Was sind eigentlich Phasen?
Wir haben ja Eingangs bereits die einzelnen Schaltregler abgehandelt, nur dass es sich ja im weitesten Sinne nur um eine einzelne Phase handelt. Hier setzt allerdings die Physik sehr starke Grenzen. Wenn Ihr dann gleich die Bilder der Platinen der RTX 4080 FE und RTX 4090 FE seht, werden Ihr auch bemerken, dass die Kleinstspannungen wie z.B. 1,8 Volt mit einem einfachen Buck Converter erzeugt werden. Allerdings kann man mit einem einzelnen Schaltregler weder die hohen Ströme einer GPU realisieren, noch eine gute Restwelligkeit erreichen. Da muss etwas anderes her, denn allein schon das Bild zeigt, dass das so noch nicht passen kann!
Die von uns benötigten mehrphasigen DC/DC-Wandler sind ein schönes Lehrbeispiel für das sogenannte Gleichgewichtsprinzip in der Elektronik. Wir müssen also für einen erwünschten Vorteil ein Preis in Form eines ausgleichenden Nachteils bezahlen. Wenn wir uns zurückerinnern, dann wissen wir auch, dass die immer schnelleren Schaltgeschwindigkeiten zur Erhöhung der Verarbeitungsleistung so einer GPU gleichzeitig zur nötigen Herabsetzung der typischen Basisversorgungsspannung von zunächst 5 Volt über 3,3 Volt bis jetzt auf weniger als 1 Volt geführt hat.
Im Gegenzug sind die Versorgungsströme mit steigender Komplexität der Schaltungen stark angestiegen. Der Grund, dass auf einer Grafikkarte mehrphasige DC/DC-Wandler verwendet werden, liegt hier natürlich auch in den Beschränkungen der Ausgangsfilterkomponenten (Spulen, Kondensatoren). Um eine niedrige Spannungswelligkeit am Ausgang bei höheren Lastströmen zu garantieren, können deren Werte sowohl aus technischen, als auch aus wirtschaftlichen Gründen, nicht beliebig hoch gewählt werden. Außerdem muss ja auch sorgsam mit dem Platz und der Bauhöhe umgegangen werden. Das geht nur mit mehrphasigen Schaltreglern.
Etwas Theorie kann ich Euch aber auch hier leider nicht ersparen. Also noch einmal langsam: Während der sich wiederholenden Lade- und Entladungszyklen (kennen wir schon) ändert sich die Ausgangsspannung jedes einzelnen Schaltreglers um den Spitze-zu-Spitze-Wert der sogenannten Restwelligkeit (Vripple). Wenn jedoch der Laststrom steigt, steigen auch der Entladungsstrom und der Ladestrom. Das heißt im Klartext, dass jetzt der fließende Strom durch die MOSFETs, die Spule und den Kondensator zunimmt.
Von der ersten Seite wissen wir ja noch, dass man die Rippelspannung möglichst klein halten muss, indem die Schaltfrequenz und/oder die Werte von L und C vergrößert werden. Hier hat jeder Boardpartner noch etwas kreativen Spielraum. Um den Wirkungsgrad jedoch so hoch wie möglich zu halten, müssen die MOSFETs, die Spule und der Kondensator einen möglichst niedrigen Serienwiderstand haben, der wiederum zu sperrigeren Komponenten führt. EMV-Belange setzen der maximalen Schaltfrequenz eine Grenze (das kennen wir auch schon). Und nun? Mehrphasige Wandler lösen dieses Problem, indem sie den Laststrom durch mehrere Komponenten gemeinsam nutzen und schon wird die Sache interessant.
