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Corsair HS55 Wireless Core im Test – Kein Kabel, kein RGB und keine echten Highlights

Nach den ganzen technischen Details kommen wir nun endlich zum Wichtigsten: Wie klingt das Headset eigentlich? Wir setzen jetzt dort fort, wo es etwas mehr weh tut: nämlich beim individuellen Hörtest. Das Headset wurde fleißig eingespielt, dieses Argument entfällt also. Zum Einsatz kommen meine Tidal-Playlist mit Klassik, Jazz, Rock, elektronischer Musik und diversen Vocals (Soul, Chormusik), auch wenn nach reichlich 6 Stunden erst einmal eine 1-stündige Ladepause stattfinden muss.

Bassbereich

Den Tiefstbass in der Subkontraoktave (16,4 Hz bis 32,7 Hz) testen mit einer Aufnahme von Bachs Toccata und Fuge D-Moll (19 und 25 Hz) sowie der Festival-Ouvertüre 1812 von Tschaikowsky (10 Hz und 12,5 Hz). Das gleiche gilt auch für die unteren Bereiche der Kontraoktave (32,7 bis 65,4 Hz). Die große Basstrommel (Kick Drum), die in der U-Musik ein gern gesehener Begleiter und meist auf ca. 55 bis 60 Hz abgestimmt ist, wird diese Beurteilung dann abrunden.

 

Musik: Das Corsair HS55 Wireless Core scheitert nicht mal an der Subkontraoktave, wohl aber etwas an der Kontur, die ohne manuelle Nachbesserung an einem Equalizer zum akustischen Schlamm-Catchen ausartet. Die Treiber neigen extrem zum Nachschwingen, was so nicht gefällt. Die Kontraoktave samt großer Basstrommel ist dominant anwesend und leider auch komplett schwammig und unpräzise. Es wummert und schrammelt aufgrund von von hässlichen Resonanzen, was man durch eine Bedämpfung hätte abmildern können. Der Bass ist da, allerdings für Manchen auch etwas zu massig und pompös aufgeblasen. Hier spielen sicher auch Hörgewohnheiten eine große Rolle. Die Pegelfestigkeit ist ok, aber nicht extrem hoch und sie lebt auch vom Resonanz-Gewitter.

Gaming: Fürs Gaming könnten die Granaten etwas weniger massiv und trockener wummern, aber man hört, solange man es beim Pegel nicht übertreibt, parallel dazu noch alles, was über den Mitten liegt, die aber bis ans obere Ende vom Bass weggeschoben werden. Die Differenzierung der einzelnen Klangschichten und Frequenzbereiche ist kaum möglich. Es ist alles laut genug, aber eben auch komplett unpräzise. Kurzum: ein idealer Bassbomber für die Generation TikTok, die eh nur komprimierte Klanggrütze kennt.

Der Oberbass bis 150 Hz, in dem auch die Große Oktave (65,4 bis 130,8 Hz) liegt, beherbergt die Sprachgrundfrequenz der männlichen Stimme und entscheidet sehr stark über die naturgetreue Wiedergabe männlicher Vocals.

 

Musik: Dieser Bereich wirkt zu angefettet und völlig übertrieben. Die männlichen Vocals werden viel zu satt modelliert und sind weit entfernt von einer guten Grundton-Basis. Die Instrumente werden ebenfalls zu tiefenlastig angebunden, was zwar nicht per se komplett unangenehm klingt, aber viel zu aufdringlich wirkt und vieles in den höheren Lagen einfach erschlägt. Das Corsair HS55 Wireless Core klingt trotz allem etwas flach, weil einfach die Details und die Präzision fehlen.

Gaming: Die Badewannen-Schrammelei ist echt Geschmackssache, denn auch männliche Stimmen bekommen hier viel so kräftiges Fundament. Manch einer wird sich fragen, ob die Synchronsprecher im Spiel noch die gleichen sind, den am Ende habe alle viel zu viel Fülle.

Mitteltonbereich

Die unteren Mitten (auch Grundtonbereich) liegen bei ca. 150 bis 400 Hz. Zusammen mit dem bereits erwähnten Oberbass spielt dieser Bereich eine sehr wichtige Rolle für die subjektiv empfundene Wärme bzw. Fülle des Klangbildes. Die Sprachgrundfrequenz weiblicher Stimmen ist in diesem Bereich zu finden.

 

Musik: Das klingt immer noch zu füllig zu auch etwas zu warm. Viele Details der Grundtonfrequenzen entfernen sich weit vom Original und verschwimmen in einem Kaminfeuer-Ambiente. Das muss man natürlich mögen, aber diese Spielart ist für die meisten einfach zu fettleibig. Weibliche Vocals klingen im Fundament nicht mehr souverän, sondern genauso ausgestopft wie die männlichen. Zu viel ist zu viel, sorry.

