Mit der Toxic assoziiert man als Kunde und Kenner die jeweils giftigste und schnellste Variante einer Grafikkarten-Reihe von Sapphire. Da gab es in der Geschichte schon so einige hochinteressante Grafikkarten, die mittlerweile schon Kultstatus genießen und wahre Sammlerstücke sind. Und dann kamen Big Navi, 2021 und die Sapphire RX 6900XT Toxic. Schnell ist auch diese Karte, aber es ist eine wassergekühlte Variante, an der sich die Geschmäcker wohl trennen werden. Doch ich will dem Test nicht vorgreifen, denn es gibt natürlich auch viele Superlative und technische Details, über die es sich wirklich zu schreiben lohnt.
Mit der (Achtung! Offiziell vorgeschriebener Name) – SAPPHIRE TOXIC AMD Radeon™ RX 6900 XT Gaming Graphics Card with 16GB GDDR6, AMD RDNA™ 2, die ich im Artikel der Einfachheit halber wieder Sapphire Radeon RX 6900 XT Toxic nennen werde, da sonst die Charts und Legenden explodieren würden, liegt hier ein besonders schnelles (und damit auch etwas durstigeres) RDNA2-Exemplar auf meinen Tisch der guten Taten und wartete nur darauf, auch einmal eingehender betrachtet zu werden. Dieser Satz ist nicht neu und passt zudem so auch in jedes Review einer Big Navi Grafikkarte.
Unboxing
Packen wir das Ganze aber erst einmal aus und lassen und überraschen, denn die Umverpackung ist geradezu riesig und der Inhalt wird mit ziemlich aggressiver Grafik auch hinreichend beworben. Öffnet man den Deckel der inneren Box, dann sieht man bereits die Grafikkarte, den 360-mm-Radiator samt dreier 120-mm-Lüfter und noch einen Satz interessanter Mini-Bits als Dreingabe. Dazu gibt es noch ein Tütchen mit kurzen Schrauben zur Montage des Radiators und eine DVD samt Kurzanleitung.
Sapphire hat doch wirklich einen 360-mm-Slim-Radiator an diese Karte gepackt und der geneigte Käufer wird sich sicher auch sehr schnell fragen, wie und wo er das Teil denn überhaupt optimal einbauen soll, wenn bereits eine AiO-Kompaktwasserkühlung für die High-End-CPU im Rechner sitzt oder eine fetter Turmkühler verbaut wurde. Denn entweder kollidieren beide Kompaktkühler oder aber der CPU-Luftkühler bekommt Schnappatmung. Ich werde auch gleich noch genauer auf die Details dieser Kühllösung eingehen, aber diese Frage muss man sich eigentlich schon vor dem Kauf stellen.
Denn die Einbaulänge des Radiators ist mit knapp 40 cm enorm und vor allem die starre Herausführung der Anschlüsse am Radiator dürfte eine Montage im Top vieler Gehäuse deutlich erschweren. Bliebe wohl in den meisten Fällen nur die Front, aber dann hat man es ausblasend und der Rest des PCs bekommt keine Frischluft mehr reingepustet. Wenn einblasend, dann müsste man die ganzen Lüfter abschrauben und den Radiator drehen, was aber durch die recht kurzen Kabel der Lüfter (PWM, RGB) nicht ganz so einfach sein dürfte.
Mit einer UVP für die Sapphire RX 6900 XT Toxic von 1499 USD (1599 Euro) hat man da schon ein ordentliches Brett auf der Ladentheke liegen.
Optik und Haptik
Die Sapphire Radeon RX 6900 XT Toxic wiegt ohne Radiator 1147 Gramm (komplett 2043 Gramm) und ist damit deutlich leichter als die Referenzkarte. Sie ist mit ihren 27 cm kürzer als die Referenz und ohne Schläuche satte 12 cm hoch und 3,8 cm dick (Dual-Slot-Design), wobei noch eine Backplate und das PCB mit insgesamt vier weiteren Millimetern dazukommen. Der Korpus ist aus metallisch aussehenden Kunststoff, der Sapphire-Schriftzug auf der Oberseite hinter einer verspiegelten Fläche ist aRGB-beleuchtet, genauso wie der verspiegelte und mit Leichtmetallapplikationen versehene Einsatz auf der Front dieses Covers.
