Vor über 13 Jahren habe ich zwei Artikel veröffentlicht, die sich mit der damaligen Problematik der fehlenden 2D-Performance insbesondere der ATI-Grafikkarten beschäftigen und auch die Hintergründe näher beleuchten. Denn der Umbruch war damals enorm: Grafikkarten mit den Unified Shaders statt spezieller 2D-Hardwarefunktionen, Betriebssysteme, die die 2D-Hardwarebeschleunigung nicht mehr unterstützten und ein ATI-Treiberteam in Toronto, das mich seit der damaligen Zeit wohl abgrundtief hasst. Mal abgesehen davon, dass mich so etwas kaum tangiert, hat genau diese Artikelreihe dazu geführt, dass man bei ATI (heute AMD) in genau diesem Bereich immer noch besser abschneidet als NVIDIA. Ziel erreicht, der Rest ist mir egal. Doch zurück zum Retro-Artikel, der damals international rfür richtig viel Wirbel gesorgt hatte…
2D-Leistung im Rückwärtsgang? Eine umfassende Analyse | Retro Teil 2 von 2
Originalartikel vom 12.01.2010
Seit der Einführung von Windows 7 waren damals einige Monate ins Land gegangen. Die Grafikkartenhersteller haben zum Teil neue Modelle vorgestellt, sowie Treiber weiterentwickelt und veröffentlicht. Somit sollte auch genügend Zeit vorhanden gewesen sein, um anfängliche Fehler auszumerzen und damit objektive Tests zu ermöglichen, die über ein reines Beta-Stadium hinaus gehen. Wir fanden deshalb, dass es endlich auch einmal an der Zeit ist, nicht nur die 3D-Leistung der aktuellen Hardwaregeneration zu testen, sondern dass es sich durchaus auch lohnen kann, einen Blick auf einen Bereich zu werfen, den wir täglich wie selbstverständlich nutzen, ihm aber nie größere Aufmerksamkeit schenken: den 2D-Bereich.
Ehrlicherweise müssen wir dazu im Vorfeld jedoch auch anmerken, dass diese Idee eines umfangreicheren Tests nicht zufällig entstand. Während das Hauptaugenmerk der meisten Anwender fast nur auf der Anzeigegeschwindigkeit der Betriebssystemoberfläche liegt und Windows 7 im Vergleich zu Vista allerorts nur gelobt wird, haben wir leider feststellen müssen, dass die eigentliche „Neuerung“ von Windows 7, nämlich die propagierte Wiedereinführung der bis Windows XP vorhandenen und mit Vista still und leise abgeschafften 2D-Grafikbeschleunigung, ganz offensichtlich bei einem der Grafikchiphersteller noch nicht ganz angekommen zu sein scheint, zumindest wenn es sich um die Belange der sauberen Implementierung von GDI-Aufrufen (Graphics Device Interface) handelt. Die sogenannte „2D-Grafik“ besteht eben nicht nur aus netten Überblendeffekten und animierten Menüs mit Schatten, sondern zunächst erst einmal aus ganz trivialen Sachen wie Pixeln, Linien, Kurven, Rechtecken, Kreisen, Polygonen und vielem mehr.
Wichtige Vorbemerkung
Wir möchten diesem Artikel keine emotionale Note geben, auch wenn sich die Anhänger der einen oder anderen Grafikkartenfraktion sicher die Augen reiben werden. Wir haben uns, weil wir die Ergebnisse erster Tests so nicht glauben wollten, im Interesse aller Betroffenen extra mehr Zeit genommen, um möglichst aussagefähige Ergebnisse zu erhalten und diese dann auch möglichst objektiv miteinander vergleichen zu können. Wir werden auch keinem Hersteller eine bewusste Vernachlässigung dieses Anwenderbereiches unterstellen, sondern verstehen unseren Artikel als Beitrag und Hilfe für diejenigen, die an ihren PCs nicht nur spielen, sondern auch arbeiten wollen und müssen. Ausgehend davon, dass es aktuell sehr schwierig ist, beispielsweise mit einer HD 5870 und den aktuellen Treibern unter Windows 7 einigermaßen produktiv im 2D-Bereich zu arbeiten (einfache vektorbasierte Zeichen- und Gestaltungsprogramme, einfache oder komplexere CAD-Anwendungen) oder 2D-Spiele in hoher Qualität zu spielen, wollten wir nicht nur pauschal kritisieren, sondern den eigentlichen Ursachen auf den Grund gehen.
Theorie und Praxis
Da den meisten Lesern die eigentlichen Funktionen und Hintergründe der 2D-Beschleunigung von Windows XP bis Windows 7 nicht bekannt sein dürften, haben wir diesen sehr umfangreichen Artikel zweigeteilt. In diesem ersten Teil werden wir zunächst die wissenswerten Hintergründe und technischen Grundlagen vermitteln, damit die Tests des zweiten Teils auch so verstanden werden können, wie man sie interpretieren muss. Dazu haben wir passend ein eigenes kleines Benchmarkprogramm entwickelt, das wir dann natürlich auch allen interessierten Anwendern zum Download anbieten werden. Informativ, lesens- und wissenswert ist auf alle Fälle beides.
