Nach den ganzen technischen Details kommen wir nun endlich zum Wichtigsten: Wie klingt das Headset eigentlich? Wir setzen jetzt dort fort, wo es etwas mehr weh tut: nämlich beim individuellen Hörtest. Das Headset wurde fleißig eingespielt, dieses Argument entfällt also. Zum Einsatz kommen meine Tidal-Playlist mit Klassik, Jazz, Rock, elektronischer Musik und diversen Vocals (Soul, Chormusik), auch wenn nach reichlich 6 Stunden erst einmal eine 1-stündige Ladepause stattfinden muss.
Bassbereich
Musik: Das Turtle Beach Stealth Pro geht sehr tief und scheitert nicht mal an der Subkontraoktave, schwächelt aber stark bei der Kontur, die ohne manuelle Nachbesserung an einem Equalizer zum akustischen Schlamm-Catchen ausartet. Die Treiber neigen extrem zum Nachschwingen, was einem ohne Korrektur wirklich den Spaß verderben kann. Die Kontraoktave samt großer Basstrommel ist dominant anwesend und leider ebenfalls komplett schwammig und unpräzise. Der Bass ist da, allerdings für Manchen auch etwas zu massig und pompös aufgeblasen. Hier spielen sicher auch Hörgewohnheiten eine große Rolle. Die Pegelfestigkeit ist mittelmäßig und nicht extrem hoch. Korrektur hilft, siehe oben.
Gaming: Fürs Gaming könnten die Granaten etwas weniger massiv und dafür gern trockener wummern, aber man hört, solange man es beim Pegel nicht übertreibt, parallel dazu noch alles, was über den Mitten liegt, die aber bis ans obere Ende vom Bass weggeschoben werden. Die Differenzierung der einzelnen Klangschichten und Frequenzbereiche ist durchaus möglich. Es ist alles auch laut genug, aber es fehlt die letzte Präzision. Kurzum: ein idealer Bassbomber für die Generation TikTok, die eh nur komprimierte Klanggrütze kennt und YouTuber, die alles glauben, was der Kollege gerade erzählt hat.
Musik: Dieser Bereich wirkt geht in ordnung. Die männlichen Vocals werden sehr satt modelliert und sind schon etwas über der Grundton-Basis. Die Instrumente werden ebenfalls sehr massiv angebunden, was zwar nicht per se komplett unangenehm klingt, aber doch die Realität verdrängt und Einiges in den höheren Lagen einfach erschlägt. Das Turtle Beach Stealth Pro klingt dann nach oben hin etwas flacher.
Gaming: Die Badewannen-Ausrichtung st echt Geschmackssache, denn auch männliche Stimmen bekommen hier ein sehr kräftiges Fundament. Manch einer wird sich fragen, ob die männlichen Synchronsprecher im Spiel die weiblichen Gegenparts dominieren wollen. Doch dazu komme ich gleich noch.
Mitteltonbereich
Musik: Jetzt wird es kühl, weil die Mitten bereits ab ca. 250 Hz fies eingebrochen sind. Viele Details der Grundtonfrequenzen entfernen sich etwas zu weit vom Original und verschwimmen im Tiefkühler. Das kann man natürlich mögen, aber diese Spielart ist für die meisten einfach zu eisig. Weibliche Vocals klingen im Fundament nicht mehr souverän, sondern viel flacher als die männlichen. Da fehlt einfach etwas.
Gaming: Die weiblichen Vokals sind noch gut verständlich aber ohne jegliche Dominanz im Fundament. Der Grundtonbereich ist einfach zu dünn, was sich auch beim Gaming ein wenig rächt, weil man damit viele Details verliert. Die Auflösung der Treiber ist einfach nicht gut genug, um beides exakt wiedergeben zu können, hier hätten es auch gern 40-mm-Treiber mit längerem Hub besser getan. Da gibt es meist fürs gleiche Geld die besseren Lösungen. Aber 50 mm klingt beim Marketing natürlich besser (Asus hatte sogar mal 60-mm-Treiber, die fürchterlich klangen). Ja, 50-mm Treiber kann man machen, aber dann die guten und präzisen bitte.
