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[UPDATE] Audio-Roundup: Die besten Gaming-Headsets im Vergleichstest

Einführung und Lieferumfang

Namen sind Schall und Rauch? Zumindest beim Razer ManO’War könnte man bereits an dieser Stelle als Autor glatt verzweifeln, denn diese Schreibweise ist dermaßen suchmaschinenunfreundlich, dass selbst Razer ab und an die gemäßigtere Variante Manowar bevorzugt, vor allem beim Support.

Nachdem das mit dem Namensregister nun geklärt ist, kommen wir zum Eingemachten. Denn wenn wir wirklich ehrlich sein sollen: Das Razer Kraken war nicht gerade die oberste Stufe der akustischen Evolution.

Mit dem ManO’War geht Razer nun in die Vollen: Man entert nicht mal die 200-Euro-Klasse, sondern verzichtet auch noch galant auf Kabel.

Das „Wireless“ gilt natürlich nur für den normalen Betrieb, denn aufladen muss man die in den Muscheln verbauten Akkus ja trotzdem noch. Dafür liegt ein Ladekabel mit mini-USB-Stecker für den Anschluss des Headsets am PC bei. Außerdem findet man im Lieferumfang eine USB-Dockingstation („Extender“), mit der man entweder die Reichweite des Headsets erhöht, indem man den Dongle an sie ansteckt und nicht hinten am Computer, oder eben den Ladevorgang vereinfacht.

Abgesehen von Headset, Kabel und Extender darf sich der Käufer noch über einen Quick-Start-Guide und ein Handbuch freuen. Eine kleine Tragetasche, die in der 200-Euro-Klasse eigentlich selbstverständlich sein sollte, sucht man hier allerdings vergeblich.

Optik und Haptik

Das Headset kommt zwar als optische Kunststoff-Orgie zum Kunden, jedoch merkt man schnell, dass Razer zumindest optisch versucht hat, aus der Not noch irgendwie eine Tugend zu machen: Die überwiegend matte, durchgängig schwarze Oberflächenstruktur, die auch Fingerabdrücke verzeiht, wird durch einige wenige Klavierlackimitationen und vereinzelte Metallkomponenten aufgelockert, die ebenfalls matt-schwarz gehalten wurden. Der Rest ist leider nur sehr günstiges PU-Lederimitat.

Haptisch geht das einigermaßen in Ordnung, obwohl man in dieser Preisklasse bereits ganz andere Kaliber in Sachen Materialienauswahl erwarten kann (und bekommt) – zumindest, solange nicht „Gaming“ auf der Verpackung steht. Über die Haltbarkeit von solchen Kunststoffgerüsten kann man zwar trefflich spekulieren, jedoch sehen wir gerade beim Bügel vier mögliche Sollbruchstellen bei der Befestigung der Polsterung (Bild unten links).

Tragekomfort

Egal, wie groß der Kopfumfang oder ausgefallen die Kopfform auch ausfallen – das Headset sitzt bombenfest. Aber so gut, wie die weichen und großen Over-Ear-Ohrpolster abschließen, so gut funktioniert leider auch der subtropische Mikrokosmos in dieser kleinen Ohrmuschel-Sauna. Da kommt es gelegen, dass man die mit drei Zapfen arretierte Polsterung wenigstens sehr einfach abnehmen und auch mal abwischen bzw. abspülen kann.

Die Polster aus Kunstleder sind extrem weich und der verarbeitete Schaumstoff im Inneren passt sich der Anatomie des Trägers weitgehend an. Inwieweit das PU-Lederimitat dabei langzeitstabil und vor allem auch ohne Risse bleibt (Stichwort Weichmacher), können wir natürlich nicht abschätzen.

Die Mechanik des Headsets ist erst einmal gewöhnungsbedürftig, denn die etwas hibbelige Lösung kann beim Halten an nur einer Seite ab und zu eine gewisse unerwartete Eigendynamik entwickeln. Der Vorteil dieser ausgewachsenen Zwei-Achsen-Gelenkpuppe erschließt sich jedoch spätestens bei der Anpassung an die eigene Kopfform, denn dann sitzt das Teil recht schnell wie angegossen.

Das Gewicht für das kabellose Headset fällt mit gemessenen 374 Gramm recht happig aus, was man mit der Zeit beim Tragen auch merkt. Für Feingeister mit hypersensibler und untertrainierter Nackenmuskulatur ist das ManO’War also definitiv nichts.

Konnektivität

Das Funkmodul des Headsets arbeitet bedauerlicherweise noch im überfrachteten 2,4-GHz-Frequenzband – moderne Media-Extender nutzen dagegen mittlerweile alle das 5-GHz-Band. Ein Grund könnte darin zu suchen sein, dass Razer offenbar auf modifizierte Bluetooth-Technik setzt, die zwar vieles günstiger und einfacher, jedoch nicht unbedingt sorgenfreier macht.