Beginnen wir deshalb zunächst mit den Grundlagen und merken, dass ein wenig Hintergrundwissen nicht unbedingt schadet. Wir schreiben das Jahr 1985. Michail Gorbatschow wird Generalsekretär der KPdSU, Joschka Fischer wird erster grüner Minister, Sat. 1 geht erstmals auf Sendung und „Cheri Cheri Lady“ nervt uns 4 unendliche Wochen als Nummer Eins der deutschen Hitparade. Neben all diesen wichtigen Dingen betritt zunächst fast unbemerkt eine kleine, noch recht unscheinbare Software die Welt, die heute mittlerweile marktführend auf den meisten PCs installiert ist: Windows von Microsoft.
„Fensterloses“ Windows ohne überlappende Fenster
Die Idee, einen grafischen Aufsatz über die eigentliche, textbasierte Betriebssystemebene zu stülpen, ist nicht wirklich neu. Auf diese Art und Weise versuchten Firmen wie Microsoft oder Digital Research neue, weniger exklusive Käuferschichten zu erschließen und die neue PC-Technik einer breiten Masse an Konsumenten schmackhaft zu machen, da man diese Software endlich auch ohne abgeschlossenes IT-Studium bedienen konnte. Im Gegensatz zu Windows 1.0 konnte das Konkurrenzprogramm GEM jedoch bereits mit überlappenden Fenstern umgehen.

Hätte man nicht 1987 Windows 2.0 bringen können, welches diese Technik ebenfalls beherrschte, dann würde heute kein Mensch mehr über Windows reden. Dass Windows in den ersten zwei Jahren überhaupt überlebte, hat die Firma in erster Linie einem Mitarbeiter zu verdanken, der noch heute die Massen polarisiert: Steve Ballmer. Unvergessen sein Werbespot für die zugegebenermaßen noch recht spartanisch anmutende erste Windows-Version. Unvergessen auch der Preis: 99 Dollar für ein Windows ohne wirkliche Fenster. Seit diesem Zeitpunkt erfuhr Windows mit der Einführung der jeweiligen Nachfolge-Versionen schrittweise Evolutionen oder auch Revolutionen. Aber die eigentliche Problemstellung, mit der wir uns beschäftigen möchten, besteht jedoch bis heute.
Spätestens jetzt werden sich die meisten fragen, warum wir soweit ausgeholt haben. Der Grund ist jedoch so simpel wie einleuchtend. Anhand des Fenstervergleichs haben wir gelernt, dass es eigentlich zwei Aufgabenbereiche gibt – die grafische Benutzeroberfläche (wobei hier nicht die Kleidung des Anwenders, sondern die Desktopgestaltung gemeint ist) einschließlich der Fensterverwaltung und die reinen Zeichenfunktionen, über die diese Grafiken erstellt werden. Erstellen und Verwalten sind also zwei getrennte, wenn auch voneinander abhängige Aufgabenbereiche. Und während sich die Oberfläche von Windows immer weiter entwickelt und ändert, sind die Grundfunktionen weitgehend dieselben geblieben.
Wenn wir nun in den nachfolgenden Abschnitten verallgemeinernd von der 2D-Beschleunigung sprechen, dann betrifft dies sowohl die grafische Ausgabe der Oberfläche, als auch die hardwarenahe Umsetzung der eigentlichen Zeichenbefehle. Ohne gutes Management ist eine Werkshalle voller Arbeiter zur Untätigkeit verdammt und ohne fleißige Arbeiter, die ihre Aufgaben ohne Schnörkel auf möglichst direktem Weg erledigen, ist das beste Management überflüssig. Man kann und darf diese Anforderungen in der Gesamtheit nicht voneinander trennen.
Gut informierte Leser wissen natürlich, dass es unter einer fensterbasierten Oberfläche gar keine reine 2D-Grafik geben kann. Deshalb werden wir im nächten Abschnitt klären, warum es zwar reine 2D-Zeichenbefehle gibt, diese jedoch bei der Grafikausgabe am Bildschirm trotz allem mehr oder weniger dreidimensional betrachtet werden müssen.
- 1 - Einführung: 2D-Grafik – ungeliebtes Stiefkind oder Routineübung?
- 2 - Die Grenzen von 2D und 2.5D - Der Mythos 2D-Hardwarebeschleunigung
- 3 - Windows XP: Old school 2D und die Grenzen des WM_PAINT
- 4 - Windows Vista: Echter Fortschritt und die Kunst des Weglassens
- 5 - Windows 7: Rückkehr des verlorenen Sohnes
- 6 - Windows 7: Radeon HD5xxx ohne 2D-Beschleunigung
- 7 - Tom2D: 2D-Benchmark HD 5870 vs. GTX 285 unter Windows 7
- 8 - Tom2D: Fazit und Vorschau auf Teil 2 des Artikels
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