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Zurück an der Spitze?! AMD Radeon RX 6800 und RX 6800 XT im Test – Gefühlter Gleichstand, aber mit großen Unterschieden im Detail

Zusammenfassung der Gaming Performance: Rasterization

Je nach Auswahl und Zusammenstellung der Spiele liegen die Radeon RX 6800XT und die GeForce RTX 3080 FE mehr oder weniger eng beisammen. In WQHD sind es in diesem Fall ca. 2 Prozent Vorteil für die NVIDIA-Karte, der aber auch größer oder kleiner hätte ausfallen können. Es sind aber trotzdem stets weniger als 5 bis 7 Prozent, wenn man die AMD-Spiele herausrechnen würde. Und jetzt kommt SAM. Vor allem niedrigeren Auflösungen und wenn man eher in CPU-Flaschenhals driftet, kann dieser smarte Speicherzugriff fast schon Wunder bewirken.

Far Cry New Dawn in WQHD ist da das beste Beispiel hier im Test, wo sogar eine RX 6800 ohne XT über sich hinaus wachsen kann. Es kann aber in anderen Spielen auch fast nichts bringen, wenn es gar nicht benötigt wird. Aktiviert man SAM und normalisiert die Ergebnisse, dann ist die Radeon RX 6800 XT in etwa genauso schnell wie eine GeForce RTX 3080 bzw. sogar einen Hauch schneller. Der Zuwachs durch SAM beträgt im Durchschnitt so um die 5 Prozent. Auch hier gilt die Einschränkung, dass es immer auf die Auswahl der Spiele ankommt, ob und wie AMD einen Vorteil aus SAM ziehen kann, denn es schwankt zwischen keinem und bis zu 12 Prozent Zuwachs, je nach Anwendungsfall. 

Die kleinere GeForce RTX 3070 FE muss sich der Radeon RX 6800 jedoch sehr deutlich geschlagen geben, egal ob diese mit oder ohne SAM agiert. Hier ist die oft zitierte Leistungslücke, in die eine GeForce RTX 3070 Ti sicher gut passen wurde. In WQHD konnte ich auch keinen wirklichen Nachteil beim Speicherausbau feststellen, es sei denn, man provoziert es mit Absicht. Was die Zukunft bringt, kann man allerdings heute auch noch nicht beurteilen. Hier noch einmal alles Normiert in Prozenten mit der RTX 3070 als 100%-Marke:

Geht man auf Ultra-HD, dann sieht man erstaunliche Dinge, denn die Radeon RX 6800XT fällt auch ohne SAM hinter eine GeForce RTX 3080 FE zurück. Das lässt sich auch in Einzelspielen gut beobachten, denn selbst der große Cache der Radeon kann hier nicht mehr vollumfänglich das sehr schmal ausgefallene Speicherinterface kaschieren. Es ist beruhigend, 16 GB Speicher auf der Karte zu wissen, nützt aber nichts, wenn man sie nicht auch gleichzeitig schnell genug vollbekommt. Man kann das mit 5K oder gar 8K noch weiter auf die Spitze treiben, wo es dann extrem deutlich wird, aber eh nicht mehr spielbar ist, auf keiner der Karten.

Man kann über die in der Relation zum Preis eher mickrigen 10 GB GDDR6X der RTX 3080 schimpfen wie man will, sie sind unterm Strich besser angebunden, deutlich schneller als der GDDR6-Speicher und man kommt auch so schnell nicht ins Bandbreiten-Limit. Mit SAM kann es AMD einigermaßen kompensieren, so dass es am Ende (aber nur mit SAM) sogar noch zum gefühlten Gleichstand kommt. Ohne allerdings geht es definitiv nicht.

In Prozenten liegt hier die GeForce RTX 3070 FE sogar noch weiter hinter der RX 6800 zurück als in WQHD, denn die GeForce setzt ebenfalls nur auf GDDR6 und eher schmale 8 GB Speicherausbau. Das rächt sich in Ultra-HD bereits fast immer.

