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1More Triple Driver Stereo-Kopfhörer im Test – Nische einmal anders interpretiert | igorsLAB

Mit einer UVP von 249 USD und einem Straßenpreis von ca. 160 Euro spielt der 1More Triple Driver zumindest preislich schon ein wenig in der Liga der Schönen und Klangreichen mit. Ob das mit dem akustischen Gegenwert dann auch hinkommt, das muss der heutige Test beweisen...

Messung des Kopfhörer-Frequenzverlaufs

Kommen wir nun zur Messung der Kopfhörer-Qualität. Ich habe den Frequenzverlauf wiederum bei 1 KHz auf 0 dB normiert, so dass man einerseits gut den Gesamtverlauf mit allen Zugaben und Frequenzabfällen bewerten kann und andererseits auch nicht ganz die Vergleichsmöglichkeit zu vorangegangenen Messungen verliert. Aber es ist trotzdem anders, weil ja die Glättung (1/1 Oktave) durch die nahezu ungeglättete Darstellung (1/24 Oktave) ergänzt wird. Das alles sieht dann natürlich deutlich „hibbeliger“ aus, passt aber auch wesentlich besser zur Realität. Denn eines ist auch klar: es gibt sie nicht, die ideale Kurve.

Hier muss ich jetzt noch einmal auf die Polster zurückkommen, denn es sind bei mir ja eher On-Ears, als Over Ears. Der gemessene Frequenzverlauf ist extrem davon abhängig, wie die Kopfhörer sitzen. Ist der Anpressdruck zu niedrig oder zu hoch verschiebt sich die Kurve sehr deutlich. Das würde ich sogar kritisch sehen, denn man ist beim Hören (zumindest anfangs) immer irgendwie bestrebt, die Teile besser zurechtzurücken. Vor allem der Bassbereich ist bei falschem Sitz stärker limitiert als man es auf der Kurve sieht.

Auch im Hochton ist Peak im Verzug, wenn man die Muscheln zu stark anpresst. Das passiert allerdings schneller als man denkt, denn die doch sehr unkonturierten und weichen Polster haben einen akustischen Seitenhalt wie die Sitze in einem alten Renault. Unsere Kurve hier ist der Idealfall, wenn der Kopfhörer auf einem nicht allzu großen Kopf richtig sitzt. Den Gegenbeweis spare ich mir dann aber dann doch lieber.

Ungeglättet sieht das nicht anders aus und man sieht auch sehr schön die übliche 250-Hz-Delle, die fast immer eine Folge einer Basskorrektur ist. Was man untenherum anhebt, schiebt fast immer eine solche Delle vor sich her. Die unteren Mitten sind also etwas gehandicapt, was dem Kopfhörer etwas die Wärme und Fülle nehmen sollte. Die 20-Hz-Angabe in den Specs ist Wunschdenken, denn bei einem Pegelabfall von 20 dB hört man da (fast) nichts mehr. Oben hinaus passt es allerdings.

Hier spielt natürlich auch noch das „nur“ semi-professionelle Messequipment eine Rolle, aber trotzdem fällt das Gemessene auch hier analog zum geglätteten Verlauf aus. Es ist ganz gut, aber leider nicht überragend. Das können 100-Euro-Kopfhörer eigentlich auch, wenn man nicht ganz blind einkauft.

 

Kumulative Spektren (CSD und SFT)

Das kumulative Spektrum bezeichnet verschiedene Arten von Diagrammen, die Zeit-Frequenz-Eigenschaften des Signals zeigen. Sie werden durch die aufeinanderfolgende Anwendung der Fourier-Transformation und geeigneter Fenster auf überlappende Signalblöcke erzeugt. Diese Analysen basieren auf dem bereits oben dargestellten Frequenzgangdiagramm, enthalten aber zusätzlich noch das Element Zeit und zeigen nun als 3D-Grafik („Wasserfall“) sehr anschaulich, wie sich der Frequenzgang über die Zeit hin entwickelt, nachdem das Eingangssignal gestoppt wurde. Umgangssprachlich wird so etwas auch „ausklingen“ oder „ausschwingen“ genannt.

Normalerweise sollte der Treiber nach dem Wegfall des Eingangssignals ebenfalls möglichst schnell anhalten. Einige Frequenzen (oder sogar ganze Frequenzbereiche) werden jedoch immer langsam(er) abklingen und dann in diesem Diagramm als länger anhaltende Frequenzen auf der Zeitachse auch weiterhin erscheinen. Daran kann man gut erkennen, wo der Treiber eklatante Schwächen aufweist, vielleicht sogar besonders „scheppert“ oder wo im ungünstigsten Fall Resonanzen auftreten und das Gesamtbild stören könnten.

