Wir wollen heute einmal herausfinden, was in den zwei extrem teure Pasten wirklich drin ist und welche Philosophie sich hinter der jeweiligen Mischung verbirgt. Und um es schon vorab etwas zu spoilern: Der größte Unterschied besteht hier wirklich nur in der Farbe. Schickes Baby-Blau in der Tube gegen ein nettes Baby-Rosa aus der Dose und zwei Preise, die an gewisse Produkte mit der Goldkante erinnern. Nur ist es hier, wie mit gewissen Hochgeschwindigkeits-Reifen im wahren Leben: Sie haben durchaus ihre Berechtigung, wenn der Einsatzzweck dazu passt. Für alles andere ist es eher Wunschdenken und natürlich auch ein Stück weit eine Marketing-Lehrstunde. Da schwingt sogar von meiner Seite fast schon ehrliche Bewunderung mit, weil man nicht selbst drauf gekommen ist.
Die beiden Pasten hat diesmal de facto die Spendenkasse bezahlt und ich hoffe nicht, dass man mir jetzt pure Verschwendung oder Veruntreuung unterstellt. Aber die Neugier war am Ende dann doch zu groß, die beiden Edelstoffe einmal gründlich zu zerlegen. Doch bevor wir mit der Analyse beginnen, will ich noch ein paar kleine Grundlagen loswerden, die man bei der Beurteilung der beiden Pasten unbedingt wissen sollte.
Wärmeleitende Partikel als Basis
Jede Paste setzt auf bestimmte Partikel einer chemischen Verbindung mit möglichst geringem Wärmewiderstand. Hier gibt es viele Möglichkeiten bis hin zu Diamantpulver. Es sind allerdings auch Partikel, deren Körnung für die spätere Performance eine sehr große Rolle spielt. Da ist es einerseits die Form, die plättchenförmig, kristallförmig oder eher rund sein kann. Andererseits spielt natürlich auch die Korngröße eine sehr große Rolle. Und da beißen sich bereits Theorie und Praxis. Gröbere Körnungen bieten, zumindest auf dem Papier, zwar einen niedrigeren Wärmewiderstand, lassen aber auch größere Zwischenräume zwischen den Partikeln und selbst auch der Oberfläche offen. Das wiederum wirkt sich negativ auch die tatsächliche Wärmeleitfähigkeit der gesamten Mischung aus.
Höhere Körnungsgrößen machen die Schichten im Normalfall aber auch etwas zu dick. Zu feine Körnungen hingegen ergeben dünnere Schichten unter großem Druck, machen Pasten mit etwas Pech aber zu fest. Flüssig, eher schlotzig oder doch schon etwas viskoser? Mit der Körnung kann man die Konsistenz bereits im Vorfeld recht gut steuern. Clever ist, wer verschiedenen Körnungen mischt, also Irgendetwas zwischen 1 bis 2 µm und etwas Größeres bis ca. 5 µm. Dann hat man aus beiden Welten etwas.
Füllstoffe
Und wie bekommt man nun die Zwischenräume z.B. zwischen einem Korund zweckmäßig gefüllt? Für alles unter 1 µm nutzt man einen noch möglichst gut wärmeleitenden, deutlich billigeren Füllstoff, oft auch plättchenförmig. Denn vor allem die ganz feinen Körnungen bei Korund, Diamant und Bornitrit werden so richtig teuer. Das Zeug will ja aufwändig gemahlen werden, und das kostet dann eben. Deshalb setzen viele bei rund 1 bis 1.5 µm den Cut und füllen mit Zusatzstoffen auf. Am günstigsten sind Dinge wie z.B. Zinkoxid, die auch allein schon als Basis für günstigere Pasten genutzt werden.
Bindemittel und Mischung
Damit die Paste nicht als Staub zum Kunden kommt, werden verschiedene Bindemittel genutzt, die der Paste einerseits auch die finale Konsistenz garantieren und die andererseits eines der wichtigsten Geheimnisse darstellen, wenn es um Langzeit-Haltbarkeit („Reliability“) und die Performance in bestimmten Temperaturfenstern geht. Die heute getesteten Paste sind auch für den Sub-Zero-Bereich nutzbar, was natürlich noch einmal andere Herausforderungen an das Bindemittel bedeutet als für eine „normale“ Consumer-Paste.
Die fast immer verwendeten Silikon-Öle (lineare Polysiloxane) sind, rein chemisch betrachtet, ein Mittelding zwischen anorganischer und organischer Chemie. Sie besitzen ein anorganisches Gerüst (wie in Gesteinen und Mineralien) und beinhalten bestimmte organische Reste. Damit positionieren sie sich zwischen Silikaten und Kunststoffen. Die sich daraus ergebenden Eigenschaften sind vielseitig und vor allem auch gut steuerbar. Leider lassen sich diese Silikonöle nur schlecht mit einer EDX analysieren. Selbst wenn man einen Tiefsttemperaturtisch nutzen kann, bekommt man nur die chemischen Elemente, jedoch keine Informationen über die Moleküle selbst und deren Vernetzungsgrad. Falls einer der Leser dazu in der Lage wäre: gern mal eine Rückmeldung per PN im Forum, per Mail oder auch Telefon (steht alles im Impressum).
Sehr wichtig für die Qualität und Haltbarkeit einer Paste sowie die deckungsgleiche Konsistenz aller Chargen ist das „Conchieren“, also das permanente und vollständige Mischen aller Bestandteile bis zum annähernden Erreichen der idealen Verteilung aller Bestandteile und dessen Beibehaltung. Ganz perfekt wird man die Massenverteilung sicher nie hinbekommen, aber fast. Aber Ihr kennt das ja auch vom Kakao: wenn man nicht ständig rührt und schüttelt, dann sinken die Schwebstoffe mit der Zeit wieder zum Boden und die Paste löst sich auf. Da hilft nur ständiges Rühren und Umwälzen. Wer das nicht oder nur unzureichend durchführt, hat bei jeder Charge ein anderes Ergebnis und die Pasten sind nicht mehr gleich. Vor allem bei günstigeren Abfüllern ist da wirklich Gefahr im Verzug, denn man kann durch solche Nachlässigkeiten selbst die beste Paste fast nutzlos machen.
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