Uns bleibt als Erkenntnis, dass es zwischen der Radeon RX 6800XT und der GeForce RTX 3080 FE einen De-Facto-Gleichstand gibt, der aber ohne SAM nicht zu erreichen gewesen wäre. Da dieses Feature quasi nichts kostet (außer es zu implementieren), haben auch NVIDIA und Intel bereits angekündigt, die Resizeable BARs in Zukunft und in eigener Interpretation ebenfalls nutzen zu wollen. Einmal mehr bedauerlich ist es, dass SAM nur auf den aktuellen Zen3-CPUs in Verbindung mit den B550- oder X570 Motherboards laufen kann, obwohl es technisch sicher auch anders und vor allem auch Generationen-übergreifender lösbar gewesen wäre. Das ist schade, aber es würde mich nicht wundern, wenn es hier noch einen gewissen Nachschlag aus Lisas Suppenkelle geben wird, wenn es um eine bessere Kundenbindung geht.

Die RX 6800 ist hier fast schon die interessantere Karte von den beiden Radeons, denn der mögliche Leistungszuwachs durch eine Übertaktung, die deutlich höhere Effizienz und letztendlich auch der Abstand zur GeForce RTX 3070 machen sie zu einer Art Einzelkämpferin, die aktuell ziemlich einsam ihre Kreise zieht, denn sowohl nach unten als auch nach oben ist genügen Luft und echte Gegenspieler sind Mangelware.

Zusammenfassung der Gaming Performance: DXR

Kommen wir nun zum Raytracing.  Um auf den Radeons zumindest Frameraten mit 60 FPS und besser zu erreichen, muss man die Auflösung oder die Qualität der Effekte enorm einschränken. Um aber auch optisch ein Urteil fällen zu können, sollte man es bei den Effekte nie zu niedrig einstellen. Genau deshalb habe ich auch nur in 1080p getestet. Hier vermisst man generell und sehr schmerzlich Dinge wie DLSS 2.0. die die Strahlen-Show hätten beschleunigen können. AMD ergeht es mit den RX6000er Karten gefühlt wie NVIDIA vor 2 Jahren mit Turing: schöner sterben im Spiel, dafür aber in Zeitlupe.

Ja, es geht durchaus auch mit DXR und wenn man die Settings nur weit genug reduziert, dann auch im spielbaren Bereich. Aber so richtig überzeugend ist es nicht, wenn dann selbst eine GeForce RTX 3070 ohne DLSS der RX 6800XT im Nacken sitzt. Ich habe bewusst ein altes Spiel, ein etwas neueres und ein ganz neues Spiel getestet – es war stets die gleiche Problematik. Ohne DLSS wird man derzeit mit Raytracing sogar bei NVIDIA nicht vollumfänglich glücklich, wenn man in WQHD oder sogar Ultra-HD spielen möchte. Mit den Radeon-Karten gehen diese Auflösungen nur noch im Schneckentempo.

Auch hier noch einmal alles in Prozenten mit der GeForce RTX 3070 als 100-Prozent-Marke. SAM kann hier erstaunlich gut helfen und es sind wiederum 5 Prozent mehr als ohne. Aber man liegt sogar in 1080p mit der RX 6800XT satte 20 und mehr Prozent hinter der RTX 3080 FE zurück. Da wird sich AMD noch einmal dransetzen müssen, denn wirklich performant ist das noch lange nicht.

Ich weiß nicht, ob es nur eine Täuschung der Sinne war, aber rein subjektiv hatte ich, vor allem in Metro Exodus (Kampagne) in geschlossenen, dunklen Räumen mit vielen kleinen Lichtquellen das Gefühl, dass beim DXR-Ergebnis der Radeon-Lösung etwas fehlte bzw. die Effekte etwas einfacher ausfielen. Auch manche Reflexionen und Schatten waren nicht völlig identisch, obwohl gerade die Funktion des Raytracings als solches dies eigentlich impliziert hätte. Ob überhaupt etwas und wenn doch, was genau fehlt, müsste man noch einmal im Detail testen, denn dafür blieb leider keine Zeit mehr.

Performance im Produktivbereich

Wer hier die passenden Tests vermisst, dem muss ich, bei aller Euphorie über die Gaming-Performance, erst einmal eine kleine Ernüchterung nachreichen. Ich war froh, dass mit dem dritten BIOS des Motherboards die Gaming-Tests auch mit SAM und UEFI-only stabil und fehlerfrei liefen. Dazu hatte ich ja bereits einen extra Artikel. Allerdings möchte ich hier nicht den Stab über zwei Karten brechen, die oft genug auch unter den noch nicht ganz perfekten Treibern leiden.