Musik: Man fällt erst einmal in ein kleines Tal um dann bis 1 KHz wieder zuzulegen, was der differenzierten Wiedergabe in diesem Bereich natürlich zuträglich ist. Die Bühne ist ausreichend (wenn auch nicht brachial breit) und die subjektiv empfundene Qualität der räumlichen Auflösung ist hier auch sehr gutem Niveau. Hohe Pegel bei sehr vielen gemeinsam spielenden Quellen sind aber kontraproduktiv, die Ortung wird dann zusehend schwieriger. Man muss also leiser drehen oder mit dem leichten Matsch leben. Aber diese Kritik bringe ich nur wegen der 300-Euro-Messlatte, denn es sit, so fair muss ich sein, eher Jammern auf hohem Niveau.
Gaming: Hier ist das mit dem Pegel nicht ganz so kritisch und es ist vieles so, wie es eine gewisse Gruppe von Gamern sicher gern hätte. Die Lokalisierung der Schallquellen ist, solange der Bass nicht alles wieder vernichtet, wirklich ausreichend und man weiß auch, wo man hinläuft und was um einen herum so alles stattfindet. Das kann man gern so lassen und sich freuen.
Hochtonbereich
Musik: Die Wiedergabe ist qualitativ durchschnittlich und zumindest nicht dumpf. Sie setzt auf den zu verhalten ausgeprägten Mitten auf, was das Ganze wieder etwas rettet. Die Sprachverständlichkeit sowie die Qualität der Vocals bei der Wiedererkennung sind ganz gut und es wird immer dann besser, wenn unten im Basskeller gerade weniger passiert. Geschmacksache, wie immer.
Gaming: Hier gilt exakt das Gleiche, das Resultat kann auch beim Gaming durchaus überzeugen. Gamer finden hier ein Peak bei reichlich 2,8 KHz, was vieles hörbarer machen kann. Die Ausprägung wird noch deutlicher, wenn man einen der Spezialmodi des DSP für die Feinderkennung nutzt.
Musik und Gaming: Der Hochton ist akzeptabel, das kann man erst einmal so lassen. Es geht allerdings bei 6 bis 7 kHz noch einmal in die extreme Offensive. Dadurch entsteht eine Überspitzung, wie man sie auch als sogenanntes „Beyer Peak“ kennt und akzeptiert, wenn es denn auch gut gemacht ist. Aber: Sibilanten und Ausblasgeräusche sind beim Turtle Beach Stealth Pro in diesem kleinen Frequenzbereich viel zu vordergründig und es gleitet alles stark ins Metallische und Spitze ab. Da bildet sich bereits eisige Höhenluft. Ab ca. 10 KHz wird es dann wieder ausgeglichener.
Zusammenfassung und Fazit
Wo soll ich das Turtle Beach Stealth Pro jetzt einordnen? Das Problem bei so einem Fazit ist ja immer, dass ich das Urteil auch adäquat zum Preis fällen muss. Ich betrachte mich zwar nur als einen eher mittelmäßigen Audiophilen an der oberen Altersgrenze, aber ich hätte ehrlich gesagt für fast 330 Euro klanglich dann doch etwas mehr erwartet. Das Turtle Beach Stealth Pro kann natürlich nicht die kristallklare Detailverliebtheit von High-End-Planar-Magnet-Kopfhören bieten (mit denen Gaming deutlich besser geht), aber wer würde schon so etwas für diesen Preis fordern?
Unter den Gaming-Headsets mit traditionellen dynamischen Treibern ist das Turtle Beach Stealth Pro einfach spitzenmäßig durchschnittlich bis verhalten überdurchschnittlich, was für ein Gaming-Headset durchaus auch ein Kompliment sein könnte. Wären da nicht der hohe Preis und die unkonturierten Ohrpolster, die auch den Klang im Bassbereich stark verfälschen, wenn das Headset nicht optimal sitzt. Man kann mit dem EQ der Software aber viel korrigieren und verbessern, wozu ich nur jedem raten kann. Über die Software selbst habe ich genug geschrieben, da ist noch gehörig Luft nach oben.
