Grundlagenartikel Kühlung Testberichte Wärmeleitpaste und Pads

Tiefenprüfung Wärmeleitpaste (ArcticMX-4): Mit Rasterelektronenmikroskop und Röntgenspektroskopie auf Schlangenöl-Suche. Was ist drin?

Silikonbasis als Bild- und Analyse-Störung

Wie Ihr wisst, besteht so eine Wärmeleitpaste (wie die hier exemplarisch verwendete Arctic MX-4) aus einer Silikon-Basis, die mit einer Menge interessanter und wärmeleitender Füllstoffe in kleinster Partikelform angereichert wird. Manche Pasten werden zudem im Nachgang beim Abfüller („Panscher“) noch mit Dingen wie Essigsäure-Ethylester versetzt, um sie noch etwas geschmeidiger und „flutschiger“ zu machen. Aber Silikon enthalten sie leider alle. Und genau darin besteht das erste Problem, denn Silikon beeinflusst die Auflösung negativ und verfälscht auch die EDX gravierend.

Zu viel des Guten! Extrem flutschige Paste auf einer Grafikkarte ist keine gute Idee

Das nachfolgende Diagramm der EDX zeigt, dass auch hier noch über 20% Kohlenstoff (C), Silizium (Si) und auch Sauerstoff (O) zu finden sind, die uns bei der Analyse dann doch gehörig stören, weil sie die Genauigkeit erheblich beeinflussen und auch eine große eine Fehlerquelle darstellen:

Das Silikon muss also erst einmal raus. Löslich ist die MX-4 zwar auch in so netten Dingen wie Methylenchlorid, Benzin, Petrolether, Toluol, Kerosin und dem bereits erwähnten Essigsäure-Ethylester, aber richtig herauslösen lassen sich die uns interessierenden Füllstoffe dann mit Xylol. Denn wir wollen ja nicht die eine Krankheit durch eine andere ersetzen. Also wird es für die weiteren Tests das Xylol richten und wir werden gleich sehen, wie gut das geht. Mit einem Massenvergleich könnte man dann auch noch bestimmen, wie hoch der quantitative Anteil des Silikons an der Paste eigentlich ist.

Ungereinigte Paste mit Silikon im Vakuum.

Und für die Hosenträger unter Euch, die von der Hausfrau immer Prügel für versaute Kleidung erhalten: Wärmeleitpaste lässt sich definitiv nicht so einfach herauswaschen oder mit Alkohol entfernen! Etwas Feuerzeugbenzin hilft da deutlich besser und dessen Rückstände schafft dann auch ein beliebiges Vollwaschmittel. Aber bloß nicht reiben, sonst ist die Farbe gleich mit weg!

 

Kommentar

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Lucky Luke

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405 Kommentare 181 Likes

Boah...unglaublich interessante Analyse.
Vielen Dank an dieser Stelle für den (tiefen) Einblick.
Ich bin gespannt darauf, noch mehr von solchen Analysen lesen zu dürfen. Mich würde es nicht wundern, wenn hier der ein oder andere Platzhirsch in wahrsten Sinne des Wortes "abschmiert".
Auf jeden Fall hast du hiermit ein Alleinstellungsmerkmal geschaffen.
So eine tiefgründige Analyse über Wärmeleitpaste habe ich noch nirgends gelesen.
👌 Chapeau 👍

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Igor Wallossek

1

10,198 Kommentare 18,814 Likes

Naja, bedanke Dich bitte auch beim Labor und den großzügigen Gönner solcher Ressourcen. :)
Selbstverständlich sind solche Untersuchungen und das Teilen der Möglichkeiten mit der Allgemeinheit wie uns nämlich nicht ;)

Lass uns mal schauen, ob nicht auch mal ein Platzhirsch p(l)atzt...

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p
pintie

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172 Kommentare 131 Likes

Sehr spannend. Danke !
Again what lörned !

Der Vergleich mit anderen wäre wirklich interessant.

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Case39

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2,502 Kommentare 928 Likes

Irre...gibt es halt wie immer nur beim Igor💁‍♂️

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K
Kearvaig

Mitglied

32 Kommentare 9 Likes

Klasse, sehr kurzweilig, und auch schön geschrieben. Vielen Dank für die Mühe.
Mich persönlich würde noch ein Bild einer Kühleroberfläche im gleichen Maßstab interessieren. Damit klarer wird, in welchen Dimensionen die Paste die Vertiefungen im Kühler füllt.

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Igor Wallossek

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Genau das ist ja der Sinn dahinter. Ich plane nämlich einen Grundlagenartikel zu den Oberflächen und was die zweckmäßigste Paste für welchen Zweck sein könnte ;)

Nur ist sowas für alle Beteiligten noch etwas Neuland und es muss schon ordentlich und fundiert vorbereitet werden. Ich habe sogar drei CPUs und eine GPU geopfert, dazu verschiedene Kühler... ;)

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v
vonXanten

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803 Kommentare 335 Likes

Super Analyse, falls es noch mehr gibt wäre ja auch der ein oder andere Rückschluss auf das "Schlangenöl" möglich.