Die bunte Kraft der LEDs erstreckt sich auch bis hin zur Backplate als nette Hintergrundbeleuchtung.
Wobei man zur Höhe noch ein Wort verlieren muss. Auch hier gibt es nur die beiden sehr starren, gerade herausgeführten Schläuche. Wenn man das Ganze dann biegt, benötigt man ca. 17 cm Abstand zwischen der Oberkante des PEG und der Seitenwand des Gehäuses! Sonst wird es zwangsläufig zu Druckstellen kommen. Versorgt wird das ganze Pixelfeuerwerk samt Illumination über zwei standesübliche 8-Pin-Buchsen und eine zur zweiten 8-Pin-Buchse parallelgeschaltete 6-Pin-Buchse.
Die Slot-Blende ist geschlossen, trägt 1x HDMI 2.1 und drei statt zwei DP-Anschlüsse. Dafür fehlt allerdings die USB Type C Buchse. Mehr zum Aufbau, dem Kühler und der Bestückung dann auch noch auf der nächsten Seite beim Teardown.
Technik, Dual-BIOS und ein Software-Switch
Mit den 80 Compute Units (CU) besitzt die RX 6900 XT 5120 Shader. Der Basistakt beider BIOS-Versionen ist mit 2135 MHz und der Boost-Takt mit 2365 MHz angegeben. Die Karte setzet auf 16 GB GDDR6 mit 16 Gbps, die sich aus jeweils 8 Modulen mit 2 GB Größe ergeben. Dazu gehört auch das 256-Bit Speicherinterface und der 128 MB große Infinity Cache, der das Bandbreitenproblem lösen soll.
Diese Grafikkarte kommt mit dem neuen Videocodec AV1 zurecht, sie unterstützen erstmals auch DirectX 12 Ultimate und damit eben auch DirectX Raytracing (DXR). Mit AMD FidelityFX bieten sie zudem ein Feature, das Entwicklern zudem mehr Spielraum bei der Auswahl der Effekte ermöglichen soll. Ebenfalls dabei ist Variable Rate Shading (VRS), was immens Rechenleistung sparen kann, wenn Bildbereiche, die ohnehin nicht im Auge des Spielers liegen, in der Darstellungsqualität smart reduziert werden. Soviel zum Feature-Set aller neuen Radeon-Karten.
Die Sapphire-Karte verfügt wieder über den bereits bekannten, dreistufigen BIOS-Switch, der zwei BIOS-Versionen bietet und in der Default-Stellung (3) sogar per Software einen BIOS-Wechsel anbietet. Gelöst ist das Ganze mit einem kleinen Controller-IC auf der Platine.
Die beiden Screenshots aus dem MorePowerTool (MPT) geben erst einmal Auskunft über die Eck-Daten der beiden BIOSe für die TGP – links seht Ihr das Performance-BIOS (Primary), rechts das Silent BIOS (Secondary). Hier unterscheidet sich die zulässige Leistungsaufnahme für die GPU und die dazugehörigen Versorgungsspannungen einschließlich des VRAM auf die üblichen 289 Watt, das “Silent”-BIOS kommt mit 8 Watt weniger aus. Der Unterschied ist so marginal, dass ich das gar nicht mehr mit gebenchmarkt habe. Unterm Strich ist das Ganze auch nicht Silent, weil die Pumpe…. Aber ich will jetzt nicht spoilern.
Doch wo liegen nun die weiteren, ebenfalls wichtigen Unterschiede zwischen den beiden BIOS-Varianten? Jetzt kommen die Lüfterdrehzahlen und die maximal angestrebten Temperaturen ins Spiel. Das Secondary-BIOS lässt hier schon etwas leiseren Auftritt vermuten, wie es das “Fan Acoustic Limit” veranschaulicht. Aber in der Realität sind nicht nur die Lüfter das, was man hört. Auch hier hat Sapphire etwas der Mut verlassen. Oder man hätte wenigstens bessere Lüfter vorgesehen und dann etwas mehr abgebremst. So aber sind die Vorgaben ebenfalls etwas zu verhalten gestaltet worden.
