Disassembilierung und Teardown
Das Disassemblieren gehört nun einmal zu einem objektiven Review dazu und ohne diese Aktion und die darauf folgende Platinen- sowie Kühleranalyse kommt man leider nie so recht zum Ziel. Genau aus diesem Grund habe ich mir natürlich Mühe gegeben, um die Karte nach der Analyse auch wieder originalgetreu zusammenzusetzen. Vor allem die Materialanalyse ist durchaus interessant (nächste Seite). Und die Schaltung muss man ja auch erklären, denn das tun leider die wenigsten. Die Platine von SHEN NAN CIRCUITS CORP LTD ist in Bezug auf die Spannungswandler-Topologie sehr ähnlich zur Referenz-Platine der RX 7800XT, auch wenn es stellenweise und bauartbedingt größere Umpositionierungen gab.
PCB-Layout und Komponenten
Kommen wir deshalb direkt zur Platinenanalyse. Und genau hier muss und will ich Euch noch ein paar Details mit auf den Weg geben, die bei AMD grundsätzlich anders gelöst sind als bei NVIDIA. Phasen zählen kann jeder (oder glaubt es zumindest), aber das führt hier sogar ein wenig in die Irre. Denn AMD nutzt für die Erzeugung der fünf (!) wichtigsten Spannungen gleich drei teure Dual-Rail PWM-Controller und passend dazu auch echte Smart Power Stages (SPS), die die fließenden Ströme (IMON) und Temperaturen (TMON) in Echtzeit zurückmelden können. Da freut sich die Telemetrie, denn AMD geht nicht NVIDIAs einfachen Weg mit den Shunts zur Überwachung des Leistungslimits der gesamten Karte einschließlich aller Verluste VOR den Spannungswandlern (Primärseite), sondern kontrolliert die ganzen Ströme einzeln direkt NACH der Spannungswandlung.
Da immer wieder Fragen gestellt wurden, welche Spannungen das im Einzelnen sind, erkläre ich die unbekannteren Spannungen heute einmal. Das Akronym „VDD“ steht hierbei für „Voltage Drain-Drain“, was aus der MOSFET-Terminologie stammt, und es dient als Bezeichnung für die Versorgungsspannung. Dieser Term wird jetzt immer wieder auftauchen, deshalb erkläre ich das besser gleich vorab. Und nun gehen wir kurz ins Detail der „Magischen Fünf“.
Die Spannungsversorgung setzt natürlich auf VDDCR_GFX (also das Äquivalent zu NVIDIAs NVVDD) als größten Posten für die GPU. AMD verwendet hier nur sechs Phasen, die jeweils einen einzelnen SPS (Spannungsregler) ansteuern. Die Platine gäbe mehr Phasen her, aber man setzt mit dem Infineon XDPE192838 auf Controller, der deutlich mehr Phasen bedienen könnte und mit AMDs SVI2 Interface kommunizieren kann. Es handelt sich um einen digitalen, mehrphasigen Controller, der primär die Stromversorgung für PWM-VID-Kern bereitstellt und der außerdem mit der AVSBus-Schnittstelle kompatibel ist. Zudem kann er mit den Smart Power Stages (SPS) von Infineon zusammenarbeiten, um die Mehrphasen-Spannungsreglerlösung (VR) mit einem Minimum an externen Komponenten zu realisieren. Deshalb nutzt man dafür die PMC41420 vom gleichen Hersteller als Smart Power Stages (SPS).
Ein weiterer PWM-Controller des gleichen Typs steuert eine Phase für VDD_SOC und eine für VDD_USR. VDD_SOC schreibt die Versorgungsspannungsebene, die den System-on-Chip antreibt. Diese Spannungsebene ist wichtig für die Funktionsweise des SoC und muss genau spezifiziert und geregelt werden, um sicherzustellen, dass der Chip ordnungsgemäß funktioniert. Noch geheimnisvoller ist jedoch VDD_USR. Das USR steht dabei für Ultra-Short Reach und eigentlich müsste es USR_PHY heißen. Denn hier geht es um eine Spannung für die Inter-Die-Communication und PHY steht dabei für den physikalischen Layer (Physical Layer) eines Verbindungsprotokolls. Oder kurz gesagt, die MCM-Komponenten des Chiplet-Designs wollen und müssen ja auch untereinander auch Daten austauschen.
Unterhalb des PWM-Controllers für VDDCR_GFX liegt der PWM Controller für Spannungsversorgung des Speichers VDD_MEM und VDDCI_MEM. Hier hätte (wie auch bei VDD_USR und VDD_SOC) auch ein günstigeres Modell gereicht, aber man packt auch den großen Controller drauf. VDDCI_MEM ist leistungsmäßig zwar kein großer Posten, aber enorm wichtig. Sie dient dem GPU-internen Pegelübergang zwischen dem GPU- und dem Speichersignal, quasi so etwas wie die Spannung zwischen dem Speicher und dem GPU-Kern auf dem I/O-Bus.
Darüber hinaus erzeugt man weitere Kleinspannungen Der Großteil dieser sehr ähnlich ausgeführten Spannungswandler befindet sich auf der Frontseite der Platine. Außerdem existiert auch noch eine 1,8V-Source (TTL, GPU GPIO), VDD_13 (Aux) und ein Ultra-Low-Dropout-Chip erzeugt die sehr geringe Spannung für den PLL-Bereich (VPP). Alle verwendeten Power Stages, auch die für den Speicher, sind ebenfalls wieder die gleichen Produkte von Infineon. Der überall verwendete PMC41420 ist eine sehr leistungsfähige monolithische Halbbrücke und die Integration von Treibern und MOSFETs (DrMOS) führt zu einem hohen Wirkungsgrad aufgrund einer optimalen Totzeit und einer Reduzierung der parasitären Induktivität.
Package und Wärmeleitpad
Hier kommen wir nun zu einer Besonderheit und ja, AMD lernt weiter. Man benutzt eine komplett neue Art eines Wärmeleitpads und ich vermute hier, auch anhand der Materialanalyse, einmal Graphan statt des üblichen Graphens. Für Graphan statt Graphen spricht, dass man das Pad ziemlich sorgenfrei auch über SMD-Bauelemente gelegt hat, denn die reinen Graphit- oder Graphen-Pads sind elektrisch leitend. Also muss es die Materialanalyse richten. Wir sehen aber auch, dass es sich trotzdem auch um eine Art Phasenwechsel-Pad mit Burn-In handelt.
Graphan, ein Werkstoff, der eng mit Graphen verwandelt ist, kann durch die Interaktion mit atomarem Wasserstoff erzeugt werden. Dieser atomare Wasserstoff wird mittels einer elektrischen Entladung in einem Wasserstoff-Argon-Gemisch produziert. In diesem Prozess wird jedes Kohlenstoffatom des Graphens mit einem Wasserstoffatom verbunden, wodurch Graphan entsteht. Die resultierende Bindungsstruktur von Graphan ähnelt der sesselförmigen Struktur von Cyclohexan. Interessanterweise verändert diese Wasserstoffbindung die elektronischen Eigenschaften des ursprünglichen Materials grundlegend. Während Graphen ein hervorragender elektrischer Leiter ist, wird Graphan zu einem elektrischen Isolator. Diese Eigenschaft macht Graphan besonders interessant für Anwendungen in der Elektronik, beispielsweise in der Entwicklung von Transistoren und Sensoren, oder aber für elektrisch isolierende Wärmeleitpads.
Und weil wir gerade so schön am Analysieren sind, gibt es den Kühler auf der nächsten Seite gleich noch mit dazu.
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