Teardown: Satellit
Schrauben wir zunächst den aktiven, rechten Satelliten auf und wagen einen Blick ins Innere. Mit Schrauben hat Edifier übrigens nicht gegeizt. Der recht sauber zusammengeleimte MDF-Korpus mit seinen 10 mm Seitenwandstärke ist stabil genug, denn es ist weder eine große Box, noch muss sie sehr viel Druck aushalten.
Im Inneren ist relativ viel Platz, was auch an den kleinen Lautsprechern liegt. Während die Öffnung des Tweeters sauber ausgeschnitten wurde, löst sich beim Mitteltöner die Spanplatte bereits umlaufend ab. Ich bin mir allerdings sicher, dass ich hier eine Ausnahme erwischt habe, denn die linke Box war in Ordnung. Trotzdem muss so etwas bei der QC auffallen und hätte gar nicht erst mit Technik bestückt werden dürfen.
Wir sehen auch, dass Edifier auf eine echte Frequenzweiche verzichtet, sondern nur mit einem einfachen Längskondensator arbeitet, der die tiefen Frequenzen von Hochtöner fernhält. Da eine Spule zum Blocken der hohen Frequenzen am Mitteltöner fehlt, dürfte hier so Einiges an Leistung im Hochtonbereich verloren gehen. Unschön, denn es findet kein echter Übergang statt. Über dem Tweeter sehen wir übrigens das Ende des Bassreflexrohres und dort dahinter die Platine der drei Taster auf der Oberseite. Vorn links ist der Empfänger der IR-Fernbedienung platziert.
Das Panel trägt ein ausreichend bemessenes Schaltnetzteil und eine Einplatinen-Lösung für alle Baugruppen. Edifier setzt für die Steuerung auf einen STM32F103 Mikrocontroller mit Cortex-M3-Kern und einer maximalen CPU-Geschwindigkeit von 72 MHz, Flash-Speicher, USB-Full-Speed-Schnittstelle und CAN. Das PCB trägt zudem zwei Funkmodule. Links das 2,4-GHz-Bluetooth-Modul mit der Antenne auf dem PCB und halbrechts aufgesetzt das 5.8-GHz-Modul für den Subwoofer, ebenfalls mit integrierter Antenne.
Der verbaute PCM9211 ist ein komplettes analoges und digitales Frontend für moderne Multimedia-Player, Soundbars und Recorder. Er integriert einen Stereo-ADC, einen S/PDIF-Transceiver mit bis zu 12 gemultiplexten Eingängen und drei PCM-Eingänge, damit andere Audioempfänger gemultiplext werden können, sowie die analogen und S/PDIF-Signale an einen digitalen Signalprozessor (DSP). Der Chip für die Endstufe ist dummerweise komplett mit Kleber überzogen, was absolut unsinnig ist. Auch wenn es ein Versehen sein dürfte, thermisch ist so etwas eigentlich der Super-GAU. Ich habe es vorsichtig nach und nach abgekratzt.
Es handelt sich hierbei um einen 2-Kanal-Verstärker von Texas Instruments in einem DKD Package in Form des gern genutzten TAS5805. Das ist ein recht effizienter, digitaler Class-D Stereo-Leistungsverstärker mit 23 Watt RMS max. pro Kanal und vielen Zusatzfunktionen. Er bietet einen unabhängigen Kanallautstärkeregler mit einem 24-dB- bis -100-dB-Bereich, eine sanfte Stummschaltung (50% Tastverhältnis), eine programmierbare Dynamikbereichskontrolle, 16 anpassbare Biquads für den Lautsprecher-EQ, sieben Biquads für den linken und rechten Kanal sowie zwei Biquads für den Subwoofer-Kanal.
Doch wenn der Chip das alles hergibt, warum hat man dann keine Soundprofile oder Klangregler implementiert? Regeln lässt sich beim M601DB nämlich überhaupt nichts außer der Lautstärke. Die reine Sinusleistung der Satelliten des M601DB würde ich nach einer ersten Messung mit ehrlichen 15 Watt pro Kanal bewerten, was gerade noch angemessen, aber nicht wirklich viel ist.
Doch auch der Subwoofer ist interessant und so habe ich mir wie immer auch hier den Weg ins Innere gebahnt. Diesmal waren es Torx-Schrauben, aber so etwas hindert mich natürlich nicht. Hinter etwas Alibi-Schaumstoff sitzt der Tieftöner. Extrem viel Hub besitzt er nicht, aber es reicht durchaus für etwas Druck in kleineren bis mittleren Räumen (ca. 25 m²). Man sieht auch die Stabilisierung der Kanten durch aufgeleimte Klötze.
Unterstützt wird das Ganze durch eine seitlich positionierte Bassreflexröhre. Hier hat Edifier die maximal mögliche Länge fast komplett ausgenutzt. Man sieht am Querschnitt der Rückwand, dass die sehr feinporigen MDF-Platten ausreichend dick und stabil sind.
Die Platine verbirgt keine Geheimnisse. Wir sehen an exponierter Stelle das aufgeklebte 5,8-GHz-Funkmodul sowie mittig den Verstärker-Schaltkreis. Edifier setzt hier auf den TAS5754 von Texas Instruments. Der Class-D-Verstärker wird als Mono-Endstufe in Brückenschaltung betrieben, wobei ich die ausgewiesenen 70 Watt RMS etwas anzweifeln möchte. Mal abgesehen davon, dass der Chip nur für 61 Watt Mono spezifiziert ist, messe ich mit viel gutem Willen verzerrungsfreie 50 Watt Sinus bei 1 KHz.
Das ist natürlich für diese Kombination noch völlig ausreichend und harmoniert auch mit den beiden Stereo-Satelliten recht gut. Aber auch die 50 Watt Output müssen kühltechnisch gemeistert werden. Das muss dann ein separater Kühlkörper auf der Rückseite zwischen der Platine und dem Schaltnetzteil lösen. Richtig heiß wird das alles nicht, maximal ordentlich warm.
Zwischenfazit
Trotz meiner technischen Einwände und der doch deutlich niedrigeren Ausgangsleistung muss man so fair bleiben und das alles stets in die richtige Relation zum Preis setzen. Ein solches System für aktuell unter 200 Euro anzubieten ist angemessen und fast schon so etwas wie eine freundliche Einladung, stets ein Auge zuzudrücken. Der Preis fordert nun einmal harte Kompromisse und allein zwei ordentliche Frequenzweichen hätte man dann nicht mehr verlustfrei einpreisen können. Diskrete Bauteile kosten, im Verhältnis gesehen, einfach zu viel. Eine aktive Trennung in Mitten- und Hochtonkanal hätte dann ein anderes Verbindungskabel zu passiven Box erfordert. Auch das sind leider extreme Kostentreiber. Wobei mir das dünne Kabel mit Cinch-Stecker natürlich auch widerstrebt. Das ist halt der Blech-Standard der Audio-Industrie für kostengünstige Lösungen.
Die Verarbeitungsqualität ist ok, auch wenn ich die oberste Schicht der Platten in der Tischlerei sicher penibler kontrolliert hätte. Ausgefranste Öffnungen gehen gar nicht, auch wenn sie der Kunde am Ende ja nicht sieht. Und die Menge des Heißklebers… Mal abgesehen von optischen Tiefpunkt der Funkmodule, einen Endstufen-Chip mit Kleber zu überziehen ist fast schon Körperverletzung.
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