hier müssen die Treiber definitiv nachgebessert werden, wir bleiben dran.

Kommentar

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MechUnit

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66 Kommentare 38 Likes

Interessanter Hintergundbericht.

Damals (Windows 1.0-3.00) war eben das Amiga OS aufgrund des Systems mit seinen Co-Prozessoren (für 2D hauptsächlich Blitter) und echten überlappenden Fenstern besser, von der schon damals unerschütterlichen Stabilität einmal abgesehen.

Das Mac OS setzte nochmal einen drauf. Auch da gab es ja fast von Anfang an quasi integrierte Hardwarebschleunigung für 2D-Anwendungen.

Dann gab es ja noch SGI-OS - ein Traum.

Präemptives Multitasking und schnelles, flüssiges Arbeiten war man also hier auf den 3 o.g. Systemen schon gewohnt. Ok, auf A500 & A1000 war aufgrund des langsameren Motorola 68000-Prozessors und 512kb-, bzw. 1 MB Chip-RAM und ohne HDD mit Diskettenzugriff die Lade- und Arbeitsgeschwindigkeit etwas langsamer. Dennoch war das ein besseres Gefühl und komfortabler als noch mit Windows 1.0, geschweige denn DOS - dank Blitter und Copper mit nicht 100 dazwischenfunkenden Treibern und Schnittstellen. Die im System fest integrierte Hardware war eben fest im OS integriert. Angebundene Hardware und deren Treiber wurden "hinten dran" geschoben. Reflections, Video Toaster, Cinema 4D oder Lightwave (die beiden letztgenannten dann schon auf AGA-Maschinen aka A4000, später mit Power PC u.a. in Verbindung mit Silicon Graphics) liefen wie Butter. 2,5D-Layer und deren Beschleunigung spielten da aber auch noch keine Rolle.

Das war aber auch ein Vorteil der damaligen geschlossenen Systeme mit aufs Leib zugeschnittenen Betriebssystemen. Der PC war ja offen und es musste ja schon damals auf unterschiedlichen Systemen das OS möglichst performant und stabil laufen. Damit war (und ist) ein PC nicht nur von der dedizierten, modularen Hardware abhängig, sondern auch über seine Schnittstellen und Treiber. Wenn dann noch die 2D-Unterstützung schlecht oder gar nicht integriert ist (schlimmstenfalls noch auf Hardware-, OS-, Schnittstellen- und Treiberebene) fehlt, ist das für flüssiges Arbeiten im Betriebssystem ein Desaster. Das merkte man sogar später tw. in Windows NT oder 2000 auf professionellen Maschinen. Es stockte halt mal oder es gab "Denkpausen".

Ein gutes Beispiel hierfür waren damals auch Emulatoren. Man merkte direkt, wenn auf Hardwareebene einfach die 2D-Beschleunigung fehlte und die CPU dann mehr schuften musste.

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Lagavulin

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229 Kommentare 187 Likes

Vielen Dank für den interessanten Blick zurück in die 2010er Jahre. Habe ich mit großem Interesse gelesen, weil ich mich damals noch gar nicht mit PC-Technik beschäftigt habe. Spannt man einen zeitlichen Bogen von ATI bis zum 12VHPWR, dann ist Igor‘sLab für mich wirklich so etwas wie „CSI Chemnitz“ im PC-Bereich.

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F
Furda

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663 Kommentare 371 Likes

Irgendwo in dieser Zeit da, wohl noch unter WinXP, hatte ich noch einer der letzten Karten von ATI mit AGP Schnittstelle in Betrieb, als der endgültige Wechsel zu PCI vollzogen geworden war.

Der Artikel hat einige Trigger, bin mal auf den 2. Teil gespannt.

Auf alle Fälle, die Einleitung hier birgt für mich schon jetzt das grösste Ausrufezeichen, nämlich, dass man den Finger in die Wunde drücken muss, um eine Änderung/Verbesserung zu erwirken. Damals schon so und heute immer noch brandaktuell. Da hatte ATI offenbar, wie auch alle anderen immer, negativ darauf reagiert, anstatt einsichtig und konstruktiv sein zu wollen. Von ATIs Treiber-Kultur hat wohl bis heute ein Teil bei AMD überlebt.