Raytracing / DXR
Spätestens seit der Präsentation der neuen Radeon-Karten ist klar, dass auch AMD Raytracing unterstützen wird. Hier geht man einen zu NVIDIA deutlich abweichenden Weg und implementiert einen sogenannten “Ray Accelerator” pro Compute Unit (CU). Da die Radeon RX 6800 insgesamt 72 CUs besitzt, ergeben sich somit auch 72 solcher Beschleuniger für die Radeon RX 6800XT, bei der kleineren Radeon RX 6800 sind es noch 60. Eine GeForce RTX 3080 kommt auf 68 RT Cores, also nominell erst einmal weniger. Beim Vergleich der kleineren Karten steht es dann 62 für die RX 6800 und 46 für die GeForce RTX 3070. Allerdings sind die RT-Cores anders organisiert und man wird abwarten müssen, was hier Menge gegen Spezialisierung ausrichten kann. Es ist am Ende also erst einmal ein Äpfel und Birnen Vergleich.
Doch was hat sich AMD hier ausgedacht? Jeder dieser Beschleuniger ist erst einmal in der Lage, gleichzeitig bis zu 4 Strahl-/Box-Schnittpunkte oder einen einzigen Strahl-/Dreieckschnitt pro Takt zu berechnen. So berechnet man die Schnittpunkte der Strahlen mit der Szenengeometrie (analog zur Bounding Volume Hierarchy), sortiert sie zunächst vor und gibt diese Informationen dann an die Shader zur weiteren Bearbeitung innerhalb der Szene zurück bzw. gibt das finale Shading-Resultat aus. NVIDIAs RT-Cores scheinen da allerdings deutlich komplexer vorzugehen, wie ich es beim Turing-Launch bereits ausführlich erläutert habe. Was zählt, ist allein das Ergebnis und genau dafür haben wir auch passende Benchmarks.
Smart Access Memory (SAM)
AMD zeigte auf der Präsentation der neuen Radeon-Karten bereits SAM, also Smart Access Memory – ein Feature, das ich heute zusätzlich auch zu den normalen Benchmarks aktiviert habe, womit auch ein direkter Vergleich möglich wird. Doch eigentlich ist SAM nicht Neuers, nur verbal schöner verpackt. Dahinter verbirgt sich nämlich nichts anderes als der clevere Umgang mit dem Base Address Register (BAR) und genau dieser Support muss zwingend auch im Unterbau aktiviert sein. Bei moderner AMD-Grafikhardware spielen größenveränderbare PCI-Bars (siehe auch PCI SIG vom 24.0.4.2008) schon länger eine wichtige Rolle, da die eigentlichen PCI BARs normalerweise ja nur auf 256 MB begrenzt sind, während man bei den neuen Radeon Grafikkarten nun bis zu 16 GB VRAM vorfindet.
Die Folge ist, dass nur ein Bruchteil des VRAM für die CPU direkt zugänglich ist, was ohne SAM eine ganze Reihe von Umgehungslösungen im sogenannten Treiber-Stack erfordert. Das kostet natürlich stets Performance und sollte demzufolge vermieden werden. AMD setzt bei SAM also genau dort an. Neu ist das nicht, muss aber sauber im UEFI implementiert und später auch aktiviert werden. Das wiederum geht nur, wenn das System im UEFI Modus läuft und CSM/Legacy deaktiviert sind.
CSM steht dabei für das Compatibility Support Module. Das Compatibility Support Module gibt es ausschließlich unter UEFI und es sorgt dafür, dass ältere Hardware und Software auch mit UEFI funktioniert. Das CSM ist immer dann hilfreich, wenn nicht alle Hardware-Komponenten zu UEFI kompatibel sind. Einige ältere Betriebssysteme sowie die 32-Bit-Versionen von Windows lassen sich auch nicht auf UEFI-Hardware installieren. Genau diese Kompatibilitätseinstellung verhindert jedoch die saubere und für die neuen AMD-Komponenten benötigte Windows-Variante oft schon bei der Installation.
Benchmarks und Auswertung
Für die Benchmarks habe ich, analog zum Launchartikel, die gleichen 10 Spiele gewählt und dabei zwischen alt und neu, sowie AMD- oder NVIDIA-speziell gewichtet. Da sich alles sehr ähnlich zum Launchartikel der Radeon-Karten verhält, gibt es diesmal nur leine kumulierte Zusammenfassung aller Spiele mit einer ausführlichen Erklärung für jede Auflösung. Die Leistungsaufnahme gibt es ebenfalls sehr ausführlich, so wie Ihr es ja auch gewohnt seid.