Gaming: Die weiblichen Vokals sind verständlich aber ebenfalls viel zu dominant im Fundament. Der Grundtonbereich ist einfach zu matschig, was sich auch beim Gaming rächt, weil man damit viele Details in höheren Frequenzbereichen zuschmiert und übertönt. Die Auflösung der Treiber ist einfach nicht gut genug, um beides exakt wiedergeben zu können.

Die oberen Mitten zwischen 400 Hz bis etwa zwei KHz beinhalten bei einem KHz eine Marke, die immer noch als Referenz für viele Messungen gilt. Das merkt man leider auch oft bei günstigeren Geräten, da die Hersteller oft versuchen, gerade diese Frequenz etwas überzubetonen.

 

Musik: Man fällt erst einmal in ein kleines Tal um dann bis 1 KHz wieder zuzulegen, was der differenzierten Wiedergabe in diesem Bereich eher zuträglich ist. Die Bühne ist ausreichend (wenn auch nicht brachial breit) und die subjektiv empfundene Qualität der räumlichen Auflösung ist auf durchschnittlichem Niveau. Hohe Pegel bei sehr vielen gemeinsam spielenden Quellen sind aber kontraproduktiv, die Ortung wird dann zusehend schwieriger. Man muss also leiser drehen oder mit dem leichten Matsch leben. Das betrifft auch die Wummer-Bässe, die hier alles vernichten, wenn sie auftreten.

Gaming: Hier ist das mit dem Pegel nicht ganz so kritisch und es ist vieles so, wie es eine gewisse Gruppe von Gamern sicher gern hätte. Die Lokalisierung der Schallquellen ist, solange der Bass nicht alles wieder vernichtet, durchaus ausreichend und man weiß auch, wo man hinläuft und was um einen herum so alles stattfindet.

 

Hochtonbereich

Zwischen zwei bis etwa 3,5 KHz ist das menschliche Gehör am empfindlichsten, zumal dieser Bereich der unteren Höhen für die gute Oberton-Wiedergabe der menschlichen Stimme zuständig ist. Dieser Frequenzbereich ist nämlich entscheidend für die Wiedererkennung einer Stimme oder eines Instrumentes; man spricht in diesem Zusammenhang auch von der jeweiligen Klangfarbe.

 

Musik: Die Wiedergabe ist qualitativ unterdurchschnittlich und sogar schon etwas dumpf. Sie setzt auf den viel zu dominant ausgeprägten Mitten auf, was hier zum Nachteil wird, weil man diesen Kampf so nicht gewinnen kann. Die Sprachverständlichkeit sowie die Qualität der Vocals bei der Wiedererkennung kranken da auch etwas und es wird immer dann besser, wenn unten gerade weniger passiert. Geschmacksache, wie immer.

Gaming: Hier gilt exakt das Gleiche, das Resultat kann auch beim Gaming nicht ganz überzeugen. Normalerweise finden Gamer hier ein Peak, was vieles hörbarer machen kann, aber die Ausprägung hätte hier noch viel deutlicher sein müssen (siehe Messung des Frequenzverlaufs)

Die mittleren Höhen (3,5 bis sechs KHz) entscheiden über das Ge- oder Misslingen der Sprachwiedergabe als Gesamtbild, denn die S- und Zischlaute (Sibilanten) fallen in diesen Bereich. Die oberen Höhen reichen dann bis ca. zehn KHz, um in den Superhochton überzugehen.

 

Musik und Gaming: Der Hochton ist akzeptabel, aber etwas zu zurückhaltend. Das geht allerdings bei 6 bis 7 kHz noch einmal in die extreme Offensive. Dadurch entsteht eine Überspitzung, wie man sie auch als sogenanntes „Beyer Peak“ kennt und akzeptiert, wenn es denn auch gut gemacht ist. Aber: Sibilanten und Ausblasgeräusche sind beim Corsair HS55 Wireless Core in diesem kleinen Frequenzbereich viel zu vordergründig und es gleitet alles stark ins Metallische und Spitze ab. Da bildet sich bereits eisige Höhenluft. Ab ca. 10 KHz geht dem Superhochton aber die Luft aus und ab ca. 12 KHz ist es dann richtig dunkel. Schade. Hätte hier noch etwas mehr Leben stattgefunden, müsste man auch nicht das Datenblatt kritisieren, das so nicht stimmt und sich wohl auf die Treiber als solche, aber nicht das Endprodukt bezieht.