Ein Nachteil der mehrphasigen Umsetzung besteht in den höheren Kosten der Komponenten, da für jede zusätzliche Phase mindestens zwei weitere MOSFETs bzw. ein DrMOS/SPS und eine weitere Induktivität notwendig sind. Außerdem muss der PWM-Controller diese mehrphasige Ansteuerung auch umsetzen können, indem er phasenverschobene Mehrfachausgangssignale realisiert. Nun aber können die Induktivitäts- und Kondensatorgrößen um einiges kleiner ausfallen, was wesentlich weniger Platz benötigt. Außerdem wird die maximale Amplitude der kombinierten Ausgangsspannung reduziert, der Strom fließt somit gleichmäßiger. Auch elektromagnetische Störungen werden reduziert und man kann sogar den Grad der Filterung am Eingang reduzieren (Beispiel siehe Bild unten). Außerdem sinkt die Reaktionszeit bei Lastwechseln (sehr wichtig!) und die Einstellzeit verringert sich.
Der Unterschied zwischen Phase und Spannungsregler
Im Minimalfall entfällt pro Phase genau ein einzelner Spannungsregler. Auf dem Bild sehen wir nun die GeForce RTX 4080 FE, die mit einem guten PWM-Controller (MP2891 von Monolith, Bild weiter oben rechts) 13 echte Phasen für die GPU erzeugt (NVVDD, blau) und damit jeweils einen Spannungsregler mit einem DrMOS ansteuert. Extra Gate-Treiber braucht man keine und somit ergibt sich eine sehr kompakte Platine. Ich sehe die FE als gutes Lehrbeispiel, wie weit man mit Einzelphasen wirklich gehen kann, ohne dass es zu teuer und aufwändig wird. Hier stimmt die Anzahl der Phasen mit den zählbaren Spannungsreglern noch 1:1 überein.
Das nächste Beispiel ist die NVIDIA GeForce RTX 4090 FE. Hier zählen wir 20 Schaltregler für die GPU (NVVDD), aber der verbaute PWM-Controller könnte nativ ja nur maximal 16 Phasen auf Schiene 1 erzeugen. Jetzt greift ein Kompromiss, der durchaus taugt, da auch die Entwicklung der Eingangs-EMV-Filter einfacher ist, wenn im Schaltkreis nicht zu viele phasenverschobene Eingangsrückströme fließen. Die Karte besitzt also „nur“ 10 echte Phasen! Der verbaute PWM-Controller erlaubt es jedoch, an jeder Phase zwei Schaltregler parallel zu betreiben!
Damit erreicht man zwei Dinge: Erstens sinken die Ströme pro Schaltregler einer Phase um die Hälfte und damit auch der Innenwiderstand in der Summe und Zweitens fließen ja auch in den Spulen geringere Ströme und die Lorentzkraft sinkt. Ergo wird es leiser und es schnarrt und fiept auch deutlich weniger bis gar nicht! Die Spulen der dreizehn einzeln angesteuerten Schaltregler der RTX 4080 FE der sind auch nur deshalb in der Summe eher verhaltensunauffällig, weil die Karte eine niedrigere Leistungsaufnahme als die RTX 4090 FE besitzt und per se schon niedrigere Ströme im Spiel sind („Energieportionen“).
Ihr seht also, dass das Verhältnis aus Phasen und Schaltreglern stets auch einen sehr wichtigen Hintergrund hat. Auf dem letzten Beispiel sehen wir eine AMD-Boardpartner-Karte der RX 7900 XTX und zählen 21 Schaltregler. AMD bewirbt die eigene Referenzkarte in den Folien mit 20 Phasen, allerdings geht auch diese Rechnung so nicht wirklich auf. Aber da warte ich lieber aufs fertige Produkt zum Launch, bevor ich mich zu weit aus dem Fenster lehne und irgendwelche NDAs versäge.
Natürlich kann man das schönste Design auch mit extrem miesen Spulen verderben, aber dazu komme ich später noch. Jetzt muss ich mir nämlich noch einmal das Marketing einiger Anbieter zur Brust nehmen.
