Audio/Peripherie Headsets Kopfhörer Testberichte

[UPDATE] Audio-Roundup: Die besten Gaming-Headsets im Vergleichstest

Einführung und Lieferumfang

Die 50-Euro-Kompromiss-Klasse ist meist ein Fall für den Friedensrichter, denn für ein Billig-Headset, dem man alle Schwächen gern verzeiht, ist es schon deutlich zu teuer und Qualität darf man eben erst ab ca. 70 Euro aufwärts erwarten. Also weder Fisch, noch Fleisch?

Ohne vorab spoilern zu wollen: für ein echtes Filet-Feeling reicht das Gebotene natürlich nicht aus, denn Roccat ist nicht die Mutter Theresa der Hörgeschädigten. Aber es ist doch mehr als nur billiges Schweinehack, das vom Bäcker noch einmal ordentlich mit geschreddertem Bass-Mehl gestreckt wurde, um einen außergewöhnlichen akustischen Klops zu produzieren.

Roccat versucht erstmals den Spagat zwischen einem günstigen Stereo-Kopfhörer mit akzeptablen Klang- und Trageeigenschaften zu einem mit Sicherheit sehr akzeptablen Preis. Wir testen somit ein offenes System mit dem Anspruch, nicht nur eine dröhnende Gaming-Buschtrommel zu sein, sondern ein ordentliches Menü aus vielen Zutaten, bei dem man nur ab und an die Würzmischung dem Preisbeutel anpassen musste. Zaubern kann ja auch Roccat nicht, das steht schon unsichtbar auf der Rückseite des zu opfendern Fünfzigers geschrieben.

Der Lieferumfang ist zweckmäßig, denn da das Headset auf eine eigene Soundlösung verzichtet und per Klinke angesteckt werden muss, bleibt nur ein Adapter von den zwei 3,5mm-Klinkensteckern für Mikrofon und Kopfhörer auf eine Multiklinke auf der Wunschliste übrig. Und genau diesen Wunsch erfüllt Roccat dann auch, so dass PS4, XBox One und jegliche Arten von Mobildevices kein Thema sind,

Außer eine kurzen An- und Einleitung befindet sich dann in der Box neben dem Headset auch nur noch etwas chinesische Luft, was beim aufgerufenen Preis fast schon üppig wirkt.

Optik und Haptik

Eins mal vorweg: es ist ein augekochter, schlitzohriger Blender. Vieles, was nämlich auf den ersten Blick teuer und begehrenswert erscheint, entpuppt sich dann doch schnell als clever ausgewähltes Cost-Down-Surrogat aus der asiatischen Kunststoff-Küche. Wobei es genau dieser Winkelzug ist, der das Roccat Renga angenehm aus der Masse hervorhebt. Wie das möglich ist?

Der Materialmix sieht auf den ersten Blick fast schon perfekt aus, genauso wie das Design, das an deutlich teurere Headsets erinnert und oft sogar etwas filigraner wirkt. Die verwendeten PU-Materialien sehen nicht nur ansprechend aus, sie sind auch haptisch akzeptabel. Sogar das Kopfband erinnert erst einmal an ein Stück Leder, was es natürlich nicht ist. Aber es ist insgesamt clever gestylt und zusammengemixt, so das man fast schon Sympathie dafür empfinden kann, wie entspannt und phantasievoll man beim OEM mit den günstigen Materialien umgegangen ist.

Der einzige echte Wermutstropfen ist das billige und sehr starre Kabel mit einem Kunststoffmantel, der farblich zwar voll in die Corporate Identity von Roccat passt, aber leider auch stinkt wie die Pest und dem zudem die Flexibilität und Geschmeidgkeit eines deutschen Amtsvorstehers besitzt.

Tragekomfort

Das Konzept ist clever ausgedacht, denn man verzichtet auf den üblichen Bügel samt Größenverstellung, sondern nutzt das ewig junge Patent des sich selbst einstellenden Kopfbandes und lässt dabei den Spannbügel noch so beweglich, dass man bei den Ohrmuscheln auf die vertikale Achse für die Anpassung locker verzichten kann. Dafür ist das horzontale Klappgewerbe auf der Höhe der Zeit und befriedigt alle offenen Wünsche auch ohne deftigen Aufpreis.

Die Geschichte schiebt und biegt sich wie geschmiert, wobei sich die Kopfauflage aus Kunststoff tiefenentspannt der eigenen Kopfform anpasst und unterordnet. Leider ist dieses Headset dann genau deswegen auch auch nichts für Skinheads und alte Männer mit Testosteronüberschuss samt Folge-Haarkranz, denn man wird durch diese intensive und anschmiegsame Kontaktaufnahme zum Lederimitat recht schnell ins Schwitzen kommen.