Die angegebene Reichweite wird in Räumlichkeiten mit Mobilfunkgeräten, mehreren WLAN-Netzwerken mit ordentlicher Feldstärke und anderen Funkquellen nämlich deutlich unterschritten. Wir vermerken, dass es nach bereits sechs bis sieben Metern zu Aussetzern und Abbrüchen kommt – ganz egal, ob man den Extender nutzt oder nicht.

Der zweite Punkt ist die Positionierung des Dongles mit der Aufbewahrung in der Ohrmuschel. Das ist gut an- und ausgedacht, jedoch bei Hilfe und Quick Start Guide grafisch und textlich miserabel umgesetzt. Nicht umsonst taucht die Frage nach dem „fehlenden“ Dongle in den Online-FAQ Razers bereits an zweiter Stelle der Hitliste häufig gestellter Fragen auf.

Neben dem Dongle findet sich in der rechten Ohrmuschel noch der stufenlose Lautstärkeregler, dessen taktiles Feedback aber nicht mit der tatsächlichen Regelung übereinstimmt und der zudem etwas hakelig ist. Gut ist die Kombination mit einem Mute-Taster, der den Ton auf Druck aus- bzw. einschaltet.

Eine ähnliche und nicht minder hakelige Lösung ist in der linken Ohrmuschel fürs Mikrofon integriert – gut gemeint, aber leider haptisch nicht optimal umgesetzt. Neben dem Regler findet man auf dieser Seite noch die Mini-USB-Ladebuchse sowie den Ein-/Aus-Taster nebst Status-LED. Gleich daneben ist der herausziehbare Mikrofonhals positioniert.

Mikrofon

Das einfache Elektret-Mikrofon mit Kugelcharakteristik besitzt keinen Pop-Schutz und sitzt auf einem recht kurzen, herausziehbaren Schwanenhals, der zumindest bedingt flexibel ist. Die Anpassung an die eigene Anatomie ist trotzdem schnell erledigt, auch wenn der Abstand zum Mund recht groß ausfällt, was der Umgebung samt deren Geräuschen etwas mehr Einfluß gestattet.

Der Low-Cut bei etwa 100 Hz funktioniert, so dass das Rumpeln von Wind- und Ausblasgeräuschen kaum ein Thema sein dürfte. Ein echtes, aktives Noise-Cancelling sucht man hier allerdings vergebens, was aufgrund des hohen Preises eigentlich unverständlich ist.

Treiber

Über den mit Razer Synapse verbundenen Online- und Registrierungszwang haben nicht nur wir bereits an anderer Stelle genügend geschrieben. Dass uns diese Zwangsheirat nicht passt, sollte hinlänglich bekannt sein – auch wenn wir Synapse schon mal für den damit verbundenen Komfortaspekt gelobt haben.

Trotzdem stecken in der Software noch technische Unzulänglichkeiten wie beispielsweise ein unzureichend aufgesplitteter Equalizer, über den gleich noch zu schreiben sein wird. Und warum die Treiber-Installtion selbst auf einem High-End-PC mit 200 MBit/s schnellem Kabelanschluss noch fast drei Minuten dauern muss, ist kaum noch nachvollziehbar.

Die gute Nachricht: Der Sound funktioniert aber auch ohne Treiber-Installtion, sobald der Dongle eingesteckt wurde. Dann hat man zwar „nur“ normales 2.0-Stereo, aber auf virtuelle 7.1-Simulationen kann man ja notfalls durchaus auch komplett verzichten. Warum das so ist, haben wir in unserem Grundlagenartikel Mythos Gaming-Headset: Reines Marketing-Blabla oder echter Vorteil beim Spielen? ausfühlich geschildert.

Messungen und Sound-Check

Messen und hören wir nun, was uns Razer mit dem ManO’War stolz und selbstbewusst präsentiert hat. Der erste Blick auf das Messergebnis aus unserem Audiolabor zeigt (natürlich) die obligatorische Badewanne, die man erneut als Verbeugung vor dem Mainstream-Kunden macht. Immerhin geschieht es diesmal etwas überlegter und ohne den unnötigen tiefen Kniefall im Bereich der unteren Mitten.

Im Ergebnis spielt das Headset etwas breitbandiger auf – also eher eine Art akustisches Planschbecken statt enger Badewanne. Trotz allem findet man an den Rändern wieder die übliche ordentliche Anhebung, die vor allem im Bassbereich etwas zu heftig ausfällt, jedoch bei 50 bis 60 Hz noch tief genug liegt, um allzu pappige Oberbässe gekonnt zu umschiffen.

