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ATI im Rückwärtsgang? 2D-Leistung bleibt auf der Strecke | Retro Teil 1 von 2

Voller Erwartung installierten auch wir seinerzeit Windows Vista. Aufwändig beworben und mit vielen Vorschusslorbeeren bedacht, wurden große Erwartungen geweckt. Es gab viel Licht und leider noch mehr Schatten, aber Hauptsache ohne Hardwarebeschleunigung.

 

Was zunächst revolutionär erschien, wich von Anwendung zu Anwendung echtem Ärger und stellenweise sogar Entsetzen. Betrachten wir die Punkte im Einzelnen:

Implementierung der 2.5D-Ebene als Hardwarelayer

Diese Technologie wurde erstmals mit Windows Vista implementiert. Längst überfällig, aber 2006 war es dann endlich soweit. Eine kleine Einschränkung gab es jedoch trotzdem: das Ganze funktioniert ärgerlicherweise nur mit aktivierter Aero-Oberfläche! Für das 2.5D-Layering wird dringend eine 3D-fähige Grafikkarte vorausgesetzt, selbst wenn man gar keine 3D-Anwendungen oder Spiele nutzen mag. Wer nur das Thema Vista Basic verwendet, der wird wie unter XP von Nachzieheffekten gepeinigt, da das Layering dann automatisch deaktiviert ist. Trotz 3D-Grafikkarte.

Die Umsetzung des 2.5D-Layerings bereitete Microsoft jedoch nicht wenige Probleme. Und Microsoft wäre wohl auch nicht Microsoft, wenn man nicht mit einer netten Geste von Nonchalance einfach das weggelassen hätte, was unter Zeitdruck die meisten Kopfschmerzen bereitet. Langsam, aber Hauptsache stabil. Und den Termin unbedingt einhalten. Was war passiert? Wir hatten bereits das GDI als Schnittstelle für die Grafikprogrammierung erwähnt. Spätestens mit der Einführung der leider sehr langsamen GDI-Erweiterung GDI+, die aufgrund mangelnder Performance nie den wirklichen Durchbruch schaffte, war ein kleines Schnittstellenchaos nicht mehr zu leugnen. Es schien unmöglich, GDI, GDI+, DirectDraw und Direct3D gleichberechtigt hardwarebeschleunigt zu implementieren.

WDDM & DWM – das „Windows Display Driver Model“ und der „Dynamic Windows Manager“

Zusammen mit dem neuen Treibermodell hat Windows als dessen Bestandteil den DWM eingeführt. Das Ganze ist ein wenig tricky und dient Microsoft als neue Schicht zwischen den Fenstern und den Zeichenbefehlen auf der einen und dem Treiber für die Grafikkarte auf der anderen Seite. Die direkte Kommunikation war damit erst einmal unterbrochen. Frei nach dem Motto „alles hört auf mein Kommando“ übernahm der DWM nun erstmals die Koordination der einzelnen Schnittstellen. Bei dieser Umsetzung blieb, wie bereits erwähnt, ein wichtiger Bestandteil auf der Strecke: die 2D-Hardwarebeschleunigung der GDI-Zeichenfunktionen. Völlig unverständlich, aber wahr! Der Flaschenhals von Vista: die GDI!

Flaschenhals, Spaßbremse und Speicherfresser

Die großen Mengen belegten Speichers unter Vista schreibt man gern Superfetch zu. Dies ist jedoch nur die halbe Wahrheit. Durch das Weglassen der 2D-Hardwarebeschleunigung berechnet das GDI den ganzen Fensterinhalt unter Vista allein über die CPU. Das Ganze landet im Anschluss in einem Hauptspeicherpuffer des DWM. Dieser wiederum leitet das fertig erstellte Fenster dann an die Grafikkarte weiter. Hier entsteht ganz schnell ein Flaschenhals, denn es kann immer nur ein Fenster GDI-Befehle an den DWM schicken. Asynchrones Arbeiten ist nicht möglich und es entsteht allzu oft eine recht große Warteschlange. Dies alles kostet nicht nur wertvolle Zeit, sondern eben auch den wertvollen Speicher, da wie beschrieben alle Fensterinhalte im DWM zwischengepuffert werden. Bei mehreren Fenstern kommen schnell mal mehrere 100 MB zusammen. Im Extremfall bleibt Vista einfach „stehen“, wenn beispielsweise ein Scherzprogramm solange neue Fenster öffnet, bis am Schluss gar nichts mehr geht.