Die großen Ohrpolster des offenen Systems passen auch über Segel- und Elefantenohren und schließen zudem auch dann noch angenehm ab. Brillenträger sollten damit einigermaßen klarkommen, auch wenn dann On-Ears besser geeignet sind, als solche ausgesprochenen Over-Ears. Das Schwitzen der Ohren beim akustischen Verkehr ist auch nach Stunden kein Thema, denn es bleibt stets genügend Belüftung zwischen Zudecke und Körperfläche.

Funktionalität und Anschluss

An der im Kabel eingebauten Kontrolleinheit befinden sich auf der einen Seite der Lautstärkeregler und auf der anderen ein kleiner Schalter fürs Mikrofon, wobei beides gern etwas größer und griffiger hätte ausfallen dürfen.

So wird das alles unnötigerweise etwas zu fummelig, lässt sich aber mit etwas Gewöhnung durchaus bedienen. Nur das halsstarrige und sperrige Kabel ist uns und sich selbst ständig im Weg.

Zu den besonderheiten des Headsets gehört die offene Bauweise. Wir sehen auf dem nachfolgenden Bild sehr gut die Lücke, die zwischen der eigentlichen Ohrmuschel samt Treiber und dem Ohpolster gelassen wurde. Damit sind auch Neben- und Umgebungsgeräusche jederzeit noch gut wahrnehmbar und man schließt sich mit diesem Headset auch nicht akustisch wie Diogenes in der Tonne völlig von seiner Umwelt ab. Der Ruf zum Abendbrot wird für Klein-Kevin somit also auch nicht ungehört in der Pampas verhallen, womit auch die Nahrungsgrundversorgung stets sichergestellt sein dürfte.

Man kann eine solche Interpretation natürlich für sich selbst lieben oder hassen, für den Nachbarn im öffentlichen Nahverkehr ist es eine offene Kriegserklärung. Immerhin hört er fast 1:1 das mit, was man sich selbst auf das Hirn ballert, allerdings dann auch (fast) ohne aktive Eingreifmöglichkeit.

Mikrofon

Das Mikrofon mit Kugelcharakteristik sitzt in einem umklapparen, jedoch komplett starren Mikrofonarm. Der Pegel ist relativ niedrig, so dass man schon ziemlich laut in den virtuellen Wald hineinschreien muss, damit als Reaktion wenigstens etwas von den Gesprächspartnern wieder heraus schallt. Aktuelle Mainboards besitzen jedoch die Möglichkeit, in den Einstellungen für die Aufnahmequelle die Mikrofonverstärkung heraufzusetzen bzw. die Empfindlichkeit fast zu verdoppeln.

Nutzt man diese Option, klingt der Schallwandler dann auch recht ordentlich, zumal es auch bei elektrischer Pegelanhebung im PC (siehe oben) kaum merklich rauscht. Die Sprache bleibt gut verständlich, jedoch muss man aus Preisgründen auf einen echten Low-Cut als Rumpelfilter genauso verzichten, wie auf einen Kompressor oder Clipper.

Messungen und Sound-Check

Jetzt geht’s ans Eingemachte, denn was nutzen einem Optik und Tragekomfort, wenn allein schon der Sound die Milben aus dem Klangteppich jagt? Auch die Messkurve kann nicht verbergen, dass man versucht hat, durch Bässe besser auzusehen, als es der Notenspiegel eigentlich hergibt. Zur Ehrenrettung muss man jedoch anmerken, dass der Hügel bei 100 Hz an den Hängen nur sanft abfällt, so dass auch eine akustische Bergabfahrt nicht zur blinden Schussfahrt in den tonalen Abgrund wird.

Sicher, auch Roccat füllt die Badeanne nur halbvoll und planscht zudem etwas schaumig in den oberen Mitten und den Höhen. Aber die Ohren bleiben trotzdem trocken, immerhin. Vergessen wir nicht, dass wir es hier mit einem akustischen 50-Euro-Care-Paket zu tun haben und nicht mit einem hochpreisigen und fein scheiblierten Stereo-Schinken.

Kommen wir nun zum subjektiven Hörtest, der für ein Headset in dieser Preisklasse unerwartet angenehm ausfiel, jedoch auch knallhart klar macht, das eine Goldauflage noch lange keinen Echtschmuck ersetzt. Doch immer schön der Reihe nach, beschreiben wir zunächst die einzelnen Gänge unseres Testmenüs.

Als Appetitanreger und Vorspeise hat Roccat auf den Bass gesetzt, der als echter Tiefbass jedoch kaum zur Geltung kommt. Die sehr oberbasslastige Abstimmung täuscht zwar dem unbedarften Konsumenten erst einmal Tiefgang vor, bietet aber kaum Wahrnehmung in der Subkontraoktave. Hier kann man auch von außen nicht mit dem Equalizer helfend eingreifen, denn dafür fehlt einfach die Pegelfestigkeit des recht kurzhubigen, sehr flachen 50mm-Treibers. Zusätzlich erschwerend ist dabei auch die offene Bauweise, weil der Tiefbass, der sich aus den kleinen Ohrmuscheln als Resonanzkörper noch ergibt, fast gleich schon wieder akustisch kurzgeschlossen wird.

