2010: Viel heiße Luft für einen schnellen Tod
Der nachfolgende Artikel enthält Teile eines bereits verloren geglaubten Klassiker von vor über 10 Jahren. Wer erinnert sich von den Jüngeren noch an den Sahara-PC und Tom’s Menü? Wir schon und die Jüngeren werden staunen, dass sich eigentlich gar nicht so viel geändert hart. Auch damals schon haben Grafikkarten unter Last geglüht und uns auf den einen oder anderen Gedanken gebracht. Und wenn wir mal ehrlich sind, das mit dem 12-Pin-Stecker für Grafikkarten wäre auch damals schon ein echtes Thema gewesen. 600 Watt für eine Grafikkarten? Das gabs doch schon immer (mal wieder)…
Die Sahara besteht aus drei Wüstentypen, unser Test aus drei wüsten Typen. Was dem Fußgänger auf der einen Seite in Form von Sand-, Kies- und Steinwüste in der Sahara gar arge Pein bereitet, tritt dem Anwender in diesem Artikel in Form von zwei heißen Grafikkarten in einem ausreichend bemessenen Gehäuse gegenüber. Die Lufttemperaturen liegen im Sommer in der Sahara bei erklecklichen 45° Celsius und höher, was unsere Boliden in Käfigeinzel- oder Doppelhaft jedoch noch toppen können. Unterm Strich kann und darf man einfach nicht ernst nehmen, was uns AMD und Nividia mit diesen Karten als praxistaugliche Kühlung anbieten wollen.
Die Menge der abgegebene Wärme und vor allem der Weg beider Kühllösungen, nämlich 50% der Abluft im Gehäuse verbleiben zu lassen, ist geradezu absurd und dürfte so manchen stolzen Neubesitzer vor immense bis unlösbare Probleme stellen. Am Ende leiden nicht nur die Ohren des Anwenders, sondern mit etwas Pech auch einzelne Hardwarekomponenten.
Was ist unser Plan, was das Ziel?
Wir werden auf den folgenden Seiten ausloten, wozu so viel Abwärme führen kann, indem wir unser Testobjekt auf etwas unkonventionelle Weise in der Praxis missbrauchen. Damit wollen wir ein wenig augenzwinkernd dokumentieren, was man mit so einer Konstellation noch alles so im Haushalt anstellen kann und am Ende die oft gestellte Frage beantworten, ob der Patient überlebt hat. Was erwartet uns im Einzelnen?
- In Tom’s Konvektor tritt unser PC mutig gegen einen Ölradiator an (etwas für einen Gas-freien Winter)
- In Tom’s Menü servieren wir ein frisches Hot Dog, ein eckiges Spiegelei und ein leckeres Käse-Fondue
Das Ganze ist wirklich kein Aprilscherz, sondern ein Remake aus einem Klassiker von vor 10 Jahren. Damit soll dieser Artikel am Ende auch Anstoß dafür sein, die extensive Nutzung von immer mehr Energie für eine Handvoll mehr Frames pro Sekunde noch einmal zu überdenken. Wenn nicht einer der Hersteller mal die Notbremse zieht, wird dieses fast schon unsinnige Wettrüsten immer neue Blüten treiben. Und wir gedenken noch einmal der Unseren, bevor in ein paar Tagen hier das Licht endgültig ausgeht.
Zufällige Erfindungen haben den Charme des Außergewöhnlichen, warum also sollten wir die Lösung unserer Alltagsprobleme nicht einmal zum Gegenstand eines Benchmarks machen? Vor nicht all zu langer Zeit saßen wir früh wir an einem verregneten und äußerst unfreundlichen Sonntag bei ganzen 15°C in unserem Redaktionsarbeitszimmer. Der Heizungsausfall und vergebliche Kontaktaufnahmeversuche mit dem zuständigen Installateur brachten uns am Ende auf den Gedanken, den Rechner mit verschiedenen Konstellationen als Heizgerät zu testen.