Zusammenfassung:

  • Vista führt erstmals das 2.5D-Ebenen-Modell als Hardware-Layer ein
  • Unter Aero gehört das lästige Neuzeichnen der Fensterinhalte zur Vergangenheit
  • Microsoft „vergisst“ jedoch die 2D-Beschleunigung der GDI-Zeichenfunktionen
  • Der DWM kann Fenster nicht asynchron abarbeiten, was sichtbar Performance kostet
  • Die Warteschlange der GDI-Befehle im DWM kostet sehr viel wertvollen Speicher

 

Kommentar

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MechUnit

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64 Kommentare 38 Likes

Interessanter Hintergundbericht.

Damals (Windows 1.0-3.00) war eben das Amiga OS aufgrund des Systems mit seinen Co-Prozessoren (für 2D hauptsächlich Blitter) und echten überlappenden Fenstern besser, von der schon damals unerschütterlichen Stabilität einmal abgesehen.

Das Mac OS setzte nochmal einen drauf. Auch da gab es ja fast von Anfang an quasi integrierte Hardwarebschleunigung für 2D-Anwendungen.

Dann gab es ja noch SGI-OS - ein Traum.

Präemptives Multitasking und schnelles, flüssiges Arbeiten war man also hier auf den 3 o.g. Systemen schon gewohnt. Ok, auf A500 & A1000 war aufgrund des langsameren Motorola 68000-Prozessors und 512kb-, bzw. 1 MB Chip-RAM und ohne HDD mit Diskettenzugriff die Lade- und Arbeitsgeschwindigkeit etwas langsamer. Dennoch war das ein besseres Gefühl und komfortabler als noch mit Windows 1.0, geschweige denn DOS - dank Blitter und Copper mit nicht 100 dazwischenfunkenden Treibern und Schnittstellen. Die im System fest integrierte Hardware war eben fest im OS integriert. Angebundene Hardware und deren Treiber wurden "hinten dran" geschoben. Reflections, Video Toaster, Cinema 4D oder Lightwave (die beiden letztgenannten dann schon auf AGA-Maschinen aka A4000, später mit Power PC u.a. in Verbindung mit Silicon Graphics) liefen wie Butter. 2,5D-Layer und deren Beschleunigung spielten da aber auch noch keine Rolle.

Das war aber auch ein Vorteil der damaligen geschlossenen Systeme mit aufs Leib zugeschnittenen Betriebssystemen. Der PC war ja offen und es musste ja schon damals auf unterschiedlichen Systemen das OS möglichst performant und stabil laufen. Damit war (und ist) ein PC nicht nur von der dedizierten, modularen Hardware abhängig, sondern auch über seine Schnittstellen und Treiber. Wenn dann noch die 2D-Unterstützung schlecht oder gar nicht integriert ist (schlimmstenfalls noch auf Hardware-, OS-, Schnittstellen- und Treiberebene) fehlt, ist das für flüssiges Arbeiten im Betriebssystem ein Desaster. Das merkte man sogar später tw. in Windows NT oder 2000 auf professionellen Maschinen. Es stockte halt mal oder es gab "Denkpausen".

Ein gutes Beispiel hierfür waren damals auch Emulatoren. Man merkte direkt, wenn auf Hardwareebene einfach die 2D-Beschleunigung fehlte und die CPU dann mehr schuften musste.

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Lagavulin

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Vielen Dank für den interessanten Blick zurück in die 2010er Jahre. Habe ich mit großem Interesse gelesen, weil ich mich damals noch gar nicht mit PC-Technik beschäftigt habe. Spannt man einen zeitlichen Bogen von ATI bis zum 12VHPWR, dann ist Igor‘sLab für mich wirklich so etwas wie „CSI Chemnitz“ im PC-Bereich.

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F
Furda

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663 Kommentare 371 Likes

Irgendwo in dieser Zeit da, wohl noch unter WinXP, hatte ich noch einer der letzten Karten von ATI mit AGP Schnittstelle in Betrieb, als der endgültige Wechsel zu PCI vollzogen geworden war.

Der Artikel hat einige Trigger, bin mal auf den 2. Teil gespannt.

Auf alle Fälle, die Einleitung hier birgt für mich schon jetzt das grösste Ausrufezeichen, nämlich, dass man den Finger in die Wunde drücken muss, um eine Änderung/Verbesserung zu erwirken. Damals schon so und heute immer noch brandaktuell. Da hatte ATI offenbar, wie auch alle anderen immer, negativ darauf reagiert, anstatt einsichtig und konstruktiv sein zu wollen. Von ATIs Treiber-Kultur hat wohl bis heute ein Teil bei AMD überlebt.