Zusammenfassung und Fazit

Wo soll ich das Corsair HS55 Wireless Core jetzt einordnen? Das Problem bei so einem Fazit ist ja immer, dass ich das Urteil auch adäquat zum Preis fällen muss. Läge der Straßenpreis um die 60 bis 70 Euro (und da gibt es ja durchaus auch Alternativen), dann wäre das Corsair HS55 Wireless Core zwar keine absolute Empfehlung als P/L-Kracher gewesen, aber in der Kategorie „Kann man machen“ wäre sicher sogar noch ein Spitzenplatz drin gewesen. Aber für knapp 130 Euro? Da liegt die Messlatte schon arg hoch. Dazu kommt, dass sich Corsair wohl dazu entschieden hat, das gute Stück nur über Amazon zu verkaufen. Das sieht fast schon wie eine Einsicht aus, dass man damit das ansonsten gute Portfolio der drahtlosen Headsets wohl nicht beschädigen möchte.

Optisch und haptisch gibt es nichts zu bemängeln, auch wenn das Material bei dieser Preisklasse sicher hochwertiger hätte ausfallen können. Der Tragekomfort ist gut, es sitzt angenehm und wenn man ab und an den Schweiß entfernt, lässt sich das Corsair HS55 Wireless Core auch über mehrere Stunden tragen. Der Akku hält recht lange und man kann locker 5-6 Stunden am Stück zocken. Wer es moderater angehen lässt, kommt sogar mit Musik und Telefonaten locker über den Tag. Nach einer Stunde ist alles voll geladen und nach 15 Minten Ladezeit könnte man sogar bereits wieder eine längere Zeit damit auskommen.

Das Mikrofon ist eine Katastrophe, da gibt es nichts zu beschönigen. Das Problem ist aber nicht die Kapsel, sondern die völlig übertriebe Kompression bei der Funkübertragung. Das hätte man auch ohne Slipstream garantiert besser hinbekommen. Klanglich betrachtet, ist das Corsair HS55 Wireless Core ein typischer Gaming-Bassbomber, was sicher auch eine gewissen Zielgruppe ansprechen wird. Allerdings gibt es für 130 Euro bereits Kopfhörer, die das noch um Welten besser könnten. Und auch Headsets, das will ich hier nicht verschweigen.

Mit den knapp 130 Euro hat Corsair das HS55 Wireless Core in der falschen Gewichtsklasse angemeldet und sich mit Ansage nicht nur ein blaues Auge im Test abgeholt. Ich kann vieles tolerieren, solange die Relation zum Kaufpreis gewahrt bleibt. Aber aktuell ist das Corsair HS55 Wireless Core für das Gebotene einfach mindestens 50 Euro zu teuer.

 

Kommentar

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MeinBenutzername

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Die Stimme übers Mikro klingt mal alles andere als lebhaft, da fehlt ja jegliche Wärme. Da fragt man sich schon ob die Ausgabe nach der Kompression überhaupt jemand bei der Kontrolle abgenommen oder einfach nur durchgewunken hat... Kaufen würde ich vorerst nicht. :(

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Igor Wallossek

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Das liegt nicht am Micro selbst, sondern an der Kompression im Funkmodul :(

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Lagavulin

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Erst einmal vielen Dank für den Test.

Tja, das war wohl nix von Corsair. Schade eigentlich. Ich vermute mal, die produzieren nicht selbst, sondern kaufen ein oder lassen nach Specs und Kostenvorgabe produzieren. Bei Netzteilen, RAM, Tastaturen und Mäusen funktioniert das ja recht gut. Wenn ich von Beschwerden über Corsair lese, dann ist es eigentlich i.d.R. der Preis und nicht die Qualität. Hier haben sie offenbar daneben gegriffen.

Schade, dass Sharkoon keine kabellosen Headsets anbietet. Das kabelgebundene SGH50 kam in Deinem Test ja richtig gut weg. DAC+Kopfhörerverstärker können die auch. Wenn jetzt noch Bluetooth dazukommt, dann sollte da doch was gehen – und wahrscheinlich auch noch preiswerter.

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Igor Wallossek

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Corsair produziert nichts selbst. Das hier ist mal China, die guten Drahtlosen von Corsair werden bei Horn in Vietnam gefertigt :)

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Lagavulin

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226 Kommentare 181 Likes

Interessante Info. Viele schimpfen ja auf die „China-Produkte“. Produktion in Asien muss m.E. nicht schlecht sein – obschon von dort schon etliche Plagiate und „Schrott“ kommen. Kaum jemand würde wohl behaupten, dass das iPhone ein schlechtes Produkt ist, weil es in Asien produziert wird. Ich vermute, es kommt auf den Fertiger (die einzelne Firma) an. Und bei Auftragsfertigung gilt vermutlich überall auf der Welt die goldene Regel „You get what you pay for“.

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Igor Wallossek

1

10,197 Kommentare 18,810 Likes
MeinBenutzername

Veteran

210 Kommentare 74 Likes

Hallo Igor! Ja, das es an der Kompression liegt war mir bewusst - ich habe deinen Artikel ja vollständig gelesen- war wohl etwas missverständlich ausgedrückt. :)

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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