Ich habe seit nunmehr über 15 Jahren so etliche Produkte von Beyerdynamic im Einsatz: Vom High-End-Kopfhörer (T1, T90) über Spaß-Kopfhörer wie den Amiron Home, Avento und Custom One Pro, bis hin zur professionellen Mikrofontechnik. Ich hatte bereits unlängst einen Artikel zur Nicht-Haltbarkeit des Custom One Pro (Link weiter unten) online, aber nun gibt es bereits einen weiteren Fall in der Redaktion, den ich Euch nicht vorenthalten will. Dass Firmen ihr Produktportfolio erweitern und sich dem Markt anpassen, ist normal und überlebenswichtig. Aber…
Früher war Beyerdynamic bekannt für seine qualitativ hochwertigen Audio-Produkte, die in Deutschland hergestellt wurden und gefühlt ewig hielten. Allerdings musste man, wie viele andere Hersteller auch, die Produktion teilweise nach China verlagern, um Kosten zu senken. Qualitätsprobleme können immer auftreten, unabhängig davon, wo ein Produkt hergestellt wird. Allerdings können diese Probleme verstärkt werden, wenn die Produktionsverlagerung in ein Land mit niedrigeren Produktionskosten einhergeht. Gründe hierfür können unter anderem die Verwendung von minderwertigen Materialien, schlechte Qualitätskontrollen oder unzureichende Schulungen der Mitarbeiter sein. Wo die Endmontage und Verpackung erfolgen, ist eigentlich sogar uninteressant, wenn die zugekauften Komponenten nichts taugen.
Das, was allerdings derzeit unter dem Gaming-Deckmantel möglichst Mainstream-konform an den Kunden verkauft wird, scheint diesem historsischen Anspruch auf Qualität nicht mehr zu genügen. Ja, man kann gewollt hip rüberkommen und sich unter Zuhilfenahme von Influencern einen betont jugendlichen Anstrich verpassen, nur muss man trotzdem seinen Prinzipien der Langlebigkeit und Nachhaltigkeit auch gerecht werden, wenn man den Ruf nicht riskieren möchte. Sonst wird auch die High-End-Sparte davon negativ beeinflusst. Wenn ich von mir selbst ausgehe, wird sich der mittlerweile hoch vierstellige Betrag, den ich bisher in die Produkte der Heilbronner versenkt habe, mit Sicherheit nicht weiter erhöhen. Warum ich heute einmal darüber reden möchte (und muss), begründet sich im zweiten Fall eines qualitativen Komplettversagens. Das muss man einfach einmal so benennen.
Konkret geht es um die Beyerdynamic DT700 Pro X, sogenannte Gaming-Kopfhörer aus der Preisklasse über 200 Euro. Das Teil wurde anonym erworben und hielt gerade mal reichlich 8 Monate. Verglichen mit dem für den Preis wirklich vorzüglichen DT770 Pro sind die DT700 Pro X aber bereits optisch und haptisch im Nachteil. Trotzdem wurde gekauft, auch weil auf der Webseite mit den Markting-Slogans “Langlebigkeit dank strapazierfähiger und robuster Verarbeitung” sowie “Nachhaltige Kopfhörer: Made in Germany” geworben wurde. Nachhaltig ist immer gut, denn wer sich an meinen nahezu unbenutzten Custom One Pro und dessen Selbsauflösung erinnert… Ach, geschenkt.
Obsoleszenz mit Methode
Eines muss ich fairerweise noch voranstellen: Beyerdynamic hat dem Mitarbeiter angeboten, das Kopfband auf Kulanz zu ersetzen. So wie man mir ungefragt für den Custom One Pro später noch weitere Ersatzpolster und Kopfband geschickt hat, obwohl ich bereits selbst welche kaufen musste, um die Teile zeitnah für eine Messung weiter nutzen zu können. Interessanterweise ging das initial über Facebook (da hatte jemand meinen Artikel geteilt) und nicht über die öffensichtlich nicht existente Presse-Betreuung.
Leider hat Pascal diesmal im Fall des DT 700 Pro X den Support nicht anonym angeschrieben, so dass die Mitarbeiterin mit Sicherheit bereits vorgewarnt war. Aber ich gehe mal vom bestmöglichen Fall aus und lobe den Support an dieser Stelle. Denn auch Ersatzteilverfügbarkeit und Kulanz sind nicht selbstverständlich. Das Thema hatte ich auch mit Epos Sennheiser, wo sich das Cost-Down beim Supplier schon nach wenigen Monaten rächte. Es sind beides keine Produkte aus dem Niedrigpreis-Sektor und doch verhalten sie sich leider so.