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Igor Wallossek

1

10,220 Kommentare 18,922 Likes

Das missgünstige Treiber Team firmiert heute immer noch unter ATI in Toronto und es sind die gleichen Leute, die heute alles verdongelt haben, weil sie das MorePowerTool nicht wollen. Das geht schon seit Jahren so :D

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Derfnam

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Toronto Trittchen - guten Feinden gibt man ein Trittchen. Oder 2.
Wobei ich Ati & the Vandalers mit 'Nowhere Toronto' bevorzuge.

Die damaligen Kommentare unter bzw zu den Artikeln läs ich zu gern nochmal.

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Derfnam

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7,517 Kommentare 2,029 Likes

Alles gut und schön, @Igor Wallossek, aber ich wollte schon ein wenig Wehmut fühlen wegen der alten Köppe.

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C
ChaosKopp

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Ich erinnere mich noch gut an die zugrunde liegenden Artikel und die Emsigkeit, die Du damals ausgelöst hast

Auch wenn die Treiber-Truppe Dich damals hasste, hast Du das Produkt selbst massiv vorangetrieben.

Eigentlich wäre Dankbarkeit angemessen gewesen.

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eastcoast_pete

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Ja, wenn man darauf hinweist, daß der König nackt dasteht oder der tolle GPU Treiber für die neueste Karte kaum 2D packt, macht man sich schnell unbeliebt. Auch wenn man damit, so wie hier @Igor Wallossek , ATI einen großen Gefallen hattest, denn die Käufer finden solch unterirdische Leistung gar nicht gut. Wie heißt es so schön im Englischen: " No good deed goes unpunished". ATI, anstatt sich zu schämen und für den Hinweis zu danken, wurde ärgerlich und nachtragend.

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eastcoast_pete

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Der Toaster auf den großen Amigas waren ja aus gutem Grund jahrelang das Kit der Wahl bei frühen CGI Geschichten. SGI Workstations waren klar besser, aber wer hatte schon soviel Geld? Die waren nämlich richtig teuer, für das Geld konnte man schon ein sehr schönes Auto (Oberklasse, keinen Golf 😀) kaufen .

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MechUnit

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64 Kommentare 38 Likes

Allerdings - das waren Preise jenseits von gut und böse :D

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eastcoast_pete

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Waren (und sind) sehr gute Hintergrund Artikel, danke @Igor Wallossek für das Encore! Und jetzt ein paar Fragen zum Stand der Dinge 2023: wie sieht es denn heutzutage mit Unterstützung von 2D und 2.5D Grafik aus? Sind die iGPUs hier eigentlich immer noch gleichauf (oder besser?) als viele dGPUs, und gibt's hier Unterschiede zwischen Intel iGPUs und den AMD APUs?

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Igor Wallossek

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AMD vor NV und Intel :)

APUs gehen, iGP bei Intel eher meh

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e
eastcoast_pete

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Danke! Auch und gerade wenn man doch einiges machen will, das nach wie vor 2 bzw 2.5D ist; vor allem wenn mehrere UHD Monitore befeuert werden sollen. Interessant, daß AMD aus dem Debakel damals gelernt hat, auch wenn Toronto immer noch schmollt 😁

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P
Postguru

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Und heute mit einer 6900XT unter Win10
Direct drawing to visible device:
BENCHMARK: DIB-BUFFER AND BLIT

Text: 23245 chars/sec
Line: 28631 lines/sec
Polygon: 12435 polygons/sec
Rectangle: 3229 rects/sec
Arc/Ellipse: 15193 ellipses/sec
Blitting: 14961 operations/sec
Stretching: 1107 operations/sec
Splines/Bézier: 17800 splines/sec
Score: 201

DIB Buffering:
BENCHMARK: DIB-BUFFER AND BLIT

Text: 60096 chars/sec
Line: 151668 lines/sec
Polygon: 631579 polygons/sec
Rectangle: 5491 rects/sec
Arc/Ellipse: 347222 ellipses/sec
Blitting: 58207 operations/sec
Stretching: 7123 operations/sec
Splines/Bézier: 70822 splines/sec
Score: 4510

scheint einiges besser zu laufen .. jedenfalls gepuffert ;)

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Igor Wallossek

1

10,220 Kommentare 18,922 Likes

DIB geht direkt in den Speicher, Direct Draw jeder einzelne Pups durch die Renderpipeline.

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Danke für die Spende



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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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