Stereo-Wiedergabe und Tonkorrektur
Nach den ganzen technischen Details kommen wir nun endlich zum Wichtigsten: Wie klingt das Teil? Ich setze also genau dort an, wo es manchmal auch schon weh tut: nämlich beim individuellen Hörtest. Die Wiedergabe teste ich ohne zusätzlichen Subwoofer, denn das ist ja bei Edifier gar nicht vorgesehen. Die Boxen sind also auf sich allein gestellt. Womit wir zur bei mir genutzten Grundeinstellung kämen. Wer auf niedrigen Pegeln mit etwas mehr Bass hören möchte, der kann das gern auf der Rückseite mit maximal +3 dB anheben. Ich habe für meine Bewertung darauf verzichtet und auch den Hochtonregler in Mittelstellung belassen. Etwas Bass- und Höhenanhebung wären für die leichte Badewanne sicher gut möglich, vor allem bei niedrigen Pegeln in der Hintergrundbeschallung. Doch kommen wir nun endlich zur Sache…
Basswiedergabe
Die Boxen scheitern sehr klar und komplett an der Subkontraoktave, denn dafür hat man im DSP ein sehr restriktives Filter gesetzt. Schon ab 45 Hz abwärts setzt ein hörbarer Low-Cut ein, der dann unterhalb von 35 Hz fast schon vollumfänglich greift. Allerdings muss man da schon genauer hinhören, denn die meisten Quellen bieten gar keine so tiefen Signale. Die Kontraoktave ist oberhalb von ca. 45 Hz immerhin voll da. Klanglich ist alles trotzdem noch angenehm tief und lobenswert rabenschwarz. Die Basswiedergabe ist alles in allem sehr knackig und staubtrocken.
Es wummert und schrammelt nichts, nicht mal im Ansatz, sondern es bleibt auch frei von hässlichen Resonanzen. Der Bass ist einfach nur da, was genau so auch gedacht und gewünscht ist, wenn auch eher nicht ganz so dominant. Für die Party-Beschallung sollte man allerdings aufgrund der etwas geringeren Ausgangsleistung auf alle klanglichen Aufhübschungen verzichten. Das Soft-Clipping kommt ziemlich abrupt zum Tragen und das einsetzende Pumpen und Übersteuern klingt dann einschließlich der Verzerrungen nicht mehr so gut. Das auch, weil dann plötzlich sogar noch die Mitten fehlen.
Dieser Bereich klingt sehr natürlich und gehört sicher zu den Glanzpunkten der A200. Im Vergleich zu den gleich teuren Nubert SP-200 ist der Bereich deutlich neutraler gehalten, ohne jedoch zu irgendwie zu fehlen. Und man wird auch nicht von den üblichen, triefenden Fettaugen der 100-Euro-Boxen im Oberbass begleitet, die meist fehlendes Volumen kaschieren sollen. Das haben die A200 nämlich gar nicht nötig. Die männlichen Vocals werden noch angenehm voll und satt, allerdings komplett staubtrocken wiedergegeben, die Instrumente werden ebenfalls nicht verfälscht. Das hat fast schon etwas Analytisches, aber es bleibt angenehm beim Zuhören. Für die kuschelige Kamin-Szene nach getaner Arbeit kann der Bass durchaus noch etwas angehoben werden, vor allem bei niedrigeren Pegeln.
Insgesamt liegt die Auflösung hier schon sehr weit über dem Durchschnitt und lässt klassische Orchesterstücke, Rock, Pop und Jazz aller Couleur in jeder Situation exzellent performen. Vor allem bei Kammermusik mit einem Bläserquartett klingt ein Fagott voll, sauber und füllig. Doch auch ein Cello bei Streichern kann gefallen. Der Aufstellort ist trotz der Bassreflexöffnung an der Rückseite eher unkritisch, sollte jedoch überlegt gewählt werden, wenn man lästige Moden umgehen möchte, aber das liegt dann nicht an den Boxen. Dazu gehört auch, dass man den Bassreflex-Rohren an der Rückseite wenigstens 20 cm Luft zum Atmen gibt, aber gern auch mehr. Stopfen kann man hier vergessen, das verfälscht das abgerundete Klangbild gewaltig.
Mitteltonbereich
Auch hier gibt es keinen Grund zur Kritik, im Gegenteil, die A200 sind erdrückend ehrlich, was sicher nicht jedermanns Geschmack sein dürfte. Denn sie legen, wenn man es mit der Tonkorrektur nicht verhunzt hat, gnadenlos jede Schwäche der wiedergegebenen Einspieler offen. Alles bleibt auch hier wieder so staubtrocken, dass man sich eher an Studiomonitore erinnert fühlt. Weibliche Vocals können frei und kraftvoll brillieren und kommen problemlos auf den Punkt. Die Klangfarbe der Stimmen und eingespielten Instrumente ist insgesamt recht neutral, aber nie kalt. Etwas analytisch ist das Ganze aber schon.
