Grundlagenartikel Kühlung Testberichte Wärmeleitpaste und Pads

Tiefenprüfung Wärmeleitpaste (ArcticMX-4): Mit Rasterelektronenmikroskop und Röntgenspektroskopie auf Schlangenöl-Suche. Was ist drin?

Das Geheimnis hinter der Paste? Reines Aluminium

Die Abbildung kennen wir zwar schon, aber jetzt kommen wir zur EDX. Dazu werden vorab verschiedene Punkte (Spektren) ausgewählt und tiefer untersucht, sowie später auch mengenmäßig ausgewertet. Für unsere konkreten Zwecke analysieren wir aber zunächst eines der dunkleren Kügelchen, das besonders gut freiliegt.

Wir sehen, es handelt sich hier um fast reines Aluminium, das auch mengenmäßig den größten Anteil an der Paste ausmacht! Ganz Schlaue werden natürlich anmerken, dass Aluminium schneller oxidiert, als man überhaupt Mops sagen kann. Dass dies hier kaum der Fall ist, liegt mit Sicherheit auch am Herstellungsverfahren. Solche Aluminium-Pulver (auch die für spezialisierte 3D-Drucker), werden meist durch Verdüsung hergestellt, was auch die Kugelform erklärt. Das erfolgt meist in mit Edelgas gefüllten Umgebungen oder gleich im Vakuum. Der sofortige Einschluss in geeignete Bindemittel wie Silikon verhindert dann den weiteren Kontakt zum Sauerstoff. Der findet sich zwar auch noch, aber die Menge liegt hier bei gerade mal einem Prozent (oder weniger).

Was wir noch finden, sind winzige Spuren an Silber, was aber auch auf Verunreinigungen bei der Pastenherstellung zurückzuführen sein kann (Stichwort Abfüllung). Dass die Paste nicht elektrisch leitend ist, liegt an den Abständen zwischen den Aluminium-Kügelchen und dem, was sonst noch so in der Probe herumschwirrt. Genau das schauen wir uns jetzt genauer an.

Aufgefüllt:  Mit Zink-Oxid ist die Pampe perfekt

Analysieren wir nun die kleinen Klötzchen, die wir schon kennen, also quasi die Klemmbausteine der Paste und der Auffüller in Nano-Partikel-Bereich. Dafür betrachten wir nun herausgelöst einmal das Spektrum 23:

Natürlich erwischen wir auch hier etwas Aluminium mit im Spektrum, aber der quantitativ höchste Anteil ist Zink. Auch der Sauerstoffanteil ist hoch, der aber auch diesmal nicht zum Aluminium gehört. Daraus ergibt sich die logische Schlussfolgerung, dass es sich um mechanisch zerkleinertes Zinkoxid (ZnO) handelt. Mechanisch deshalb, weil die scharfkantige Form auf ein Mahlwerkzeug schließen lässt. Das können wir, wie es der Zufall so will, sogar beweisen, aber dazu komme ich gleich noch.

Damit wären die Hauptbestandteile der MX-4 also geklärt: Silikon, reines Aluminium und Zinkoxid. Die Spuren von Silber können wir vernachlässigen, aber es gibt noch mehr zu finden! Bitte umblättern!

 

Kommentar

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Lucky Luke

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405 Kommentare 181 Likes

Boah...unglaublich interessante Analyse.
Vielen Dank an dieser Stelle für den (tiefen) Einblick.
Ich bin gespannt darauf, noch mehr von solchen Analysen lesen zu dürfen. Mich würde es nicht wundern, wenn hier der ein oder andere Platzhirsch in wahrsten Sinne des Wortes "abschmiert".
Auf jeden Fall hast du hiermit ein Alleinstellungsmerkmal geschaffen.
So eine tiefgründige Analyse über Wärmeleitpaste habe ich noch nirgends gelesen.
👌 Chapeau 👍

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Igor Wallossek

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10,198 Kommentare 18,815 Likes

Naja, bedanke Dich bitte auch beim Labor und den großzügigen Gönner solcher Ressourcen. :)
Selbstverständlich sind solche Untersuchungen und das Teilen der Möglichkeiten mit der Allgemeinheit wie uns nämlich nicht ;)

Lass uns mal schauen, ob nicht auch mal ein Platzhirsch p(l)atzt...

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p
pintie

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Sehr spannend. Danke !
Again what lörned !

Der Vergleich mit anderen wäre wirklich interessant.

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Case39

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2,503 Kommentare 930 Likes

Irre...gibt es halt wie immer nur beim Igor💁‍♂️

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K
Kearvaig

Mitglied

32 Kommentare 9 Likes

Klasse, sehr kurzweilig, und auch schön geschrieben. Vielen Dank für die Mühe.
Mich persönlich würde noch ein Bild einer Kühleroberfläche im gleichen Maßstab interessieren. Damit klarer wird, in welchen Dimensionen die Paste die Vertiefungen im Kühler füllt.

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Igor Wallossek

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Genau das ist ja der Sinn dahinter. Ich plane nämlich einen Grundlagenartikel zu den Oberflächen und was die zweckmäßigste Paste für welchen Zweck sein könnte ;)

Nur ist sowas für alle Beteiligten noch etwas Neuland und es muss schon ordentlich und fundiert vorbereitet werden. Ich habe sogar drei CPUs und eine GPU geopfert, dazu verschiedene Kühler... ;)

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v
vonXanten

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803 Kommentare 335 Likes

Super Analyse, falls es noch mehr gibt wäre ja auch der ein oder andere Rückschluss auf das "Schlangenöl" möglich.