Zwei Arten eines kumulativen Spektrums werde ich nun testen:

Cumulative Spectral Decay (CSD)
Der kumulative spektrale Zerfall (CSD) verwendet die FFT und ein modifiziertes Rechteckfenster, um den spektralen Abfall der Impulsantwort zu analysieren. Es wird hauptsächlich zur Analyse der Lautsprecher-Antwort verwendet. Der CSD verwendet normalerweise nur eine kleine FFT-Blockverschiebung (2-10 Samples), um Resonanzen im gesamten Frequenzbereich besser sichtbar zu machen und ist somit ein nützliches Werkzeug zur Erkennung von Resonanzen des Wandlers.

Das Bild ist nicht einmal schlecht, man sieht aber den von mir angedrohten Hochton-Peak viel besser, als es die Frequenzkurve vermag. Es ist eben nicht nur die Frage, wie hoch der Pegel eines bestimmten Frequenzbereichs ausfällt, sondern wie lange dieser Pegel auch anliegt, nachdem die Signal verschwunden ist. Da sehe ich im Superhochton dann auch die Spuren des Designs, das sich diesen unsäglichen Hi-Res-Audio-Logo andient, nur um konform zu gehen. Not my taste.

Short-time Fourier Transform (STF)
Die Kurzzeit-Fourier-Transformation (STF) verwendet das FFT- und Hanning-Fenster, um das zeitlich variierende Spektrum der aufgezeichneten Signale zu analysieren. Hier nutzt man im Allgemeinen eine größere Blockverschiebung (1/4 bis 1/2 der FFT-Länge), um einen größeren Teil des zeitvariablen Signalspektrums zu analysieren, wobei man besonders den Einsatzgebieten wie Sprache und Musik näherkommt.

Im STF-Spektrum sehen wir die Peaks im Hoch- und Superhochton sogar noch deutlicher. Damit produziert man zwar ein sehr helles und knisterndes Feeling („crispy“), aber für meinen Geschmack ist das alles schon too much.  Resümiert man jetzt beide Kurven, dann bleibt als Zwischenfazit, dass das Gebotene nicht schlecht, aber eben auch nicht sensationell ist. Ich werde also gleich noch einmal genauer hinhören müssen, um Auflösung, Tiefenstaffelung und Pegelfestigkeit zu beurteilen. Denn das lässt sich nun einmal schlecht messen.

 

Subjektives Hörerlebnis

Testen wir nun auch subjektiv, was man im Original geboten bekommt und zwar OHNE das angebotene Sounding. Ich habe das Headset vorher jedoch wie immer länger im Messraum eingesperrt und mit einem ausgewählten Sound-Loop gequält, um erst einmal Betriebsstunden zu schrubben. Was tut man nicht alles für unsere eingefleischten Einspielfanatiker unter den Lesern 🙂

Basswiedergabe

Den Tiefstbass in der Subkontraoktave (16,4 Hz bis 32,7 Hz) testen mit einer Aufnahme von Bachs Toccata und Fuge D-Moll (19 und 25 Hz) sowie der Festival-Ouvertüre 1812 von Tschaikowsky (10 Hz und 12,5 Hz). Das gleiche gilt auch für die unteren Bereiche der Kontraoktave (32,7 bis 65,4 Hz). Die große Basstrommel (Kick Drum), die in der U-Musik ein gern gesehener Begleiter und meist auf ca. 55 bis 60 Hz abgestimmt ist, wird diese Beurteilung dann abrunden.

Der Bass ist vorhanden, schwächelt aber unterhalb von ca. 45 Hz bereits deutlich hörbar. Der echte Tiefbass ist extrem schwach, was aber bei normalen Quellen kaum auffällt. Wer also nicht zwingend die tiefergelegten Instrumente wie eine große Orgel bevorzugt und bei Filmen auf sich ankündigende Erdbeben steht, kann damit noch entspannt leben. Eine tiefer abgestimmte Bassgitarre geht noch genauso gut, wie die große Basstrommel. Die Impulse kommen sehr präzise und trocken, jedoch bleibt der Bass etwas zu lange stehen. Dieses „Nachziehen“ kann man mögen, ich finde es aber nicht wirklich nötig.

Der Oberbass bis 150 Hz, in dem auch die Große Oktave (65,4 bis 130,8 Hz) liegt, beherbergt die Sprachgrundfrequenz der männlichen Stimme und entscheidet sehr stark über die naturgetreue Wiedergabe männlicher Vocals.

Männlichen Vokals wirken eher großvolumig, aber nicht dominant. Dieser Spielart ist angenehm, denn man wird nicht gleich davon erschlagen. Trotzdem entsteht dadurch im Gegenzug eine gewisse Kühle oder gar Kälte, mit der man mental erst einmal klarkommen muss. Mir persönlich gefällt es gerade noch so, auch wenn es fast schon analytisch wird. Die Auflösung ist hier überdurchschnittlich gut.

Mitteltonbereich

Die unteren Mitten (auch Grundtonbereich) liegen bei ca. 150 bis 400 Hz. Zusammen mit dem bereits erwähnten Oberbass spielt dieser Bereich eine sehr wichtige Rolle für die subjektiv empfundene Wärme bzw. Fülle des Klangbildes. Die Sprachgrundfrequenz weiblicher Stimmen ist in diesem Bereich zu finden.