Der weitere Verlauf nach oben hin ist frei von jeglicher Kritik. Die Präzision überzeugt und macht das System zum guten und unaufdringlichen Begleiter für Arbeit und Feierabend in gleichem Maße, egal ob es nun die Tidal-Playlist für nebenbei sein soll oder ein entspannter Musikgenuss mit einem guten Glas Wein nach getaner Arbeit. Hier merkt man auch den Preis, wobei der Klang stets ausgewogen und aber auch etwas kühler bleibt. Die Auflösung ist jedenfalls dem Preis mehr als angemessen, das passt.
Die Bühne und die subjektiv empfundene Qualität der räumlichen Auflösung sind ebenfalls auf einem sehr hohen und dem Preis absolut angemessenen Niveau. Ein großes Orchester wirkt (rein subjektiv betrachtet) in der Breite extrem weit, in der Tiefe sehr gut gestaffelt und in der Summe auch sehr exakt aufgestellt. Das macht es einem sehr einfach, einzelne Instrumente bei den unterschiedlichsten Gesamtpegeln sehr klar und eindeutig zu lokalisieren. Stehen die Boxen sehr eng zusammen, schwindet der Effekt etwas, denn eine elektronische Basisverbreiterung gibt es nicht.
Die Sprachwiedergabe erfährt in diesem Bereich keinerlei Einbußen, egal wie viele unterschiedliche Quellen gemischt wurden. Die Eignung auf dem Desktop wird durch die sehr gute räumliche Abbildung in Spielen mit vorzüglichem Audiomaterial noch unterstrichen, doch auch in der Tiefe des Raumes kommt man mit den Boxen bestens klar. Der Sweet-Spot ist erfreulich weit gefächert, solange die Hochtöner ungefähr auf Ohrenhöhe agieren können. Die Abstimmung der aktiven Weiche ist sehr gut gewählt und so hat man auf sehr vielen Positionen ein recht ausgewogenes Klangbild, trotz der aktiven Zwei-Wege-Trennung.
Hochtonbereich
Die Wiedergabe ist auch hier extrem ehrlich, sehr neutral und sie setzt nahtlos auf den sehr gut modellierten Mitten auf. Die Sprachverständlichkeit sowie die Qualität der Vocals bei der Wiedererkennung können in allen Punkten überzeugen und das Ganze klappt sogar noch sogar im Nahfeld. Gut auch, dass die aktive Frequenzweiche jeweils so abgestimmt wurde, dass es weder hier noch im weiteren Frequenzverlauf zu hörbaren Überbetonungen oder irgendwelchen Pegelabfällen kommt. Der Übergang zwischen den beiden Chassis ist, wie bereits beschrieben, angenehm fließend und vor allem eines: nicht bzw. nur kaum wahrnehmbar, was auch an den hervorragenden Bändchen-Hochtönern liegen dürfte.
Man hat, im Gegensatz zu den nuPro SP-200, beim Übergang zwischen den Chassis nicht mit hörbaren Intermodulationsprodukten zu kämpfen, wenn man seine Lauscher im Nahfeld zu nah am Monitor ausrichtet und der Pegel weit über dem Normalen liegt. Aber mal Hand aufs Herz, das macht ja eh kaum jemand. Trotzdem muss man es mit erwähnen, denn es soll ja Goldohren geben, die hier sogar noch Phasenverschiebungen deutlich heraushören können.
Hoch- und Superhochton werden durch die Bändchen-Hochtöner brillant abgebildet, zumal diese Tweeter nie überbetonen, sondern souverän jede hässliche Spitze vermeiden. Sibilanten und Atemgeräusche kommen sauber und unaufgeregt ans Ohr und man kann damit in der Summe richtig gut leben. Es klingt aber trotz der eher zurückhaltenden Spielweise nie muffig und schon gar nicht spitz oder metallisch, sondern es bleibt erfrischend natürlich. Das sind Boxen, die einem nicht den letzten Nerv rauben, wobei natürlich eine Bachtrompete auf Klipsch Hörnern schöner schmettert. Aber will man das eigentlich?
