Messaufbau und Grundlagen
Nun schlägt die Stunde der Wahrheit, mal wieder. Der Testaufbau ist final und die Basis bleibt das bekannte Messmikrofon, dass sich ja bereits für die In-Ears bewährt hat. Die Anregungen für die Realisierung habe ich bei Oratory gefunden. Generell gilt, dass man zur Messung des Übertragungsverhaltens von Kopfhörern sogenannte Kuppler mit klar definierten Volumina und fest eingebauten, sauber kalibrierten Messmikrofonen nutzt. Der Rest orientiert sich dann auch am zu messenden Objekt.
Für Einsteckhörer (In-Ears) und Kleinhörer (z.B. aus Hörgeräten) lässt sich der Aufbau genauso gut nutzen, wie für einfachere Kopfhörer und Headsets als sogenannte On-Ears (Kopfhörer mit supraauralen Kissen). Für solche Kopfhörer (On-Ear) ist das „künstliche Ohr“ nach IEC 318 brauchbar, an das ich mich mit der Umsetzung nunmehr gehalten habe. Dazu kommt die Creative AE-9 als Soundkarte, an der das Messmikrofon rauscharm genug angeschlossen ist. Als Ausgang für das Headset nutze ich einen HIFIMAN EF400 für die Ansteuerung der Kopfhörer, da das analog per Klinke möglich ist.
Die dicken Over-Ears, also circumaurale bzw. Ohr-umschließende Kopfhörer, sind nicht einfach zu handhaben, wenn es um die Messung und vor allem um die Reproduzierbarkeit geht. Denn genau dafür gibt es ja noch gar keine wirklich genormten Kuppler. Die Gründe dafür liegen in Schwierigkeiten der Messtechnik und den vielen beeinflussenden Faktoren begründet, die eine sichere Reproduzierbarkeit fast unmöglich machen. Daher werden solche circumaurale Kopfhörer überwiegend mit entsprechend umgebauten Kupplern für supraaurale Kopfhörer gemessen, indem man zusätzlich eine eine flache Platte als Auflage für das circumaurale Kissen nutzt (siehe Bild oben).
Mikrofon-Messung
Dass das Mikrofon so Pop-empfindlich ist, liegt am mangelhaften Low-Cut, der eigentlich nur in der physikalischen Grenze des winzigen Mikrofons begründet liegt und kein echtes Filter enthält. Nach oben hin fällt die Kurve ab 10 KHz stark ab, auch wenn sich hier noch mehr messen lässt. Die Flanke ist nicht sonderlich steil, aber hier stimmt die Herstellerangabe durchaus.
Rein klanglich gibt es am Mikrofon eigentlich nichts auszusetzen, nur die Plops sind trotz Pop-Schutz nicht sonderlich schön. Das zum Vergleich genutzte t.bone SC450 USB klingt sogar etwas voller bzw. sogar dumpfer, was bei Chats nicht unbedingt von Vorteil ist.
The t.bone SC450USB
Wichtiger Anhaltspunkt bei Kopfhörern: Die Harman Kurve
Die sogenannte Harman-Kurve ist eine (optimale) Klangsignatur, die die meisten Menschen bei ihren Kopfhörern bevorzugen. Sie ist somit eine genaue Darstellung dessen, wie z.B. hochwertige Lautsprecher in einem idealen Raum klingen und sie zeigt den Zielfrequenzgang eines perfekt klingenden Kopfhörers. Damit erklärt sie auch, welche Pegel angehoben und welche gedämpft werden sollten, wenn man diese Kurve zugrunde legt. Damit erklären wir auch in einem Aufwasch noch den Begriff der oft zitierten „Badewannen-Abstimmung“, bei dem die Harman-Kurve jedoch völlig überzogen missbraucht und überhöht wird.
Aus diesem Grund ist die Harman-Kurve (auch „Harman-Ziel“ genannt) einer der besten Frequenzgangstandards für den Musikgenuss mit Kopfhörern, denn im Vergleich zum flachen Frequenzgang (neutrale Kurve) sind bei der Harman-Kurve die Bässe und Höhen leicht angehoben. Diese „Kurve“ wurde 2012 von einem Team von Wissenschaftlern unter der Leitung des Toningenieurs Sean Olive erstellt und veröffentlicht. Die Forschung umfasste seinerzeit auch umfangreiche Blindtests mit verschiedenen Personen, die unterschiedliche Kopfhörer testen mussten. Auf der Grundlage dessen, was sie dann mochten (oder auch nicht), fanden und definierten die Forscher die allgemein beliebteste Klangsignatur.