Als Ausgangskonfiguration diente uns dabei das Pärchen zweier HD 6990, da wir beim Einsatz dieser Karten auch auf die Idee zu diesem Showdown kamen. Startwert ist jeweils eine Raumtemperatur von 15 °C. Den ersten, mit 15.5 °C begonnen Durchlauf, haben wir im Nachhinein nur zur Bestätigung unserer Messwerte zu Rate gezogen. Austemperiert wurde das Zimmer jeweils durch Öffnen der Balkontür und einer anschließenden Pause zur Verteilung der Luft von ca. 20 Minuten. Kontrolliert wurde die Ausgangstemperatur an insgesamt 4 Stellen im Raum, die jeweiligen Zwischen- und Endtemperaturen wurden jeweils in der Raummitte gemessen.
Zwei wichtige Vorteile unserer Grafikkartenheizung gegenüber dem herkömmlichen Ölradiator wollen wir auch nicht verschweigen: wir konnten zwischendurch mit der Heizung im Internet surfen und besaßen zudem mit 8 verbauten Lüftern eine nettes Gebläse zur Verteilung der erwärmten Luft.
HISRadeon HD 6990 OC | Asus GTX 590 | Einhell Ölradiator |
Testaufbau | |
---|---|
Grafikkartentest 1 |
HIS Radeon HD 6990 Einzelkarte maximaler Verbrauch ca. 375 Watt |
Grafikkartentest 2 |
HIS Radeon HD 6990 Crossfire OC-BIOS maximaler Verbrauch ca. 900 Watt |
Grafikkartentest 3 |
Asus Geforce GTX 590 maximaler Verbrauch ca. 390 Watt |
Kontrollheizgerät |
Einhell S 75 1500 Watt 3 Heizstufen: – 600 Watt – 900 Watt – 1500 Watt |
Raumgröße |
20 m² |
Luftinhalt |
64 m³ |
Gesamtsystem |
Intel Core i7 2600K @ 4,5 GHz 16 GB Kingston HyperX DDR3 1600 SSD 250 MB Samsung 470 3 x 1TB Western Digital Caviar Blue Corsair AX 1200 |
Belastungstests |
3DMark Vantage (Perlin Noise Loop) für GPUs und Prime 95 für die CPU |
Referenz-Durchlauf: 2 x HD 6990 mit OC-BIOS
Dieser Durchlauf ist quasi der „Urvater“ dieses praxispreundlichen Benchmarks, für den wir uns an kalten Tagen schnell erwärmen konnten.
Temperaturentwicklung | |
---|---|
Start ist bei 15°C Raumtemperatur. Man bekommt beim Stillsitzen kalte Füße und Hände, eine Lösung ist aber in Sicht… |
Nach reichlich 20 Minuten sind es schon 2,2 °C mehr, ein erstaunlicher Anstieg in relativ kurzer Zeit. Neben dem PC ist es bereits angenehm warm. |
Nach einer Stunde erreichen wir mit 19,2 °C bereits 4,2°C mehr. Der Anstieg geschieht schon etwas langsamer. |
Die Endtemperatur von 20°C erreichen wir nach knapp 2 Stunden. Diese Temperatur hat sich auch nach 15 weiteren Minuten nicht mehr erhöht. |
Benchmarkergebnisse
Überrascht? Wir nicht. Der Radiator wird Dank zusätzlicher Umluft bei vergleichbarer Leistung glatt geschlagen. Interessant für alle, die keinen Radiator, dafür einen leistungsstarken PC besitzen. Hier bringt Abwärme nämlich einen echten Mehrwert! Das verbaute Netzteil AX 1200 von Corsair hat die Belastung der Gesamtanlage über 2 Stunden brav über sich ergehen lassen. Dafür richten wir unseren Daumen klar nach oben, denn wir lagen stellenweise schon recht deutlich über der Spezifikation.
Den Klassiker mit dem Geforce-Spiegelei noch im Hinterkopf, wollen wir diesmal Jamie Oliver für Nerds spielen. Nicht der gesund-fade Gemüse-Mampf steht dabei im Vordergrund, sondern grafikkartenfreundliche Schnellspeisen für den Zocker von heute.
Spielen und Zubereiten in einem – da stört auch nicht die lange Zubereitungszeit, denn das leider meist übliche Kontrollpunktsystem des modernen Konsolenabklatsches gestattet eh keine rechtzeitige und schnelle Mahlzeit. Wir sind erstaunt über die Wandelbarkeit moderner Rechentechnik und möchten die Leser an unserer Snack-Party für Insider gern teilhaben lassen.
Bitte liebe Kinder!