Marketing-Geschwätz vs. Realität
Die meisten Hersteller von Grafikkarten zählen die Schaltregler alle als Phasen, selbst wenn es gegen jede Vernunft und Logik ist. Denn große Zahlen verkaufen sich nun mal besser. Und man addiert dann noch die kleineren Posten für den Speicher und bei AMD auch noch VDDCI sowie SoC mit dazu. Klingt gut, sagt aber am Ende nichts oder nur wenig aus. Denn dann könnte man auch noch die Buck-Converter für 5 Volt, 1,8 Volt, PEXVDD usw. mit dazurechnen. Das würde dann immer sinnloser.
Hier habe ich mal ein schönes Beispiel einer Karte von Zotac, die komplett verquast mit 16+4 Power Phasen beworben wird. Nein, das Teil hat in Wirklichkeit nur 8 + 2 Phasen, wobei für NVVDD der weiter oben abgebildete uP9512R (das R steht für Parallelschaltung) verwendet wird und der Speicher auf einen doppelten Buck-Controller mit zwei einzelnen Phasen und Parallelschaltung setzt. Es sind 16+4 Schaltregler, aber das verkauft sich halt schlechter, weil damit keiner was anfangen kann. Aber nun seid Ihr ja schlauer und durchschaut die Verkäufer. Und sagen wir es mal so: Auch gedoppelt ist die Gefahr, dass man ab 300 Watt bei schnellen Lastwechseln mit nur 8 Phasen ins Rasseln und Fiepen der Spulen gerät, durchaus real. Muss nicht, aber es wird meistens so sein.
Dieser sogenannte „Power Boost“ ist übrigens nichts anderes als eine Gruppe von einfachen, aber wieselflinken MLCC, die de facto als Stützkondensatoren arbeiten. Das lässt sich gut verkaufen, aber wer aufgepasst hat, hat ja auch den Absatz zur Bemessung der Glättung gelesen. Denn je besser die Topologie und Komponentenauswahl, umso weniger muss man später noch nachbessern und der Rest wird ja eh von den ganzen MLCC direkt unterm GPU-Sockel erledigt, die ja sowieso verbaut werden müssen.
Sonderformen und Eigenheiten
Um die Effizienz zu steigern, müssen bei Niedriglasten gar nicht alle Phasen gleichermaßen und in vollem Umfang angesteuert werden. Das funktioniert dann so ähnlich die die Zylinderabschaltung im Auto. Man erkennt es zum Beispiel auch mit einer Infrarot-Kamera, wenn im Idle oder dem normalen Desktop-Betrieb (Word etc.) nur einzelne Bereiche unter den Schaltreglern höhere Temperaturen aufweisen. Auslesen kann man sowas per Software leider nicht, nur an den PWM-Nodes mit einem Oszillographen messen.
Eine weitere interessante Nuance ist ein sogenannter Load-Balancer. Normalerweise werden ja die Schaltregler aus einer einzigen Quelle gespeist, also entweder dem externen Stromanschluss oder aber dem Mainboard-Slot (PEG). Will man aber den Slot nicht überlasten (die PCI SIG gibt auf 12 Volt maximal 5.5 Ampere vor) und reicht trotzdem mit dem externen Anschluss nicht ganz aus, dann kann es durchaus nützlich sein, einen der Schaltregler (bzw. eine der Phasen) auf beide Sourcen intelligent aufzuteilen. Wenn man das nicht macht, endet man mit etwas Pech bei einer Situation wie der damaligen AMD Radeon RX 480, wo der Hersteller glaubte, mit einem externen 6-Pin auszukommen, um Effizienz zu implizieren.
Der Load-balancer nutzt hingegen beide Sourcen anteilig, was sogar im idealen Verhältnis gesteuert werden kann. Das Bild oben zeigt den diskreten Schaltregler vom PEG (türkis) und den korrespondierenden Schaltregler vom PCIe-Anschluss (gelb), die beide den gleichen PWM-Node ansteuern (orange). Man nutzt also parallel oder alternierend zwei eingangsseitig getrennte Spannungsregler mit einem gemeinsamen Ausgang, analog zu einer echten Parallelschaltung.
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