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Igor Wallossek

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10,227 Kommentare 18,929 Likes

Das missgünstige Treiber Team firmiert heute immer noch unter ATI in Toronto und es sind die gleichen Leute, die heute alles verdongelt haben, weil sie das MorePowerTool nicht wollen. Das geht schon seit Jahren so :D

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Derfnam

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Toronto Trittchen - guten Feinden gibt man ein Trittchen. Oder 2.
Wobei ich Ati & the Vandalers mit 'Nowhere Toronto' bevorzuge.

Die damaligen Kommentare unter bzw zu den Artikeln läs ich zu gern nochmal.

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Derfnam

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7,517 Kommentare 2,029 Likes

Alles gut und schön, @Igor Wallossek, aber ich wollte schon ein wenig Wehmut fühlen wegen der alten Köppe.

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C
ChaosKopp

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Ich erinnere mich noch gut an die zugrunde liegenden Artikel und die Emsigkeit, die Du damals ausgelöst hast

Auch wenn die Treiber-Truppe Dich damals hasste, hast Du das Produkt selbst massiv vorangetrieben.

Eigentlich wäre Dankbarkeit angemessen gewesen.

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eastcoast_pete

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Ja, wenn man darauf hinweist, daß der König nackt dasteht oder der tolle GPU Treiber für die neueste Karte kaum 2D packt, macht man sich schnell unbeliebt. Auch wenn man damit, so wie hier @Igor Wallossek , ATI einen großen Gefallen hattest, denn die Käufer finden solch unterirdische Leistung gar nicht gut. Wie heißt es so schön im Englischen: " No good deed goes unpunished". ATI, anstatt sich zu schämen und für den Hinweis zu danken, wurde ärgerlich und nachtragend.

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eastcoast_pete

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Der Toaster auf den großen Amigas waren ja aus gutem Grund jahrelang das Kit der Wahl bei frühen CGI Geschichten. SGI Workstations waren klar besser, aber wer hatte schon soviel Geld? Die waren nämlich richtig teuer, für das Geld konnte man schon ein sehr schönes Auto (Oberklasse, keinen Golf 😀) kaufen .

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MechUnit

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66 Kommentare 38 Likes

Allerdings - das waren Preise jenseits von gut und böse :D

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eastcoast_pete

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Waren (und sind) sehr gute Hintergrund Artikel, danke @Igor Wallossek für das Encore! Und jetzt ein paar Fragen zum Stand der Dinge 2023: wie sieht es denn heutzutage mit Unterstützung von 2D und 2.5D Grafik aus? Sind die iGPUs hier eigentlich immer noch gleichauf (oder besser?) als viele dGPUs, und gibt's hier Unterschiede zwischen Intel iGPUs und den AMD APUs?

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Igor Wallossek

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AMD vor NV und Intel :)

APUs gehen, iGP bei Intel eher meh

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e
eastcoast_pete

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Danke! Auch und gerade wenn man doch einiges machen will, das nach wie vor 2 bzw 2.5D ist; vor allem wenn mehrere UHD Monitore befeuert werden sollen. Interessant, daß AMD aus dem Debakel damals gelernt hat, auch wenn Toronto immer noch schmollt 😁

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P
Postguru

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39 Kommentare 7 Likes

Und heute mit einer 6900XT unter Win10
Direct drawing to visible device:
BENCHMARK: DIB-BUFFER AND BLIT

Text: 23245 chars/sec
Line: 28631 lines/sec
Polygon: 12435 polygons/sec
Rectangle: 3229 rects/sec
Arc/Ellipse: 15193 ellipses/sec
Blitting: 14961 operations/sec
Stretching: 1107 operations/sec
Splines/Bézier: 17800 splines/sec
Score: 201

DIB Buffering:
BENCHMARK: DIB-BUFFER AND BLIT

Text: 60096 chars/sec
Line: 151668 lines/sec
Polygon: 631579 polygons/sec
Rectangle: 5491 rects/sec
Arc/Ellipse: 347222 ellipses/sec
Blitting: 58207 operations/sec
Stretching: 7123 operations/sec
Splines/Bézier: 70822 splines/sec
Score: 4510

scheint einiges besser zu laufen .. jedenfalls gepuffert ;)

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Igor Wallossek

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10,227 Kommentare 18,929 Likes

DIB geht direkt in den Speicher, Direct Draw jeder einzelne Pups durch die Renderpipeline.

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Danke für die Spende



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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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