Die Abstimmung von Kopfhörern kann aufgrund der menschlichen Anatomie wirklich problematisch sein. Jeder Mensch hat eine etwas andere Ohrmuschel und einen etwas anderen Gehörgang, was sich darauf auswirkt, wie die einzelnen Personen bestimmte Frequenzen wahrnehmen. Im Extremfall gibt es von Person zu Person ein paar dB Unterschied, was dann auch die kleinen Unterschiede in manchen Messungen mit künstlichen Ohren erklärt. Außerdem wird der Schall, wenn er nicht absorbiert wird, von anderen Oberflächen zusätzlich reflektiert. Theoretisch wäre also auch ein Torso im Testaufbau mit einzubeziehen, aber das wäre viel zu aufwändig.
Frequenzgang
Die gerade erwähnte Harman-Kurve sehen wir im Diagramm als dunkle Linie hinterlegt. Beurteilen wir zunächst die ungeglättete Messung. Legt man die hellblaue Kurve (HiFiMAN EF400) und die schwarze Kurve (Harman) übereinander, ergeben sich interessante Erkenntnisse. Der Ausgangswiderstand des HiFiMAN geht quasi gehen Null, so dass man eine leichte Fehlanpassung durch eine zu hohe Impedanz ausschließen kann. Im Hochtonbereich liegt der Peak bei rund 3 KHz, danach fällt die Kurve wieder ab.
Glättet man die Kurven, dann sieht das Ganze etwas nach leichter Badewanne aus. Der Bass wird bei 100 Hz noch einmal etwas angefettet, was bei offenen Systemen nicht unüblich ist, denn der Bass-Abfall ist system- und bauartbedingt. Trotzdem ist genügend Bass vorhanden und die Pegelfestigkeit ist geradezu ikonisch, wenn man einen guten Verstärker besitzt. Auch hier sehen wir wieder die leichte Hochton-Überspitzung, die sich mit dem 2- und 4-KHz-Regler eine Equalizers gut kompensieren lässt. Hebt man dann noch den Bereich um 1 KHz etwas an, ist auch der Edel-Gamer sicher vollends zufrieden.
Kumulative Spektren
Das kumulative Spektrum bezeichnet verschiedene Arten von Diagrammen, die Zeit-Frequenz-Eigenschaften des Signals zeigen. Sie werden durch die aufeinanderfolgende Anwendung der Fourier-Transformation und geeigneter Fenster auf überlappende Signalblöcke erzeugt. Diese Analysen basieren auf dem bereits oben dargestellten Frequenzgangdiagramm, enthalten aber zusätzlich noch das Element Zeit und zeigen nun als 3D-Grafik („Wasserfall“) sehr anschaulich, wie sich der Frequenzgang über die Zeit hin entwickelt, nachdem das Eingangssignal gestoppt wurde. Umgangssprachlich wird so etwas auch „ausklingen“ oder „ausschwingen“ genannt. Normalerweise sollte der Treiber nach dem Wegfall des Eingangssignals ebenfalls möglichst schnell anhalten. Einige Frequenzen (oder sogar ganze Frequenzbereiche) werden jedoch immer langsam(er) abklingen und dann in diesem Diagramm als länger anhaltende Frequenzen auf der Zeitachse auch weiterhin erscheinen. Daran kann man gut erkennen, wo der Treiber eklatante Schwächen aufweist, vielleicht sogar besonders „scheppert“ oder wo im ungünstigsten Fall Resonanzen auftreten und das Gesamtbild stören könnten.
Burst Decay
Der „Burst Decay“ bezeichnet das allmähliche Ausklingen oder Abfallen eines Signals oder einer Welle nach einem plötzlichen Impuls oder „Burst“. Ein solcher Burst kann beispielsweise durch eine plötzliche Energiezufuhr verursacht werden, und der anschließende „Decay“ oder Abfall beschreibt die Art und Weise, wie das System zurück zu seinem Ausgangszustand gelangt. Der Burst Decay wird im Zusammenhang mit der Analyse von Signalen in der er Audioverarbeitung verwendet. Es ist wichtig, den Burst Decay zu verstehen, da er die Leistung und Qualität eines Systems beeinflussen kann. In der Audiotechnik beispielsweise kann ein Burst Decay Verzerrungen oder unerwünschte Geräusche verursachen, wenn er nicht richtig kontrolliert wird.