Auch vielen dank an die Beteiligten! Super Einblick in sonst verschlossene Welten.

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Igor Wallossek

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Was glaubst Du, warum ich das mache? Um neue Freunde zu finden bestimmt nicht :P

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Don Omerta

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47 Kommentare 34 Likes

Klasse Artikel, da ist mir die Kinnlade runtergefallen, freue mich schon auf mehr....:)

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HerrRossi

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6,778 Kommentare 2,243 Likes

Sehr interessant (y)

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Lucky Luke

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405 Kommentare 181 Likes

@Igor Wallossek
Natürlich geht auch ein fettes Dankeschön an das Prüflabor samt der dahinterstehenden Belegschaft.
Ich bin gespannt, was ihr so für (böse) Überraschungen aufdeckt.
Denn im Endeffekt ist nicht alles Gold was glänzt 😎

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Igor Wallossek

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10,198 Kommentare 18,815 Likes

... und Fäden zieht ;)

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P
Pokerclock

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434 Kommentare 369 Likes

Immer wieder aufschlussreich, wenn derartige, abartig teure, Geräte zum Einsatz kommen.

Bei WLP bin ich da immer recht pragmatisch herangegangen, auch weil gewisse Mengen im Jahr verbraucht werden. Seit Jahren nutze ich eigentlich nur die MX-2 von Arctic. Leicht aufzutragen, erfüllt ihren Job und das auch für lange Zeit ohne hart zu werden. Da verzichte ich lieber auf ein oder zwei Grad wenn ich die WLP leicht verstreichen kann und mich nicht ewig herumärgern muss. Die MX-5 ist viel zu flüssig und manche von Gelid oder TG wie Knete und deswegen kaum gleichmäßig zu verteilen. Da kann ich definitiv drauf verzichten.

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Igor Wallossek

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10,198 Kommentare 18,815 Likes

Die "Knete" kann man warm machen und verstreichen, oder mit etwas Benzin auflösen, schön dünn applizieren und man muss nur noch warten, bis das Lösungsmittel wieder verdunstet ist. Dann hat man eine wunderschöne, dünne Schicht einer sehr guten Paste. :)

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Pokerclock

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434 Kommentare 369 Likes

Was sich leider im hektischen Werkstattalltag nicht umsetzen lässt. Aber für den Privatgebrauch guter Tipp.

Ansonsten gibt es ja noch die Gleitfreude als ultimativen WLP-Ersatz.

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Epistolarius

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33 Kommentare 5 Likes

Habe mir zuletzt auch MX-2 in der 30g Packung "gegönnt", und dafür weniger bezahlt als der Ersatz meiner vorherigen 3.5g Noctua NT-H1 gekostet hätte (und natürlich noch weniger als NT-H2 oder andere ganz teure Pasten wie Kryonaut Extreme). Der Unterschied der beiden auf einem 5900X im Alltag ist meiner Erfahrung nach zu vernachlässigen, was nicht dem entspricht, was PCGH vor 6-7 Jahren mal getestet hatte... Mich interessiert jetzt nur noch die Langlebigkeit, hoffentlich gleich oder besser als die Noctua.

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Pokerclock

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434 Kommentare 369 Likes

@Epistolarius

Es kamen die Tage ein paar Miet-PCs mit einem 3700X und dem Boxed Wraith Prism Kühler zurück. Die vorab aufgetragene Standard-Paste von AMD/CM wird immer vorher entfernt, weil damals viel zu viel und man zu 100% die CPU gleich mit aus dem Sockel rausgerissen hat.

Die sind so wie ich den Kunden einschätze (und sie von innen auch aussahen...) täglich gelaufen und waren knapp zwei Jahre unterwegs. Die Paste war nach wie vor fluffig. Also zwei Jahre normale Nutzung ohne Wechseln ist drin.

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Casi030

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11,923 Kommentare 2,338 Likes

Wie schaut die Paste mit 70-80.....C°aus?

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k
kleinstblauwal

Mitglied

54 Kommentare 23 Likes

Sehr interessante Untersuchung.
Wir schon beim ersten Artikel kommentiert, könnte man die Partikel noch mit PXRD untersuchen, wenn man dazu Zugang hat.
Was für die Anwendbarkeit und Langzeitstabilität sicherlich auch bedeutsam ist, sind die Eigenschaften des Silikonöls, wie Rheologie, Polymerisationsgrad (Molmasse), Verzweigungen und was sonst noch als Beimischung enthalten ist.

Was ich mich Mal gefragt habe: wenn man die Paste auf auf nicht perfekt glatte Oberflächen aufträgt, was ja im Prinzip alle Oberflächen außer direkt auf dem Die sind, hat man ja mikroskopische Lufteinschlüsse. Kann man die Benetzung und den thermischen Kontakt nicht verbessern indem man nach dem verstreichen, aber vor aufsetzen des Kühlers das im Vakuum aussen lässt, oder gar im Vakuum appliziert?

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Danke für die Spende



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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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