Allerdings ist es gerade diese Überpräsenz, die beispielsweise die große Basstrommel beim Musikhören zum gehassten Megablaster werden lässt, hinter dem alles andere neidisch verblasst. Beim Gaming ist dieses Abstimmung übrigens noch nicht einmal übel ausgedacht, denn das recht pegelfeste Headset besitzt ein akzeptables Einschwingverhalten, welches vieles tolerierbar macht. Hier würden wir den Begriff „Gaming-Headset“ sogar positiv besetzen wollen, denn das Spielen macht mit diesem Headset durchaus Spaß.

Wobei wir an genau dieser Stelle noch einmal auf Synapse und den dort integrierten Equalizer zurückkommen müssen: Zum einen ist der tiefste Regler bei viel zu hohen 125 Hz positioniert, was reichlich unverständlich ist, denn selbst ein einfacher Realtek-Chip lässt sich übers DSP bei 32 und 64 Hz noch recht gut regeln. Andererseits liegt das Maximum / Minimum der Kurve bei der Regelung in der Praxis meilenweit neben dem, was der Regler als Beschriftung trägt.

Die Programmierer von Synapse haben definitiv keine eigenen Hörerfahrungen sammeln können, denn die hinterlegten Soundprofile wie Classic oder Jazz offenbaren die Unkundigkeit geradezu frappierend.

Während wir fast alle „Gemeinheiten“ des vorgegeben Soundings trotz der geringen Fähigkeiten des EQ recht gut kompensieren konnten (was eindeutig für das Headset an sich spricht), ist es im Keller wirklich dunkel: Bei 50 Hz bleibt der „Mount Bass“ stehen wie der sprichwörtliche Fels in der akustischen Brandung, wobei steter Ton diesen Stein leider nicht höhlen kann. Nur die einsetzende Gleichgültigkeit nach ein paar Stunden Zwangsbeschallung lindert etwas den Druck bei der gar zu basslastigen Musikwiedergabe.

Über den restlichen Verlauf kann man kaum Negatives schreiben, denn neben der erstaunlich guten Klangneutralität oberhalb von 250 Hz kann das Razer ManO’War vor allem mit einer fast schon filigranen und sehr differenzierten Wiedergabe von Stimmen und Instrumenten aber auch der breitbandigeren Gaming-Geräusche punkten.

Die Überbetonung der Höhen bei sechs bis acht Kilohertz ist Geschmackssache, da uns die Sibilanten bereits etwas zu überbetont scheinen. Es klingt jedoch nicht metallisch, deckt aber schonungslos die (oft fehlende) Qualität von schlechteren MP3-Dateien auf. Hier werden selbst Ungeübte die Einschränkungen niedrigerer Komprimierungsraten wahrnehmen – und auch das spricht eher für als gegen das Headset.

Die Ortung und Auflösung sind für ein Gaming-Headset überdurchschnittlich gut. Die Latenzen sind ebenfalls akzeptabel, was bei Wireless-Headsets nicht selbstverständlich ist. Klanglich kann man mit dem MonO’War also durchaus leben, wenn man bereit ist, fürs gute Gaming-Feeling einige Abstriche bei der Musikwiedergabe zu machen.

Der einzige wirkliche Kritikpunkt ist das hörbare Grundrauschen, das man auch bei zugedrehtem Lautstärkeregler wahrnehmen kann. Das ist weder zeitgemäß noch der angepeilten Preisklasse angemessen.

Fazit

Auch wenn wir im Test einiges kritisiert haben – unterm Strich ist das ManO’War ein brauchbares Gaming-Headset, mit dem man auch Musik hören kann, wenn man auf fetten Bass steht.

Der Funkteil leistet seinen Beitrag zur großen Freiheit, auch wenn es für größere Entfernungen nicht ganz reicht – Kreisstadt statt Weltreise also, aber immerhin.

Unser Fazit fällt überwiegend positiv aus, wobei es für einen echten Kauftipp nicht ganz gereicht hat. Einerseits ist da die Software samt störender Zwangsregistrierung, die in eingen Bereichen nicht hält, was man für 200 Euro eigentlich erwartet.

Andererseits ist es vor allem die Materialwahl (und die daraus resultierende zu geringe Langzeithaltbarkeit), die uns in dieser Preisklasse schon etwas ratlos zurücklässt.

Das Razer ManO’War ist kein schlechtes Produkt, im Gegenteil. Aber bei 180 Euro Straßenpreis würde wohl so mancher Leser lieber zu einem guten HiFi-Kopfhörer greifen, der zwar am Kabel hängt, dann aber auch Jahrzente halten (und repariert werden) kann.

Technische Daten und Verfügbarkeit

Abschließend fassen wir noch die technischen Daten in einer Tabelle zusammen. Der Straßenpreis liegt übrigens mittlerweile deutlich unter der UVP.

 

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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