Kühlung Praxis Testberichte Wärmeleitpaste und Pads

Zwillinge? Thermal Grizzly Kryonaut Extreme vs. Kingpin Cooling KPx mit Rasterelektronenmikroskop und Röntgenspektroskopie analysiert

Mein aufrichtiger Dank geht an erster Stelle natürlich wieder an einen meiner Industrie-Partner, wo man selbstlos und in der freien Zeit die passenden Untersuchungen und auch die nötigen technischen Vorarbeiten realisiert hat.  Dazu kommen auch die technische Beratung und die praktische Umsetzung der doch etwas branchenfremden Tests. Originalbilder aus dem Labor können und dürfen wir Euch leider aus nachvollziehbaren Gründen der Geheimhaltung in solchen Bereichen nicht bieten, aber die Produktbilder tun es sicher auch.

Symbolbild des verwendeten GeminiSEM 500 (Source Carl Zeiss)

Nun ist es allerdings so, dass wir hier kein Wissenschaftsmagazin sind, sondern eine möglichst breite Masse abholen und auch etwas Hintergrundwissen vermitteln möchten, ohne dass der Leser schon am ersten Absatz verzweifelt. Deshalb habe ich das Folgende doch sehr weit herunterbrechen müssen, hoffe aber, dass es so verständlicher wird und mir die Fachleute trotzdem vergeben. Es ist eher populärwissenschaftlich erklärt, aber anders geht es hier nun mal nicht.

Scanning Electron Microscope (SEM)

Ich bleibe der Einfachheit halber mal bei SEM, wobei die deutsche Ersetzung REM (für Rasterelektronenmikroskop) ja gleichbedeutend ist. Da aber diese Abkürzungen auch in den Produktnamen auftauchen, belasse ich es besser beim Original. Die Spielarten der Bilderzeugung wie Ruhebild- oder Raster-Elektronenmikroskop, sowie die Realisierung via Transmission (TEM, STEM) oder Rückstreuung (SEM) lasse ich einmal außen vor, da wir hier primär auf ein Reflexionsmikroskop setzen und sich manche der Methoden sogar überlagern können. Im Grunde handelt es sich um eine komplexe Elektronen-Optik, bei der eine Kombination aus elektromagnetischen und elektrostatischen Linsen einen feinen Elektronenstrahl als Raster über den zu testenden, rechteckigen Objektbereich führt. Das finale Bild entsteht dabei durch die synchrone Registrierung eines vom Elektronenstrahl ausgelösten oder beeinflussten Signals.

Es gibt Verfahren, die vorranging auf die Sekundärelektronen (SE) setzen, jedoch interessieren uns vor allem die Rückstreuelektronen (BE bzw. BSE), wobei das Bild der MX-4 oben die BE sehr schön kontrastiert zeigt. Zur Erklärung: Diese BE sind diejenigen Elektronen aus dem Primärstrahl, die an den getroffenen Atomkernen im Nanometerbereich unterhalb der Objektoberfläche dann elastisch gestreut werden. Die Menge der Rückstreuelektronen steht im unmittelbaren Verhältnis zur mittleren Ordnungszahl des untersuchten Materials.

Hier im Bild sehen wir den Vergleich von ZnO zu Al. Das schwerere ZnO hat wesentlich mehr Elektronen in den Schalen als Al. Somit besteht eine größere Wahrscheinlichkeit der Rückstreuung von Primärelektronen. Als Folge kommen mehr Signale am Detektor an. Somit bekommt man durch das Rückstreusignal bereits eine chemische Information: die im Bild heller erscheinenden Anteile haben eine höhere mittlere Ordnungszahl als die dunkler erscheinenden Anteile. Ansonsten gilt natürlich auch: Tieferliegende Bereiche des speziellen Objekts erscheinen dunkler, die näherliegenden hell, was zu einer plastischen und recht kontrastreichen Abbildung führt.

Die messbare Energie dieser Elektronen liegt dabei im Bereich der eingestrahlten Primärelektronen und die resultierende Bildauflösung (je nach eingesetzter Primärenergie) im Mikrometerbereich. Mit Hilfe der Elektronenrückstreubeugung (was für ein Wort)  ließe sich zudem für die Bestimmung bestimmter Materialeigenschaften noch die kristallographische Orientierung der Kristalle an einer Oberfläche nutzen, was aber jetzt wirklich etwas zu weit führen würde.