Nicht nachmachen! Papa wird Euch den Hintern versohlen, wenn die teure Technik zugekleckert den Geist aufgibt. Wir wissen, was wir tun (meistens).
Unsere Backofen-Systeme
Wir nutzen den gleichen PC, wie wir ihn schon für die Heizung umgebaut hatten. Allerdings sitzt die Grafikkarte diesmal im unteren der beiden x16-Slots, damit wir genügen Platz für unsere Mahlzeiten haben. Zum Erwärmen haben wir eine spezielle und sehr dünnwandige Teflonform mit sehr geradem Unterboden verwendet. Die Qualität dieses Bodens und die möglichst dünne Wand zusammen mit der Wärmeleitfähigkeit des Materials entscheiden über Gelingen oder Fehlversuch, weshalb wir lange suchen mussten. Das nicht ganz billige Produkt eines bekannten deutschen Markenherstellers siegte am Schluss im einfachen Auswahlverfahren, da wir nur hier auch die für das Gerinnen eines Spiegeleis nötigen 60°C++ erreichten. Silikongummi und Alufolie haben wir deshalb verworfen.
Grafikkartentest Nummer 1 |
HIS Radeon HD 6990 OC-BIOS maximaler Verbrauch ca. 450 Watt |
Grafikkartentest Nummer 2 |
Asus Geforce GTX 590 maximaler Verbrauch ca. 390 Watt |
Kontrollgeräte | Zanussi-Cerankochfeld (Stufe 0.5) Samsung Mikrowelle (normale Leistung, 800 Watt) |
Gesamtsystem | Intel Core i7 2600K @ 4,5 GHz 16 GB Kingston HyperX DDR3 1600 SSD 250 MB Samsung 470 3 x 1TB Western Digital Caviar Blue Corsair AX 1200 |
Die Küche von Team Grün…
… und die von Team Rot.
Nach einigen Minuten haben HD 6990 und GTX 590 bereits über 60°C auf der „Platte“, genug um ein Ei gerinnen zu lassen (Spiegelei ab ca. 60°C) |
OC-Version der HD 6990 nach einer Stunde. Hier geht sogar Käse ganz schnell seine sehr eigenen Wege |
Was lässt sich mit diesen Gerätschaften nun alles zubereiten? Wir testen es im Selbstversuch aus…
Die Zutaten haben wir leicht abgewandelt, der Geschmack konnte sich trotzdem sehen und schmecken lassen.
Zutaten:
• Allgäuer Scheibletten
• Trockener Prosecco
• Salz und Pfeffer
• Knoblauchgranulat
Schlusswürzung:
• Worcestersauce
• Zitronenspritzer (optional)
Benchmarkablauf und Zubereitung
Wir testen diesen Durchlauf mit einer Geforce GTX 590 und der Radeon HD 6990 im normalen und übertakteten Zustand. Als Referenzwert dient ein Cerankochfeld (Ikea, Zanussi). Der Zielzeitpunkt ist erreicht, wenn sich über dem Käse-Prosecco-Masse eine geschlossene Haut entwickelt hat.
Alles am Platz? Dann aber los!
Noch ist der Käse im Bröckchenzustand…
Nach ca. 45-50 Minuten nehmen wir das Schälchen kurz heraus und mischen den Prosecco und die Gewürze unter.
Wohl bekomms! Dank der Scheibletten mussten wir nicht all zu lange warten und können auch länger stippen.
Benchmark-Resultate:
Es gewinnt die Karte mit dem meisten Stromhunger. Zumindest in dieser Disziplin zahlt sich Mehrverbrauch erneut aus. Guten Appetit.
Die Zutaten haben wir aus dem Supermarkt, es ist Fast-Food vom Allerfeinsten
Zutaten:
• Feine Gefügel-Wiener
• Hot-Dog-Brötchen
Finish:
• Grüner Gurkensalat (hauchdünne, knackige Scheiben!)
• Dänische Röstzwiebeln
• Dänische Remouladensauce
• Heinz Tomaten-Ketchup (es gibt nichts Passenderes)
Benchmarkablauf und Zubereitung
Wir testen diesen Durchlauf nur mit der Radeon HD 6990 im normalen und übertakteten Zustand. Die Geforce fällt aufgrund der geteilten Heizplatte leider aus technischen Gründen aus. Als Referenzwert dient diesmal eine Mikrowelle, die Innentemperatur der Wurst messen wir in der Mitte mit einem Steakthermometer (60° C), die Würste wurden nach 30 Minuten einmal gedreht und die Karten zudem 15 Minuten vorgeheizt.