Testsystem und Auswertungssoftware
Das Benchmarksystem setzt komplett auf AMD. PCIe 4.0 ist natürlich Pflicht. Dazu gehören das passende X570 Motherboard in Form eines MSI MEG X570 Godlike und der Ryzen 9 5950X, der wassergekühlt betrieben und leicht übertaktet wird. Dazu kommen der passende DDR4 4000 RAM von Corsair in Form des Vengeance RGB, sowie mehrere schnelle NVMe SSDs. Für das direkte Loggen während aller Spiele und Anwendungen nutze ich sowohl NVIDIAs PCAT, als auch mein eigenes Shunt-Mess-System, was den Komfort ungemein erhöht. Die Messung der detaillierten Leistungsaufnahme und anderer etwas komplizierterer Dinge erfolgt im Speziallabor zweigleisig mittels hochauflösender Oszillographen-Technik…
…und dem selbst erschaffenen, MCU-basierten Messaufbau für Motherboards Grafikkarten (Bilder unten), wo am Ende im klimatisierten Raum auch die thermografischen Infrarot-Aufnahmen mit einer hochauflösenden Industrie-Kamera erstellt werden. Die Audio-Messungen erfolgen dann außerhalb in meiner Chamber (Raum-im-Raum).
Die verwendete Software setzt auf meinen eigenen Interpreter samt Auswertungssoftware sowie ein sehr umfangreiches und flexibles Excel-Sheet für die grafische Umsetzung. Die einzelnen Komponenten des Testsystems habe ich auch noch einmal tabellarisch zusammengefasst:
Test System and Equipment |
|
---|---|
Hardware: |
AMD Ryzen 9 5950X OC MSI MEG X570 Godlike 2x 16 GB Corsair DDR4 4000 Vengeance RGB Pro 1x 2 TByte Aorus (NVMe System SSD, PCIe Gen. 4) 1x 2 TB Corsair MP400 (Data) 1x Seagate FastSSD Portable USB-C Be Quiet! Dark Power Pro 12 1200 Watt |
Cooling: |
Alphacool Eisblock XPX Pro Alphacool Eiswolf Extreme (modified) Alphacool Subzero |
Case: |
Raijintek Paean |
Monitor: | BenQ PD3220U |
Power Consumption: |
Oscilloscope-based system: Non-contact direct current measurement on PCIe slot (riser card) Non-contact direct current measurement at the external PCIe power supply Direct voltage measurement at the respective connectors and at the power supply unit 2x Rohde & Schwarz HMO 3054, 500 MHz multichannel oscilloscope with memory function 4x Rohde & Schwarz HZO50, current clamp adapter (1 mA to 30 A, 100 KHz, DC) 4x Rohde & Schwarz HZ355, probe (10:1, 500 MHz) 1x Rohde & Schwarz HMC 8012, HiRes digital multimeter with memory function MCU-based shunt measuring (own build, Powenetics software) NVIDIA PCAT and FrameView 1.1 |
Thermal Imager: |
1x Optris PI640 + 2x Xi400 Thermal Imagers Pix Connect Software Type K Class 1 thermal sensors (up to 4 channels) |
Acoustics: |
NTI Audio M2211 (with calibration file) Steinberg UR12 (with phantom power for the microphones) Creative X7, Smaart v.7 Own anechoic chamber, 3.5 x 1.8 x 2.2 m (LxTxH) Axial measurements, perpendicular to the centre of the sound source(s), measuring distance 50 cm Noise emission in dBA (slow) as RTA measurement Frequency spectrum as graphic |
OS: | Windows 10 Pro (all updates, current certified or press drivers) |
- 1 - Einführung und technische Details
- 2 - Teardown: Platine, Spannunsversorgung, Kühler
- 3 - Gaming Performance
- 4 - Leistungsaufnahme beim Gaming und Effizienzanalyse
- 5 - Leistungsaufnahme, Spannungen und Normeinhaltung
- 6 - Lastspitzen und Netzteil-Empfehlung
- 7 - Taktraten und Temperaturen
- 8 - Lüfter und Geräuschemission ('Lautstärke')
- 9 - Übersicht, Zusammenfassung und Fazit
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