Eingesetzte Ultim®Max für die Nanoanalyse (Source Oxford Instruments)

Doch wir brauchen für unsere abschließende Analyse auch noch ein weiteres Werkzeug. Wir müssen ja das eingesetzte Rasterelektronenmikroskop noch dazu befähigen, spezielle chemische Analysen an den Oberflächen im Mikrometer-Bereich durchzuführen. Hierfür nutzen wir die energiedispersive Röntgenanalyse (EDX). Durch die Kombination des bildgebenden Rasterverfahrens im SEM mit der EDX ist es auch möglich, schöne Elementverteilungsbilder aufzunehmen (Bild oben). Für die EDX werden die Atome durch einen Elektronenstrahl mit einer ganz bestimmten Energie angeregt, was wiederum zu Röntgenstrahlung mit einer für das jeweilige Element charakteristischen Energie führt. Man nutzt also die entstehende Emission, um einen Aufschluss über die Zusammensetzung der Wärmeleitpaste zu erhalten.

Natürlich ist das Ganze jetzt sehr stark vereinfacht beschrieben, aber so ganz ersparen kann ich es Euch leider nicht. Doch ich kann Euch beruhigen, denn ab der nächsten Seite wird es, auch weil ihr bis hierher so tapfer durchgehalten habt, einfacher und auch unterhaltsamer. Damit uns das bereits erwähnte Silikonöl nicht stört, werden wir im ersten Arbeitsgang die Paste quasi „waschen“. Einmal umblättern bitte!

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Derfnam

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7,517 Kommentare 2,029 Likes

Rasterfahndung, Mahn. Und ein Joint Venture.

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Gregor Kacknoob

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524 Kommentare 442 Likes

Die perfekte Morgenlektüre zum wachwerden. Sehr spannendes Thema. Wie wohl eine Diamantpaste in einem Vergleichstest abschneiden würde :unsure:

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Igor Wallossek

1

10,198 Kommentare 18,814 Likes

Kaum besser. Je dünner man so eine Paste hinbekommt, umso geringer der Wärmewiderstand. Es hängt auch Vieles vom IHS und dess Oberfläche ab, also nicht nur von einer möglichen Wölbung.

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P
Phoenixxl

Veteran

158 Kommentare 120 Likes

Ich würde Thriller Grizzly kaufen, wenn es eine von beiden sein muss. Roman ist das ja dabei und der engagiert sich schon sehr für die Hardware Community.
Und auch wenn es bei HBBot gerade ein Skandälchen gab, hat er es von seiner Seite wieder vorbildlich "gemanaged".
Auch das Thema Spannungswandler-Temperaturen auf Mainboards war etwas, dass glaube ich von ihm auf die Agenda der Mainboard-Hersteller gesetzt wurde.

Dabei möchte ich gar nicht sagen, dass Igor nicht hinter den Kulissen nicht auch so wirkt.

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onyman

Veteran

237 Kommentare 125 Likes

Ich würde es begrüßen, wenn bei REM Bildern IMMER ein µ-Balken im oder am Bild ist. Die Vergrößerungsangaben lassen keine Quervergleiche zu.

PS: Die REM Bilder auf den Seiten 5 und 6 sind übrigens gleich.

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Ocastiâ

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106 Kommentare 49 Likes

Sehr cool, obwohl mich jetzt natürlich auch alle anderen Pasten interessieren, das zeug von Noctua soll ja sehr gut sein.

Irgendwie fühle ich mich bei den Sportreifen angesprochen, immerhin habe ich Michelin Pilot Sport 4 auf meinem 132kw Diesel... und vor Kryonaut extreme für meinen nächsten Rechner zu verwenden.
Naja besser als Techart-Spoiler und RGB Kirmes.