Hier ist es die Aufgabe des Ingenieurs, Systeme zu entwerfen, die solche Störungen minimieren und den Burst Decay effektiv handhaben. Beim CSD wird der Plot ja im Zeitbereich (ms) erzeugt, während der hier verwendete Burst Decay Plot in Perioden (Cycles) dargestellt wird. Und während beide Methoden ihre Vor- und Nachteile (oder Einschränkungen) haben, kann man durchaus sagen, dass die Darstellung in Perioden durchaus sinnvoller sein kann, um das Abklingen eines Treibers mit einer großen Bandbreite zu bestimmen. Die Graphen-Membran leistet hier eine gute Arbeit, das kann man durchaus so lassen. Da schwingt auch nicht viel nach.
CSD
CSD steht für „Cumulative Spectral Decay“ und wird in Audiomessungen verwendet, insbesondere in der Kopfhörerforschung. Es handelt sich dabei um eine spektrale Analysemethode, die dazu dient, das Verhalten eines Audiosignals über die Zeit hinweg zu visualisieren. Ein CSD-Diagramm zeigt an, wie lange es dauert, bis der Klang, der durch einen Kopfhörer wiedergegeben wird, nach einem Impuls abklingt (der Decay). In der Praxis wird ein kurzer Ton – ein „Impuls“ – ausgesendet, und dann wird die Zeit gemessen, die der Klang benötigt, um in jedem Frequenzband abzuklingen. Das Ergebnis ist eine dreidimensionale Darstellung der Frequenz, der Zeit und der Amplitude (Lautstärke).
Ein CSD Diagramm kann dabei helfen, die Qualität eines Kopfhörers oder Lautsprechers zu beurteilen, da es zeigt, wie gut das Gerät in der Lage ist, den Klang genau und ohne Nachhall oder Verzerrung wiederzugeben. Bei guten Kopfhörern sollten die Töne schnell abklingen, während bei schlechteren Kopfhörern die Töne länger nachhallen können, was zu einer „verschmierten“ oder unscharfen Klangwiedergabe führt. Die Messung und Interpretation eines CSD ist durchaus komplex , aber es ist auch ein wertvolles Werkzeug für alle, die die Klangqualität von Audiogeräten objektiv messen und beurteilen möchten. Auch hier schneidet das Corsair Virtuoso Pro überdurchschnittlich gut ab, wenn man den Peak bei 2 bis 3 KHz mal außen vor lässt.
STFT
Die Short-Time Fourier Transform (STFT) ist eine Methode zur Zeit-Frequenz-Analyse von Signalen in der Audiotechnik. In Bezug auf Kopfhörermessungen ist die STFT besonders nützlich, um zu untersuchen, wie sich die Frequenzinhalte eines Signals mit der Zeit ändern. Traditionelle Fourier-Transformationen ermöglichen es, ein Signal in seine Frequenzkomponenten zu zerlegen, geben aber keine Informationen darüber, wann diese Komponenten im Signal auftreten. Das kann ein Problem sein, wenn man mit Signalen arbeitet, die sich mit der Zeit ändern, wie zum Beispiel Musik oder Sprache. Hier kommt nun die STFT ins Spiel, die das FFT- und Hanning-Fenster verwendet, um das zeitlich variierende Spektrum der aufgezeichneten Signale zu analysieren.
Die STFT teilt dabei ein längeres Signal in kleinere Segmente auf und führt eine Fourier-Transformation für jedes dieser Segmente durch. Auf diese Weise können wir sehen, wie die Frequenzen im Laufe der Zeit variieren. In Bezug auf die Kopfhörermessung ermöglicht uns die STFT also, zu sehen, wie sich die Frequenzantwort eines Kopfhörers mit der Zeit ändert, was wertvolle Einblicke in dessen Leistung und Klangqualität bieten kann. Es ist wichtig zu beachten, dass die Wahl der Segmentlänge in der STFT ein Kompromiss ist: Mit längeren Segmenten erhalten wir eine genauere Frequenzauflösung, verlieren aber an zeitlicher Auflösung.
Mit kürzeren Segmenten ist es genau umgekehrt: Wir bekommen eine höhere zeitliche Auflösung, verlieren aber an Frequenzauflösung. Daher muss die Größe der Segmente sorgfältig gewählt werden, um die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen. Die STFT ist also ein sehr leistungsfähiges Werkzeug für die Analyse von Audiosignalen und die Beurteilung der Leistung von Audiogeräten wie Kopfhörern. Auch diesmal schneidet das Headset ganz gut ab und die Membran macht, was man von ihr erwartet. Man sieht, man braucht im Endeffekt alle drei Diagramme für ein objektives Urteil. Burst Decay allein reicht auch nicht.
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