Weibliche Vocals versinken nicht, werden aber ihrer Fülle beraubt und man ist endgültig im Kühlhaus angekommen. Das Ganze trifft nämlich auch alle Instrumente, deren Grundfrequenzen in diesen Bereich fallen. Gamer könnten diese Kühle sogar mögen, denn es passt schon zu winterlichen oder postapokalyptischem Szenen. Für die entspannte Feierabend-Berieselung mit Diana Krall brauche ich dann aber schon noch eine Wärmflasche.

Die oberen Mitten zwischen 400 Hz bis etwa zwei KHz beinhalten bei einem KHz eine Marke, die immer noch als Referenz für viele Messungen gilt. Das merkt man leider auch oft bei günstigeren Geräten, da die Hersteller oft versuchen, gerade diese Frequenz etwas überzubetonen. Auch beim Gaming spielt dieser Bereich keine unbedeutende Rolle und eine ausgewogene Wiedergabe trägt nicht unwesentlich zu einer guten räumlichen Auflösung bei.

Das alles kommt sauber und sehr schön differenziert ans Ohr. Die Tiefenstaffelung ist erstaunlich gut, was mich dann wiederum echt positiv überrascht hat. Dazu kommt auch die leichte Anhebung am oberen Ende, die besonders der räumlichen Abbildung sehr entgegen kommt. Den Gamer wird es freuen, der Musiker überlebt es. Unterm Strich passt das also durchaus.

Hochtonbereich

Zwischen zwei bis etwa 3,5 KHz ist das menschliche Gehör am empfindlichsten, zumal dieser Bereich der unteren Höhen für die gute Oberton-Wiedergabe der menschlichen Stimme zuständig ist. Dieser Frequenzbereich ist nämlich entscheidend für die Wiedererkennung einer Stimme oder eines Instrumentes; man spricht in diesem Zusammenhang auch von der jeweiligen Klangfarbe.

Die kleine Delle ist hinproduziert, denn sie gleicht aus, was das Ohr am Ehesten aufnimmt. Die Klangfarbe verändert diese Interpretation kaum und man freut sich über das Potential der Treiber in diesem Frequenzbereich. Wenn, dann ist dieser Bereich das eigentliche Sahnestück bei der Wiedergabe, wo kaum Fragenzeichen im Raum stehenbleiben.

Die mittleren Höhen (3,5 bis sechs KHz) entscheiden über das Ge- oder Misslingen der Sprachwiedergabe als Gesamtbild, denn die S- und Zischlaute (Sibilanten) fallen in diesen Bereich. Die oberen Höhen reichen dann bis ca. zehn KHz, um in den Superhochton überzugehen.

Über die Peaks und das merkliche Nachschwingen schrieb ich bereits. Dem ist kaum etwas hinzuzufügen, denn Sibilanten, Ausblasgeräusche und beim Gamer z.B. die Schüsse sind etwas zu dominant. Ob hier die aufgesetzte Hochtonlösung dann doch etwas zu forsch zu Werke geht? Es bleibt zumindest im Schema einer eher unterkühlten Umsetzung, was auf eine gewisse Konsequenz beim Design schließen lässt.

 

Zusammenfassung und Fazit

Der 1More Triple Driver ist kein schlechter Kopfhörer, aber mit einem Straßenpreis von ca. 160 Euro eben auch kein Schnäppchen. Er muss in dieser Preisklasse gegen ganz andere Größen antreten und genau dort sehe ich dann auch die Probleme. Auf der akustischen Haben-Seite sehe ich die sehr gute Auflösung und die möglicherweise vom Kunden so gewünschte kühlere Auslegung, zu den Einschränkungen zähle ich die schwammigen, unkonturierten Ohrpolster und die Peaks im Hochton bzw. Superhochton.

Die Materialwahl kann, bis auf die uninspirierte, viel zu weiche Polsterung, durchaus überzeugen und der Sitz ist für mittelgroße Köpfe noch ok, für kleinere sogar gut. Was mich etwas störte, ist der vom Sitz sehr stark beeinflusste Frequenzverlauf, was aber auf die Polsterung zurückfällt. Die Pegelfestigkeit ist ausreichend, aber nicht grandios, der Tiefbass genau um den Faktor zu schwach, um den einem der Superhochton dann auf den Geist geht. Wobei dies natürlich ein sehr subjektives Urteil ist.

Ehrliche Meinung? Für 80 bis 100 Euro würde ich sofort eine Empfehlung aussprechen, aber bei fast 160 Euro hätte ich dann doch etwas mehr erwartet. Nicht schlecht, aber einfach zu teuer. Denn die Messlatte hängt ab 100 Euro schon verflixt hoch. Und genau diese wird ein einigen Bereichen aber noch nicht einmal gerissen, sondern man springt einfach unten drunter durch. Mein Tipp: Preis runter, dann Daumen hoch!

 

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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