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Annatasta(tur)

Veteran

354 Kommentare 128 Likes

Also ich glaube, rot leitet die Wärme besser! :p :ROFLMAO:

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Ocastiâ

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106 Kommentare 49 Likes

Rot leitet die Wärme schneller!
Blau bringt glück.
Zumindest wenn man den 40k Orks glaubt.

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Annatasta(tur)

Veteran

354 Kommentare 128 Likes

Jetzt ist nur noch die Frage, ob man eher Glück bei der Kühlermontage oder schnellere Wärmeabfuhr braucht. ;)

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FfFCMAD

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670 Kommentare 174 Likes

Die Unterschiede duerften Messbar sein, wenn auch nicht unbedingt bei zwei fast identischen Produkten. Die normale Kryonaut ist jedenfalls nicht ganz so gut unterwegs wie die Extreme bei der Waermeableitung. Wenn man das Geld hat, warum nicht? Speziell wnen man dann bei der 4090 oder dem Ryzen 7950x genau die ein oder 2 °C weniger auf der Uhr hat, die ein klein wenig mehr Boost bringen.

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Steffdeff

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727 Kommentare 678 Likes

Ich habe den Artikel mal zum Anlass genommen und meine Wärmeleitpaste erneuert. War sowieso längst fällig.
Arctic Silver runter und Phobya Nano Extreme drauf. Bringt 4 Kelvin (!) geringere Temperaturen beim CPU-Z Stresstest nach 20 Minuten. Neu gegen alt zu vergleichen ist aber auch ein wenig unfair. 🫣
Die zwei Pasten aus dem Artikel sind ohne Vergleichsmessung für mich jedoch schwer einzuschätzen. Preislich spielen sie aber ganz vorne mit. Wahrscheinlich so ein OC Ding.
Wo wir gerade beim Preis sind, der ist doch gar nicht so der große Posten im Rechner.
Außer man kauft, wie Igor, die Familienpackung.😉
Mir erschließt sich dieses Schminkdöschen als Verpackung jedoch nicht!
Die Klecks und Würstchen Fans (gehöre ich dazu) haben damit keine Freude.

Danke für den TIEFEN Einblick in die Materie!

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FfFCMAD

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Die Spritzen mit 2g sind die eigentlich teuren. Die kleine Dose mit 30g ist im Vergleich spottbillig.

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Ghoster52

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1,408 Kommentare 1,064 Likes

Wer braucht schon 30g ???
Die könnte ich dann noch den Urenkeln vererben, wenn es kein Haltbarkeitsdatum gibt. :ROFLMAO:

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Igor Wallossek

1

10,198 Kommentare 18,814 Likes

Das ist doch die Spachtelmasse für Overclocker. Die spateln das Zeug drauf, wie meine Kids die Leberwurst aufs Brot. :D

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Annatasta(tur)

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354 Kommentare 128 Likes

Also mindestens 5 mm.🤣

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FfFCMAD

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670 Kommentare 174 Likes

Also eine 10g Spritze haelt bei mir zwei Jahre. Ich tausche die WLP oefter/ Modifiziere das System

Diese kleine Dose duerfte dann noch laenger halten, da luftdicht > Kaum zu erwarten das sie austrocknet :D

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K
Karborund

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46 Kommentare 50 Likes

Man könnte dann natürlich so eine Art Ying-Yang Wurst auftragen und auf beides hoffen.

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ro///M3o

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345 Kommentare 239 Likes

Danke für die Einblicke :cool: schön wäre noch die Alphacool ZubZero oder Apex zum Vergleich gewesen. Ich persönlich halte viel von den beiden :)

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e
eastcoast_pete

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1,475 Kommentare 832 Likes

Die andere Frage die ich hier habe ist, welche Paste denn wie lange brauchbar die Hitze transferiert? Und dabei meine ich wie viele Monate man sich hier wenig oder keine Sorgen machen muss, daß die thermale Leitfähigkeit deutlich verloren geht. Oder sind hier Pads besser, und wenn ja, welche?
Und bei der ganzen "trocknet das Zeug schnell aus oder nicht" Frage kommen u.U. auch die Eigenschaften der silikonorganischen Bindemittel zum Tragen, denn Korund oder Zinkoxid bleiben von Zeit, Wärme und Sauerstoff eher unbeeindruckt.

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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