Dabei ist alles. Was braucht man mehr für ein schönes, frisches Hot-Dog?
Das Würstchen legen wir aus hygienischen Gründen auf dünnes Backpapier. Die heiße Umluft der HD 6990 trocknet sogar die Brötchenoberfläche etwas an.
Klappe zu, es brutzelt alles brav vor sich hin.
Guten Hunger, das sieht doch lecker aus!
Benchmark-Resultate:
Über den Sieger im Grafikkartensektor gibts kein Rätselraten. Rot siegt vor rot.
Die Zutaten haben wir aus dem Kühlschrank, mehr als ein Ei und ein paar Tropfen Speiseöl sind nicht notwendig
Zutaten:
• Ein frisches Ei (Freilandhaltung!)
Finish:
• Salz
• Pfeffer
• Mittelscharfer Speisesenf
Benchmarkablauf und Zubereitung
Wir testen diesen Durchlauf mit einer Geforce GTX 590 und der Radeon HD 6990 im normalen und übertakteten Zustand. Als Referenzwert dient ein erneut das Cerankochfeld (Ikea, Zanussi) aus dem ersten Benchmarktest. Wichtig war, den Boden ganz leicht mit Öl zu benetzen, da sonst das Eiweiß nicht „schwimmt“. Das Eigelb muss auf der Oberseite leicht stichfest sein.
Ein schönes, frisches und freilandgelegtes Ei als Zielobjekt unseres Hungers.
Nach der Hälte der Zeit bildet sich am Boden bereits eine weiße, leicht geronnene Schicht.
Das Ei ist fertig, wenn nichts Flüssiges mehr schwappt und das Eigelb eine leichte Haut hat.
Richtig durch, ist das Ei durchaus eine leckere Zwischenmahlzeit.
Benchmark-Resultate:
Altes deutsches Sprichwort: „So, wie man in eine Karte hineinstromt, so heizt es heraus!“. Sieger ist erneut der Bolide mit dem engsten Geschäftskontakt zur Steckdose.
Grafikkarten und Kühlung 2010
Bauchschmerzen auf breiter Front. So clever wie die Ingenieure bei AMD und Nvidia ihre Zwei-Loch-Kühlung finden mögen, wir würden diese Idee lieber abstrafen als bejubeln. Was im offenen Testaufbau noch für einigermaßen brauchbare Werte gut ist, das sorgt im Gehäuseinneren für Hitzestau und Komponentengefährdung. Egal ob Festplatten oder CPUs an der Leistungsgrenze – solche Innentemperaturen sind also nicht praktikabel. Wir raten zu einem Gehäuse, bei dem das Grafikkartenende direkt auf eine Öffnung in der Frontblende zeigt, die man auch herausnehmen kann. Ein Umbewegen der Heißluft im Gehäuse ist mühsam und kaum zu realisieren.
Fazit 2010:
Beide Karten sind reine Showobjekte mit sehr eingeschränkter Alltagstauglichkeit, solange man keine Wasserkühlung einsetzen kann und will. Hier sind zwei (schnellere) Einzelkarten im SLI bzw. Crossfire auf jeden Fall die bessere Wahl.
Ein paar Worte an die Hersteller möchten wir gern mit anbringen: weniger ist mehr! Warum kann man sich nicht auch auf eine Leistungsobergrenze beschränken, so wie sich einige Automobilhersteller bereits freiwillig auf eine Höchstgeschwindigkeit der Autos eingelassen haben? 200 bis 250 Watt reichen, mehr braucht kein Mensch – eher weniger. Intensivieren statt extensivieren, das wäre sicher ein richtiger Schritt in die Zukunft. Wir wollen hier nicht den heilbringenden Öko-Engel geben, dazu sind wir zu sehr Spieler und Leistungsfanatiker. Aber wir möchten zumindest einen Punkt, den man als Grenze zwischen Brauchbarkeit und Leistungswahn setzen kann. Das ist nicht viel, wäre aber sicher schon mal ein Anfang.
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