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Beyerdynamic Custom One Pro – Kapitaler Lagerschaden, oder wie sich ein Headset selbst zerstört

Ich gebe zu, ich bin reichlich angefressen. Warum, das ist eigentlich auch schnell erklärt. Ich oute mich heute einmal als privater Kopfhörersammler und all die Teile, die ich nicht gerade aktiv nutze oder bereitliegen habe, wandern zusammen und in bester Eintracht in der Originalverpackung in mein Außenlager. Dazu muss ich anmerken, dass dieser Raum auch Kopfhörer im vierstelligen Bereich beherbergt und er trocken, mit ca. 16 bis 20 Grad temperiert und zudem auch komplett schimmelfrei ist. Also die beste Ruhestätte für akustische Wegbegleiter. Dachte ich mir zumindest.

Die Custom One Pro von Beyerdynamic sind mittlerweile knapp 8 Jahre alt, was für teure Kopfhörer eigentlich kein Alter ist, zumal ich auch noch ältere Exemplare besitze (z.B. einen DK66 der PGH Funktechnik Leipzig aus dem Jahr 1984), die auch heute noch, nach immerhin fast 40 Jahren, allesamt völlig intakt sind. So gesehen traf mich dann beim Auspacken des Custom One Pro fast der Schlag. Ich gehe mal davon aus, dass dieses Exemplar keine 200 Betriebsstunden auf dem Buckel hat und eigentlich auch nur rumstand. Ich habe sogar noch ein Foto von damals aus einem Test. Da war noch alles schick und fein:

Das, was ich heute jedoch für einen eigentlich geplanten Nachtest aus dem Karton gefischt habe (unter einem Schwall schwarzer Kunststoffpartikel) sieht aus, als hätte den der liebe Horst-Kevin in 8 Jahren Counter Strike 20/7 gediegen durchgenudelt. Das ist eine bröselige Kellerkind-Patina, die man aber in dieser Ausprägung eigentlich nur von billigen 50-Euro-Produkten kennt. Und wir lernen einmal mehr: Auch teure Produkte bestehen oft aus billigstem Material:

Das gesamte Kunstleder hat sich de facto aufgelöst und die Bilder zeigen die harte Realität nach der Flucht des weichen Machers. Die Ohrpolster sind zudem komplett aus der Form geraten, weil das Material auch noch zusätzlich ordentlich geschrumpft ist. Auch wenn die Polster der fast 40-jährigen DK66 mittlerweile etwas fleckig sind, so etwas gab es noch nicht mal in der DDR-Mangelwirtschaft. Da mussten die sogenannten Konsumgüter nämlich über Generationen halten. Appetitlich geht irgendwie anders und nachhaltig ist das auch nicht.

Eigentlich wollte ich ja ursprünglich einen Artikel über mechanisches Sounding schreiben, aber der muss nun leider ausfallen.  Und damit heute deshalb keine Lücke entsteht, zeige ich Euch einfach ersatzweise diese Bilder des Grauens:

Würdet Ihr Euch so ein Kopfband am Bügel noch in die Haare schmieren? Ich durfte nach dieser Session auch meine Fotoecke komplett grundreinigen, einschließlich Teppich, denn die knallharten Partikel der ungeordneten Selbstauflösung haken sich an allen Schlingen fest.

 

 

Der Schaden ist reparabel – aber für wie lange?

Der Artikel muss erst einmal warten, ist aber nur aufgeschoben. Denn immerhin sind Ersatzteile auch für so alte Exemplare noch lieferbar, weil auch welche von anderen Kopfhörern passen. An dieser Stelle muss man dann Beyerdynamic auch mal loben, wobei die Preise natürlich schon arg abgehoben sind. Hätte ich das Headset intensiv genutzt, würde mir der Preis auch nicht weh tun, dann ich hatte ja zumindest einen Gegenwert durch die tägliche Verwendung. So aber sieht das alles nach einer Kann-Bruch-Stelle aus, weil wohl beim Hersteller keiner damit gerechnet hat, das das Produkt überhaupt solange beim Kunden genutzt (oder eingelagert) wird.

Da ich bereits bei anderen PU-Polstern des gleichen Herstellers diverse Ermüdungserscheinungen feststellen musste, die aber nie so extrem waren (maximal mal ein paar Risse bei häufiger genutzten Teilen), setze ich lieber wieder auf die altbewährten Sofakissen. Das ist natürlich am Ende ja auch nur Kunststoff, aber zumindest meine alten T90 sind da noch Pad-mäßig richtig fit. Da die Pads des DT770 auch für den Custom One Pro passen, nehme ich lieber die. Nur das mit dem Headband ist so eine Sache, die ich jetzt doch lieber jährlich mal überprüfen werde. Denn das Ersatzteil ist leider wieder aus PU-Lederimitat.