Trotzdem ist das, was dann noch übrig bleibt, nicht einmal schlecht und zeigt auch, dass ein etwas leistungsstärkerer Treiber noch deutlich besser zur offenen Bauweise gepasst hätte. Der jugendliche Musikliebhaber, für den übesatte Drums und akustische Bombenkrater exlodierender Spieleinhalte zum wahren Lebensinhalt gehören, wird enttäuscht die Scheidung einreichen, der Sniper und Schleicher hingegen lustvoll ein Ja hauchen. Die räumliche Auflösung samt Gegenerortung bleibt nämlich selbst im schrammeligsten Getöse noch einigermaßen auf der Höhe der Zeit, wenn man es mit dem Gesamtpegel nicht übertreibt.

Dieses Feeling zieht sich dann auch durch des Zwischenmenü von den unteren bis zu den hohen Mitten, wobei man eigentlich nie wirklich weiß, ob es nun ein flacher oder ein hochwandiger Suppenteller ist. Die Mitten sind leicht unterpräsent, jedoch immer so weit anwesend, dass die Grundtonfrequenzen fast aller Instrumente und Stimmen noch souverän abgebildet werden. Die Klangfarbe bleibt also stets einigermaßen natürlich. Das betrifft im Weiteren auch die Klangfülle im etwas höheren Bereich, die dem Wiedererkennungswert gut entgegen kommt und das Ganze nie ins Groteske abgleiten lässt, wie so manch anderes Headset dieser Preisklasse.

Das Dessert aus Hoch- und Superhochton ist Durchschnitt, wobei die Überbetonung bei ca. sechs Kilohertz die Sibilanten etwas spitz und so manches Instrument auch fast schon etwas zu metallisch klingen lässt. Fürs Gaming spielt dies am Ende eher keine Rolle und nur der Fan von opulenten Barock-Orgien wird etwas stöhnen. Die Delle bei ca. neun Kilohertz wird nur der geschulte Musikgenießer wirklich wahrnehmen, auch wenn sie eigentlich eklig ist, weil so mancher Streicher oder Bläser etwas von seiner Hochtonbrillanz einbüßt. Eine Bach-Trompete leidet wie Eis in Dubai mittags um 12 Uhr, aber so etwas kann man von einem 50-Euro-Headset auch nicht erwarten. Schlagschaum statt Schlagsahne, aber wenigstens ist das Tonobst darunter frisch und nicht zu stark überzuckert.

Am Ende bleibt beim Hörtest das positive Gefühl, dass man wirklich bestrebt war, einen einigermaßen neutralen und ausgewogenen Klang hinzubekommen, der sich dem Media-Markt-Mainstream nur mäßig anpasst und unterordnet, trotzdem aber unter den auferlegten Sparzwängen etwas leiden muss. Der Spagat tut sicher in jeder Faser weh, aber mehr geht offensichtlich auch finanziell nicht, ohne sich selbst kaufmännisch zu verheben.

Fazit

Wie kann ein Headset für knapp 50 Euro einen Kauftipp ergattern? Trotz leichter Schwächen bei Klang, Pegelfestigkeit und Mikrofonempfindlichkeit ist es in der Gesamtsumme für diesen Preis fast schon ein Schnäppchen. Wer noch mehr erwartet, wird etwas höher einsteigen müssen, aber das Roccat Renga bietet für den aktuellen Preis nun mal mehr mehr, als man eigentlich hätte erwarten können.

Sicher, die Sparzwänge verfolgen einen auf Schritt und Tritt und man merkt es auch haptisch am starren Kabel oder den etwas zu leisen Treibern. Trotzdem ist das Paket rundherum empfehlenswert, wenn man noch nicht ganz taub geworden ist bzw. das unbedingt werden möchte.

Es ist kein Bassbooster, auch wenn Roccat etwas zu euphorisch damit wirbt. Nein, es kann dies auch nicht sein, denn für eine offene Bauweise, die man allerdings mögen muss, fehlt einfach die gewisse Leistungsreserve. Aber es klingt weitgehend natürlich und man hört selbst im größten Getümmel noch Nuancen, die bei anderen Headsets im Bassgewummer hilflos untergehen und im Klangmatsch schlicht ersaufen.

Was besonders gefiel, sind die erstaunlich gute räumliche Ortung und natürlich der recht problemfreie Sitz des Fliegengewichts, das auch bei größeren Köpfen immer souverän bleibt. Somit gibt es den Kauftipp auch fürs Gesamtpaket und den geringen Preis. Ganz knapp erreicht, aber trotz allem durchaus verdient.

Technische Daten und Verfügbarkeit

Abschließend noch die technischen Daten in der obligatorischen Tabellenform.

 

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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