Die ANC-Funktion schneidet ganz gut ab, aber seien wir mal ehrlich, wer will schon beeindruckendes ANC, wenn man bereits eines der besten abschirmenden Ohrpolster nutzt? Das ANC eliminiert zwar brav tieffrequente Geräusche, aber das Klackern einer mechanischen Tastatur und die Schreie der Kinder nebenan im Kindergarten durchdringen die auferlegte digitale Isolation mit Leichtigkeit. Was dem ANC-Algorithmus fehlen mag, verschwindet jedoch sofort, wenn man laute Passagen spielt. Die Lücken in der Geräuschunterdrückung werden durch den Kampflärm wieder aufgefüllt, so dass man wirklich plötzlich in einer glückselig isolierten Blase verweilt. Kann man also so lassen, das ist nicht mal übel. Aber brauchen?
Das Akkusystem ist gut, auch wenn die Laufzeit der einzelnen Akkus mit 10 bis 12 Stunden jetzt nicht so extrem lang ausfällt. Vor allem nicht mit ANC. Bezüglich des Tragekomforts merkt man schon das Gewicht, wenn man von leichtere Kost gewohnt ist. Das Headset hat zwar nicht dafür gesorgt, dass mein Kopf schmerzt, aber man spürt es nach einer Weile, auch wenn es gut ausbalanciert ist. Optisch und haptisch gibt es nichts zu bemängeln. Der Tragekomfort ist eigentlich ganz gut, denn es sitzt angenehm und wenn man ab und an den Schweiß entfernt, lässt sich das Turtle Beach Stealth Pro auch über mehrere Stunden tragen. Das Mikrofon ist jetzt nicht der Glanzpunkt, aber wenn man es in der Software auf Rechtsanschlag stellt, wird man gut gehört.
Klanglich betrachtet, ist das Turtle Beach Stealth Pro eher ein typischer Gaming-Bassbomber mit peitschenden Höhen, also Badewanne pur. Damit wird es sicher auch eine gewissen Zielgruppe ansprechen. Allerdings gibt es für 300 Euro bereits Kopfhörer, die das noch um Welten besser oder im Gegenzug auch linearer könnten. Und auch Headsets, das will ich hier nicht verschweigen, allerdings nur wenige drahtlose.
Die Superhuman-Hearing-Funktion ist eine Funktion, die ich (sehr subjektiv betrachtet) eher nicht mag. Ja, es funktioniert durchaus. Schaltet man es ein, werden leise Schritte Schritte hörbarer und man kann die Position der bösen Gegner viel leichter ausmachen. Aber das ist so verheerend für die restliche Klangqualität, dass ich es höchstens für einen kurzen Zeitraum, wo es einen Sinn ergibt, nutzen würde. Man hat zwar einen gewissen Vorteil, aber der Klangcharakter zehrt arg an den Nerven. Aber Ich finde es toll, dass die Kopfhörer dafür sogar eine eigene Taste haben, so dass ich es schnell ein- und wieder ausschalten kann (wenn ich die Taste denn erst einmal finde).
Mit den knapp 330 Euro hat sich Turtle Beach für das Stealth Pro die Messlatte wohl einen Tick zu hoch gelegt. Wobei man mit besseren Ohrpolstern, schönen Telefonie-Mikrofonen und einer richtig beschrifteten Software auch beim Tester hätte punkten können. Die Software kann man noch getrost ignorieren, würde wenigesten der Rest stimmen. Und da stehen die Ohrpolster gegen einen Award, den ich nun einmal als Auszeichnung und nicht als Dreingabe und Souvenier verstehe. Vielleicht gibt es ja eine Revision Zwei oder bessere Ohrpolster im Zubehör, die es richtig können. Dann messe ich gern noch einmal nach und leihe dem Turtle Beach Stealth Pro gern meine beiden Ohren erneut. Denn per se schlecht sind sie ja nicht, nur das mit dem Preis, dem Verhältnis und der akustischen Anmutung in wichtigen Details stimmt noch nicht ganz.
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