Render-Programme wie Luxrender leiden unter diversen Treiber-Bugs, der neue Encoder wollte in Adobe Premiere nicht so, wie ich wollte und auch die Echtzeit-Vorschau der Timeline war überwiegend enttäuschend. In Blender ist eine RTX 3070 mit OptiX Galaxien von der RX 6800 XT entfernt, die lediglich auf OpenCL setzt und es dort auch zu (sicher treiberbedingten) Problemen und Performanceeinbrüchen kam. Selbst mit CUDA ist die RTX 3070 noch schneller, was mich dazu veranlasst hat, auf bessere Treiber zu warten.

Zusammenfassung und Fazit

Abseits von der bereits erfolgten Bewertung der Performance bleibt ein sehr positiver Eindruck von der technischen Umsetzung der neuen Radeon-Karten im Referenzdesign. Eine sehr gut bestückte und designte Platine trifft hier auf einen sehr effizienten Chip, der die Überlegenheit der Fertigung bei TSMC einmal mehr belegt und sich zu behaupten weiß. Die Lastspitzen bei der Leistungsaufnahme sind bei den Radeons ein deutlich kleineres Problem und sollten auch einfachere Netzteile nicht vor unlösbare Probleme stellen. Dazu kommt das sympathische LC-Filter im Eingangsbereich, das man nicht genug loben kann.

Die Kühlperformance und die damit verbundene Geräuschentwicklung sind bei beiden Karten sehr gut bzw. gut.  Die größere RX 6800 XT agiert dabei sogar noch souveräner und leiser, während die Radeon RX 6800 mit einem etwas schwächeren Kühler im Dual-Slot-Design auskommen muss. Auch das wurde souverän gelöst, ist aber am Ende einen kleinen Tick lauter. Trotz allem ist das Jammern auf allerhöchstem Niveau und ich bin mir nicht sicher, ob alle Boardpartner-Lösungen das noch toppen können. Ich befürchte, vor allem bei der RX 6800 XT, eher Ausreißer nach unten.

Die Radeon RX 6800 XT mit einer UVP von 649 Euro  ist derzeit für Gamer eine gute und vor allem sparsamere Alternative zur GeForce RTX 3080, die sie zwar in der Summe nie wirklich überholen, mit SAM jedoch ordentlich ärgern kann. Das geht solange gut, bis DXR ins Spiel kommt. Auch das ist noch nutzbar, aber man muss mangels einer DLSS-Alternative und wegen der geringeren RT-Leistung schon deutliche Einschnitte akzeptieren. Wen das alles nicht berührt, weil er seine Prioritäten in der reinen Rasterization sieht, der kann hier bedenkenlos zugreifen, wenn es denn die Verfügbarkeit hergibt. Wegen der ganzen Unwägbarkeiten, auch beim Feature-Set vergebe ich für die RX 6800 XT keinen expliziten Kauftipp, wohl aber den Performance-Booster, denn diese Karte ist richtig schnell und dabei auch günstiger und effizienter als das Mitbewerberprodukt.

Die Radeon RX 6800 mit einer UVP von 579 Euro schreit geradezu nach einem Kauftipp, denn sie hat derzeit gar keine echte Gegenspielerin. Ob man die 70 Euro Aufpreis zur RX 6800 XT sparen möchte, muss jeder mit sich selbst ausmachen. Die GeForce RTX 3070 ist 80 Euro billiger, aber in der Summe eben auch langsamer, aber zumindest ähnlich effizient. Für Ultra-HD fehlt der Grafikkarte etwas die Puste, aber bis WQHD ist sie eine wirklich gute Wahl, solange man nicht damit arbeiten muss und auf die falschen Anwendungen setzt. Aber ich bin mir sicher, dass die Treiber noch nachgebessert werden.

Bleibt unterm Strich das Fazit, dass AMD endlich wieder aufgeschlossen hat. Das neue Selbstbewusstsein merkt man natürlich auch am Preis, aber das wird man schwerlich kritisieren können, denn alle Unternehmen sind den eigenen Investoren verpflichtet. Technisch gesehen, hat AMD also geliefert. Jetzt muss das mit dem Liefern nur noch im Laden ankommen. Das bleibt am Ende dann wohl auch die einzig wahre Unbekannte. Den Test haben wir ja detailliert schon zerpflückt, nun zählen nur noch Kaufobjekte in geforderter Stückzahl.

 

 

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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