Saiteninstrumente werden ebenfalls nicht nach vorn oder gar weggespült, sondern sie sitzen genau dort, wo sie laut Plan auch hingehören. Das verdient meinen absoluten Respekt. Kammermusik oder großes Orchester im Finale Furioso, egal – das passt alles wie angegossen. Das Einzige, was vielleicht oben hinaus etwas an Präsenz verliert, sind diverse Bläser. Aber das ist dann schon Jammern auf allerhöchstem Niveau.
Zusammenfassung und Fazit
Es werden, je nach Shop, zwischen 830 und 850 Euro fällig, was erst einmal teuer klingt. Allerdings klingen die Teile auch so, wie sie kosten und man kann damit zufrieden in den Feierabend hinübergleiten, wenn einem die Interpretation gefällt. Nein, es sind keine Party-Boxen und auch am TV wird es eher eng, wenn es Erdbeben oder Kanoneneinschläge zu bewundern gilt. Die Boxen sind nie krawallig oder überpräsent, lassen einen aber Nuancen erfahren, die man sonst unter 1000 Euro nicht allzu häufig vorfindet.
Die Airpulse A200 von Edifier dürften sicher für so manchen Mainstream-Hörer erschreckend neutral und fast schon zu analytisch klingen, aber wer mal den Unterschied zwischen einer normalen MP3-Datei und einer Lossless-Quelle hören möchte: mit den A200 geht das erschreckend gut. Aber ob man sich damit dann komplett desillusionieren möchte, weil einem das Abo für gute Streams zu teuer ist (weil er Spotify plötzlich nicht mehr mag), überlasse ich jedem selbst. Es sind beileibe keine Mediamarkt-Krawallboxen, sondern eher sanfte Gleiter, die aber auch recht laut können. Das sollte man beachten, wenn man mit dem Gedanken spielt, den Boxen eine Chance (und eine neue Heimat) geben zu wollen.
Sie kommen meinem Geschmack recht nahe, sonst hätte ich mir nicht privat ein paar nuLine 334 hingestellt, die ich so nutze, wie sie eigentlich spielen sollten: möglichst linear und ohne großes DSP-Gedöns. Willkommen im Club, auch wenn die A200 bestimmt ein, zwei Klassen niedriger agieren und als Aktivboxen weniger flexibel beim Verstärker sind. Der symmetrische Eingang enthebt einem bei der Frickelei mit Adaptern und ist gern gesehen, wenn man passende Einspieler hat. So gesehen passen hier Optik, Haptik und Konnektivität zum guten Klangbild.
Ein bisschen meckern muss ich am Ende allerdings doch noch. Die proprietären Lautsprecherstecker sind nicht gewinkelt und das Kabel ist recht starr. Das benötig auf der Rückseite ordentlich Platz und stellt zumindest sicher, dass die Bassreflexöffnungen nicht zu nah an die Wand kommen. Aber es ist eine lästige Fehlerquelle und sieht bei freistehenden Boxen nicht wirklich schön aus. Der fehlende Subwoofer-Ausgang ist auch so ein Manko, mit dem man zwar ganz gut leben kann, das aber eigentlich überflüssig ist. Die eine Buchse hätte sicher noch Platz gefunden. Man kann zwar am Eingang tricksen, weil der Zubehörhandel auch passende Vorverstärker anbietet (ich habe mir auch auf diesem Weg geholfen), aber das ist am Ende auch nur wieder unnötiges Gefrickel. Und mal im Ernst: die pillenförmige, echt alberne Laut-/Leise-Fernbedienung mit An-/Aus-Schalter, Mute und Kanalwahl ist wirklich von übervorgestern und haptisch eine Katastrophe..
Aber das ist alles, was mir negativ aufgefallen ist und mich in der gehobenen Preisklasse dann doch wirklich ärgert. Sicher sind das eher Peanuts, aber es stört mich nun mal, weil es mit wenig Aufwand komplett vermeidbar gewesen wäre. Trotz dieser kleinen Kritikpunkte war und ist das Gesamterlebnis ein Event auf sehr hohem akustischen Niveau. Der sehr positive Eindruck der Verarbeitung und Komponentenwahl ist dadurch in keinster Weise getrübt, auch wenn ich auf dieses kleine Wölkchen am ansonsten glasklaren Audio-Himmel gern verzichtet hätte. Aber ich schrieb es ja schon mehrmals: man kann nun mal nicht alles gleichzeitig haben.
Eine Einflussnahme auf die Tests und Ergebnisse fand und findet nicht statt. Mit Edifier bestehen zudem auch keine Werbeverträge oder sonstige Verbindlichkeiten. Die Boxen sind aus dem täglichen Audioalltag entnommen worden und tun immer noch brav ihren Dienst.
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