Trotz allem Ärger und der monetären Blutung, bin ich ein doch ein ausgesprochen nachhaltiger Mensch, der nicht gleich alles aus Wut wegwirft. Aber es wird wohl am Ende auch mein letztes Beyerdynamic-Produkt gewesen sein. Es ist nämlich nicht der erste Fall, wohl aber der krasseste. Und genau damit habe ich jetzt die Artikel-Lücke gefüllt.Ich gehöre auch nicht zu denen, die mit Öffentlichkeit drohen und sich dann für lau über die PR die Ersatzteile schnorren. Ich kaufe und repariere lieber selbst, bewerte es dann aber auch wie ein mündiger Kunde. Und ja, das Original-Thema wäre sicher interessanter gewesen. Sorry dafür.

 

141 Antworten

Kommentar

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T
Tenpai

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13 Kommentare 9 Likes

Oh je, mein Beileid, das sieht übel aus.

Ehrlich gesagt bräuchte es solche Rückblicke auf vergangene hochpreisige Produkte öfter, das dürfte den Blick für die aktuellen Angebote etwas schärfen.

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s
seha

Mitglied

23 Kommentare 7 Likes

Das Grundproblem kenne ich von meinen Sennheiser PC 350 auch. Da aber eher wegen häufiger Nutzung und nicht ewiger Lagerung.
Wo man ja bei den Ohrpolstern (3ter oder 4ter Austausch steht an) und Kopfbändern noch Chancen hat, ist das an anderen Teilen leider nicht so einfach. :/
Bei dem von mir genannten Modell habe ich auch einen ordentlichen Riss an der Unterseite des Mikrofon-Arms durch den man ohne zutun dessen Eingeweide sehen kann. Da ist dann eher mau mit Ersatzteilen. Wegschmeißen mag ich die dennoch noch nicht. Vielleicht mal, wenn die noch vorhandenen Ohrpolster dann wieder "durch" sind.

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D
Deridex

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2,212 Kommentare 846 Likes

Bei Polstern mit Kunstlederüberzug finde ich das nicht überraschend.

Ich betrachte den Artikel daher eher als Erinnerung, dass ich mich mal wieder um unsere Kopfhörer kümmern muss.

Ps: Ich bin definitiv kein Fan von Beyerdynamik.

Edit: 2 Sätze entfernt

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Steffdeff

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725 Kommentare 674 Likes

Ich habe noch einen gut 30 Jahre alten Sony Kopfhörer der oft genutzt wurde. Da sind noch die originalen Polster drauf. Die schauen zwar auch nicht mehr ganz gut aus, doch im Vergleich zu dem was Du aus der Schachtel geangelt hast, sind die noch taufrisch!
Das man aber problemlos Ersatzteile bekommt ist sehr gut. Bei Billigteilen müsste man wahrscheinlich neu kaufen.

Grüße,
Steffdeff

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w124

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57 Kommentare 20 Likes

Waow, krass.

Erinnert mich an meinen Ex-Mercedes, A-Klasse BJ. 2000 (noch der mit dem tierunfreundlichen Elchumschiffungsproblem), da lösten sich nach 8 Jahren auch außen und im Innenraum die Kunststoffteile auf.

Manche Kunststoffe haben es einfach nicht drauf, ich hoffe das wird von den Herstellern aber nicht einkalkuliert.

Ich hab mir für das Homeoffice nen DT 990 Black geleistet und hoffe der hält jetzt erst einmal bis zur Rente durch 🙄

Ich werde berichten 👍

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D
Deridex

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2,212 Kommentare 846 Likes

Wie gesagt: Bei Kunstleder wenig überraschend. Kann nur empfehlen denen hin und wieder etwas Pflege zukommen zu lassen.

Ich persönlich mag den Beyerdynamik Sound nicht und kaufe daher nicht von denen, wenn es bezahlbare Alternativen gibt. Dementsprechend haben wir nur einen DT770M in Gebrauch.

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P
Phoenixxl

Veteran

158 Kommentare 120 Likes

Mein T50p sah auch so aus, aber wie du geschrieben hast: Wenn man das Teil benutzt hat, dann ist es zu verschmerzen.
Allerdings könnte hier wirklich besseres Material verbaut werden.

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Gurdi

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1,370 Kommentare 900 Likes

Erschreckend, meine Velourpolster beim MMX 300 halten sich solide, kürzlich erst wieder gewaschen.

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thrym

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30 Kommentare 13 Likes

Uuuuh ist das übel!
Erinnert mich an das Fiasko mit meinem Joystick. Ein quasi unbenutzter Saitek Cyborg der ein paar Jahre in seiner Kiste im beheizten Büro in einer Dunklen Schublade eingelagert war. Als ich ihn dann reanimieren wollte hatte sich diese Gummi-Softtouch Oberfläche verflüssigt und ist quasi zu einem schmierigen Klebstoff geworden. :sick:
Ich hab viel Isoprop und Zeit gebraucht um das ab zu bekommen.

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big-maec

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826 Kommentare 475 Likes

Was sagt den der Hersteller dazu?
Ich würde gerne mal seine Meinung dazu hören.

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Wake

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49 Kommentare 25 Likes

Das Gebrösel kenn ich von den Corsair Virtuoso RGB Wireless Espresso welche auch nur kaum über 2 Jahre durchgehalten haben.