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Kommen wir zurück auf die Marketing-Slogans und genau da klafft ein riesiger Widerspruch. Nachhaltig ist für mich nicht der jährlich notwendige Tausch der Kopfpolster, sondern es wäre einfach nur eine längere Haltbarkeit gewesen. Denn was nicht kaputt ist, muss auch nicht getauscht und weggeworfen werden. Es ist dieses eigenartige Verständniss von gehipstertem Green-Washing, was mir hier sauer aufstößt. Ja, man kann alles tauschen und ersetzen, nur warum die Selbstzerstörung bereits nach 8 Monaten einsetzt, muss wirklich mal beim Hersteller hinterfragt werden. denn das Thema ist nun wirklich nicht neu. Nach fünf Jahren mal die Polster zu wechseln ist ok, die sollte man auch aus hygienischen Gründen mal tauschen und nicht deshalb, weil das schwarze Zeug abbröselt und jeder denkt, man habe stark pigemntierte Kopfläuse. Den Artikel hätte ich bei einen 50 Euro-Headset übrigens nicht geschrieben, denn es gilt wie immer: “You get what you paid for”. Nun ja, schön wär’s schon.
Die Weichmacher-Problematik
Doch worum geht es hier im Detail? PU (Polyurethan) Lederimitat, auch bekannt als Kunstleder oder Veganes Leder, enthält in der Regel Weichmacher, um seine Flexibilität und Weichheit zu erhöhen. Diese Weichmacher sind notwendig, um das Material das Gefühl und die Eigenschaften von echtem Leder nachahmen zu lassen. Es gibt jedoch einige Bedenken in Bezug auf Weichmacher. Einige Weichmacher, insbesondere Phthalate, sind bekannt dafür, dass sie gesundheitliche Probleme verursachen können und als endokrine Disruptoren wirken. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass nicht alle Weichmacher gleich sind und viele sicher in der Anwendung sind.
In Bezug auf die Haltbarkeit kann die Verwendung von Weichmachern in PU-Leder tatsächlich zu einer verringerten Lebensdauer führen. Mit der Zeit können Weichmacher aus dem Material austreten, was zu Rissen und Brüchen führen kann. Dies ist besonders in Umgebungen mit hoher UV-Strahlung oder extremen Temperaturen der Fall. Es ist jedoch zu beachten, dass die Qualität und Haltbarkeit von PU-Leder stark von der Herstellungsqualität und den spezifischen Materialien abhängen, die verwendet werden. Hochwertiges PU-Leder kann sehr langlebig sein und wird oft in der Möbel- und Automobilindustrie verwendet. Das aber ist bei den Produkten von Beyerdynamic leider nicht der Fall.
Betrachtet man das Bild des Kopfbandes, dann sehen wir, wie sich die spröde gewordene PU-Schicht bereits vom textilen Trägermatrial ablöst. Ein funktionierendes Qualitätsmanagement (QM) hätte so ein Verhalten eigentlich ausschließen können. Solche Punkte gehören auch ins Pflichtenheft des OEM/ODM, was aber anscheinend nicht der Fall war.
Kontaktprobleme: Steckverbindungen mit Knack-Faktor
Ein weiterer Punkt, der ärgerlich und alles andere als nachhaltig ist, ist die mini-XLR Steckverbindung des Anschlusskabels. Hier gab es nach nur wenigen Monaten bereits Kontaktunterbrechungen mit argen Knacksern als Folge. Da die Steckstifte noch einigermaßen fest zu sitzen scheinen, sollte das Kabel einen Defekt aufweisen. Warum man so eine Lösung nutzt, weiß wohl nur Beyerdynamic allein, denn die einfachen 3-poligen mini-XLR sind bekannt für Ausfälle im Dauerbetrieb der Kabel. Das Kabel kostet um die 20 Euro, das Kopfpolster auch. Wenn das jährlich kaputt geht, hat man nach 5 Jahren fast den Kaufpreis überholt und einen wirtschaftlichen Totalschaden.
Fazit und Zusammenfassung
Neben den ganzen Bemühungen, sich mit aller Macht einer jüngeren Zielgruppe anzudienen, sollte man bei Beyerdynamic auch die alten Werte nicht aus den Augen verlieren. Sonst verschwindet man schneller im quietschebunten Mainstream, als der Geschäftsführer Mops sagen kann. Wer heute auch High-End verkaufen will, darf nicht an der Basis patzen. Der Spagat sollte durchaus schaffbar sein, nur muss man seine Komponenten zumindest so zukaufen, dass man einen guten Kompromiss aus Haltbarkeit, Nachhaltigkeit und Anspruch findet. Dann klappt es mit allen Zielgruppen. Allerdings hat man mich als jahrzentelangen Kunden mittlerweile verloren, denn das Vertrauen ist durch solche Dinge nachhaltig gestört.
Es geht nicht darum, Kunden mit Kulanz zu sedieren, sondern es erst gar nicht zum vorprogrammierten Schadensfall kommen zu lassen. Wohlwollen beim Käufer schafft man sich nicht im Nachhinein über den Support, sondern erst einmal über das Produkt und dessen Qualität.
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