Auch vielen dank an die Beteiligten! Super Einblick in sonst verschlossene Welten.

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Igor Wallossek

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Was glaubst Du, warum ich das mache? Um neue Freunde zu finden bestimmt nicht :P

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Don Omerta

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47 Kommentare 34 Likes

Klasse Artikel, da ist mir die Kinnlade runtergefallen, freue mich schon auf mehr....:)

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HerrRossi

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6,778 Kommentare 2,243 Likes

Sehr interessant (y)

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Lucky Luke

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405 Kommentare 181 Likes

@Igor Wallossek
Natürlich geht auch ein fettes Dankeschön an das Prüflabor samt der dahinterstehenden Belegschaft.
Ich bin gespannt, was ihr so für (böse) Überraschungen aufdeckt.
Denn im Endeffekt ist nicht alles Gold was glänzt 😎

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Igor Wallossek

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10,198 Kommentare 18,814 Likes

... und Fäden zieht ;)

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P
Pokerclock

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434 Kommentare 369 Likes

Immer wieder aufschlussreich, wenn derartige, abartig teure, Geräte zum Einsatz kommen.

Bei WLP bin ich da immer recht pragmatisch herangegangen, auch weil gewisse Mengen im Jahr verbraucht werden. Seit Jahren nutze ich eigentlich nur die MX-2 von Arctic. Leicht aufzutragen, erfüllt ihren Job und das auch für lange Zeit ohne hart zu werden. Da verzichte ich lieber auf ein oder zwei Grad wenn ich die WLP leicht verstreichen kann und mich nicht ewig herumärgern muss. Die MX-5 ist viel zu flüssig und manche von Gelid oder TG wie Knete und deswegen kaum gleichmäßig zu verteilen. Da kann ich definitiv drauf verzichten.

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Igor Wallossek

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10,198 Kommentare 18,814 Likes

Die "Knete" kann man warm machen und verstreichen, oder mit etwas Benzin auflösen, schön dünn applizieren und man muss nur noch warten, bis das Lösungsmittel wieder verdunstet ist. Dann hat man eine wunderschöne, dünne Schicht einer sehr guten Paste. :)

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Pokerclock

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434 Kommentare 369 Likes

Was sich leider im hektischen Werkstattalltag nicht umsetzen lässt. Aber für den Privatgebrauch guter Tipp.

Ansonsten gibt es ja noch die Gleitfreude als ultimativen WLP-Ersatz.

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Epistolarius

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33 Kommentare 5 Likes

Habe mir zuletzt auch MX-2 in der 30g Packung "gegönnt", und dafür weniger bezahlt als der Ersatz meiner vorherigen 3.5g Noctua NT-H1 gekostet hätte (und natürlich noch weniger als NT-H2 oder andere ganz teure Pasten wie Kryonaut Extreme). Der Unterschied der beiden auf einem 5900X im Alltag ist meiner Erfahrung nach zu vernachlässigen, was nicht dem entspricht, was PCGH vor 6-7 Jahren mal getestet hatte... Mich interessiert jetzt nur noch die Langlebigkeit, hoffentlich gleich oder besser als die Noctua.

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Pokerclock

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434 Kommentare 369 Likes

@Epistolarius

Es kamen die Tage ein paar Miet-PCs mit einem 3700X und dem Boxed Wraith Prism Kühler zurück. Die vorab aufgetragene Standard-Paste von AMD/CM wird immer vorher entfernt, weil damals viel zu viel und man zu 100% die CPU gleich mit aus dem Sockel rausgerissen hat.

Die sind so wie ich den Kunden einschätze (und sie von innen auch aussahen...) täglich gelaufen und waren knapp zwei Jahre unterwegs. Die Paste war nach wie vor fluffig. Also zwei Jahre normale Nutzung ohne Wechseln ist drin.

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Casi030

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11,923 Kommentare 2,338 Likes

Wie schaut die Paste mit 70-80.....C°aus?

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k
kleinstblauwal

Mitglied

54 Kommentare 23 Likes

Sehr interessante Untersuchung.
Wir schon beim ersten Artikel kommentiert, könnte man die Partikel noch mit PXRD untersuchen, wenn man dazu Zugang hat.
Was für die Anwendbarkeit und Langzeitstabilität sicherlich auch bedeutsam ist, sind die Eigenschaften des Silikonöls, wie Rheologie, Polymerisationsgrad (Molmasse), Verzweigungen und was sonst noch als Beimischung enthalten ist.

Was ich mich Mal gefragt habe: wenn man die Paste auf auf nicht perfekt glatte Oberflächen aufträgt, was ja im Prinzip alle Oberflächen außer direkt auf dem Die sind, hat man ja mikroskopische Lufteinschlüsse. Kann man die Benetzung und den thermischen Kontakt nicht verbessern indem man nach dem verstreichen, aber vor aufsetzen des Kühlers das im Vakuum aussen lässt, oder gar im Vakuum appliziert?

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Danke für die Spende



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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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