Ohrpolster + Kopfband hat es erwischt, immerhin hat Corsair Ersatzpolster geschickt und fürs Kopfband hab ich ein Gerät zum drüberschnüren mit Reißverschluss genommen da es dafür kein direktes Ersatzteil gab.

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Lenze

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21 Kommentare 6 Likes

Ich bin definitiv Fan von beyerdynamic, dieser klare Sound ist herrlich, nichtsdestotrotz, ein bitteres Öffnen.. 😞

Was mich wundert: wo kaufst du die Ersatzteile? Zumindest das Kopfband geht auf beyerdynamic.de günstiger, wenn du das von der DT PRO Reihe nimmst (was, wenn ich mir das Gestell anschaue passen sollte) für "nur" gut 9 Euro. Das relativiert die (in deinem Fall nicht vorhandene) Abnutzung vlt etwas.. die Velourpolster werden auch länger halten schätze ich allerdings verändern diese ganz schön den Klang! Habe ich bei meinen 770PRO (32Ohm) festgestellt, ich persönlich empfand es als Verbesserung, klarer, offener und bequemer..! 😊

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G
Guest

Habe das "Custom Game" HS von denen, gleiches Problem... Der Kunstledermist ist nach 4 Jahren zerbröselt... Habe dann genau wie Igor Velour als Ersatz geordert. Das Kopfband sieht bei mir jedoch noch gut aus... Aber für ein HS in der Preisklasse 150+ erwarte ich da schon eine bessere Qualität!

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Tolotos66

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27 Kommentare 17 Likes

Was nicht übersehen werden darf, ist die eigene Körperchemie.
Unterschiedliche Haut -und Haartypen können so einem Material schon sehr zusetzen. Gerade der Fettanteil von Haar und Haut kann mitunter recht agressiv auf bestimmten Materialien reagieren.
Trotzdem bitter bei so einem Highendprodukt.
Gruß T.

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Ghoster52

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1,402 Kommentare 1,059 Likes

Verschleiß....
Ich finde die Ersatzteilpolitik von Beyer ja grandios und unerreicht, aber leider muss man das auch ständig nutzen. :(
Andere KH halten zum Teil echt ewig und man braucht nur ab & an mal neue Pads bei täglicher Nutzung.
Bei Beyer könnte man ein "Ersatzteil-Abo" abschließen, 1x im Jahr neue Pads und alle paar Jahre neues Kopfband.
Dein Beitrag @Igor Wallossek zu Beyer wäre wieder mal eine (Steil) Vorlage, sich über den Hersteller auszulassen. 🤫
Ich hatte schon 4 DTs hier mit defekte Treiber (Schwingspule abgerissen), das ist auch so eine (Beyer) Kinderkrankheit.
Manche Polster werden schneller platt, als man gucken kann, Beispiel DT770 auf 8 Wochen platt bei täglichen Gebrauch.
Die 990VBs schaffen auch nur max 1 Jahr. Pads von Beyer kauf ich nicht mehr, lieber nehme ich andere Custom-Pads
und "optimiere" den KH auf die neuen Pads...
Dekoni's (als Beispiel) sind zwar doppelt so teuer, aber da kann ich nach Jahren kein Verschleiß erkennen, somit rechnet sich das.

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Igor Wallossek

1

10,174 Kommentare 18,759 Likes

Das Produkt wurde ja nur gelagert und vorm Einlagern wie immer auch gereinigt.

Teile kaufe ich seit Jahren bei Thomann. BD direkt ist nicht günstiger, da ich den Versand extra zahlen muss

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C
Crank_Gamble

Mitglied

17 Kommentare 0 Likes

Hallo Igor,

ich weiß es passt nicht ganz zu diesem Thema, aber du bist ja quasi audiophil und da wollte ich einfach mal auf deine Expertise zurükgreifen.
Ich suche sehr gute Kopfhörer für Gaming und Musik (ich weiß das schließt sich gegenseitig schon fast aus). Ich selber habe die Corsair Virtuoso RGB Wireless XT, welcher von der Haptik top sind, aber beim Sound ruhig noch etwas knackiger sein könnten. Welche Produkte kannst du hier empfehlen (Budget max. 400€)

Danke dir und eine schöne Vorweihnachtszeit!

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Igor Wallossek

1

10,174 Kommentare 18,759 Likes

Eieieiei...

Man kann NICHTS pauchal empfehlen, da allein bei der Musik schon über die Genres (und das Alter des Hörenden) riesige Unterschiede bestehen. Generell kann man aber einen gut für Musik geeigneten Hörer dem Gaming einfach anpassen, da das hier eine Art Abwärts-Anpassung ist. Mehr bass? Gib ihm!

Ergo: such Dir was für deinen Kopf und Musikgeschmack Passendes, Gaming geht dann immer. Zu den aktuellen Teilen frag mal lieber Ghoster52, ich bin auch nicht so am Markt orientiert. ;)

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komatös

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96 Kommentare 60 Likes

Oooh, dass kommt mir bekannt vor. Habe einen Kopfhörer von JBL der die meiste seiner Zeit in seiner Aufbewahrungstasche fristete.
Nach eineinhalb Jahren etwa, bröselten mir dann Teile des Kunstleders entgegen.

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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