Grafikkarten Testberichte VGA

Hungerkur für die Radeon R9 Fury: Weniger Spannung, bessere Effizienz | Retro: vor 5 Jahren

Warum wir eigentlich gar nicht „undervolten“ können

Schön wär’s schon, doch Power Tune wäre nicht Power Tune, wenn man einfach mal so eine Spannung umstellen könnte. Der Arbitrator als Wächter über die Chip-Gesundheit und Manager des elektrischen Caterings hat da auch noch ein gewichtiges Wörtchen mitzureden. Dies wird wohl auch einer der Gründe sein, warum AMD sich mit der Freigabe so schwer getan hat. Wenn wir nun die Spannung einmal genauer betrachten, werden wir auf den ersten Blick auf einen gewaltigen Widerspruch stoßen!

Denn wenn man nämlich die rote Kurve (Default) mit der blauen vergleichen, dann sehen wir erstaunt, dass die durchschnittliche Spannung (VDDC) von ca. 1,10 Volt sogar leicht auf 1,12 Volt angestiegen ist! Allerdings fallen die Spitzen von maximal 1,2 Volt auf nunmehr nur noch 1,1375 Volt. Weiterhin sehen wir deutlich, dass die extremen Ausschläge in beide Richtungen wesentlich geringer ausfallen und der Verlauf „ruhiger“ wird. Wir erkennen auch zwei Drops, die uns die Grenzen unserer Spannungsmanipulation andeuten. Mehr ginge nicht, sondern würde die Stabilität komplett in Frage gestellt werden. Die durchschnittliche Stromstärke fällt übrigens im Gegenzug zur leicht gestiegen Durchschnittsspannung recht deutlich ab, was letztendlich auch zur niedrigeren Leistungsaufnahme führt.

Doch wie wirkt sich diese deutlich glattere Verlaufskurve auf die Leistungsaufnahme aus?  Betrachten wir dazu die drei nachfolgenden Diagramme. Insgesamt 60 Sekunden lassen wir als Ausschnitt stehen und vergleichen zunächst die ungebremste Karte mit dem darunter befindlichen Lastverlauf, den uns die Frametimes sehr gut veranschaulichen:

Wir sehen, das die Karte die ganze Zeit „volles Rohr“ läuft und die Unterschiede zwischen den einzelnen Szenen kaum sichtbar werden. Lassen wir nun noch einmal unsere Augen über die Frametimes gleiten und blicken dann sofort auf die nächste Grafik!

Na da schau her: Sogar die Leistungsaufnahme zeigt uns jetzt ganz deutlich, wo Bartels Kurve den Most holt! Mal abgesehen von der generell niedrigeren Leistungsaufnahme sinken auch die Spitzenwerte extrem ab. Ja, damit kann man leben – und nicht nur das, denn Power Tune reagiert nun wesentlich genauer auf die tatsächlich benötigte Leistung.

Am Ende kann man also vermuten, dass wir im eigentlichen Sinne gar nichts fest abgesenkt haben, sondern sich die Wertigkeit der Power Estimation Engine im Balancing erhöht hat! Dabei kratzt der niedrigere Vorgabewert aus dem Afterburner nur die (mittlerweile?) überflüssige Speckschicht weg, die sich AMD für schlechte Zeiten als eine Art eiserne Reserve höchstselbst auf den Ranzen getackert hat. Man senkt also nicht per se irgendeine Spannung ab – und schon gar nicht die VDDC. Man ändert jedoch die Balance in der Telemetrie, was seinen ganz eigenen Charme hat.

Die Folgen der eigentlich kühleren GPU

Kälter und doch nicht? Sicher, es entsteht erst einmal natürlich deutlich weniger Abwärme, das ist Fakt. Aber jetzt kommt das große Aber mit mindestens fünf A: Lüfterkurven und die Ansteuerung sind ebenfalls der Job des Arbitrators, denn die Firmware macht zunächst erst einmal das, was man ihr mit auf den Weg gegeben hat. Weniger Leistungsaufnahme ist gleichbedeutend mit geringerer Abwärme – und somit sinkt die kalkulierte Lüfterdrehzahl deutlich:

Dumm nur, dass im Gegenzug die Temperatur der GPU leicht ansteigt. Das ist im konkreten Fall keBeinbruch, denn die Target-Temperatur liegt bei der Radeon R9 Fury Nitro bei immerhin 85°C. Doch woher kommt die Lüfterdrosselung eigentlich? Man muss dazu wissen, dass die Lüfterregelung über den Arbitrator viele Faktoren einschließt – nicht nur die GPU-Temperatur, sondern auch die fließenden Ströme, die vom VR-Chip gemeldet werden. Damit stellt man auch sicher, dass die VRM und der Rest der Platine gut genug gekühlt werden, wenn die Last in der Spannungsregulierung  ansteigt. Man schließt also auch von der Leistungsaufnahme auf die Abwärme und kalkuliert so die Drehzahlen.

Da unsere einseitige „Spannungsabsenkung“ letztendlich eine Absenkung des Stromflusses ist, verschiebt sich die Kurve etwas nach unten, denn die GPU-Diode ist ganz offensichtlich weniger stark gewichtet. Damit sehen die Temperaturen dann eben so aus wie auf der nachfolgenden Grafik:

Während sich die Lüfter beim hohen Stromfluss im Stresstest dermaßen einen abquälen, dass die GPU fast gefrostet wird, liegt unsere „untervoltete“ Grafikkarte eben leicht über dem ungebremsten Original. Diese etwas unerwartete Umsetzung des Wächterprinzips hat zur Folge, dass die Karte in allen Situationen deutlich leiser agieren kann, jedoch die relevanten Bereiche auf der Platine in etwa gleich heiß werden:

Auch die modifizierte Karte unterschiedet sich an der heißesten Stelle um weniger als ein Kelvin, was quasi schon in den Bereich möglicher Messtoleranzen fällt.

Wer es wirklich kühler haben möchte, muss also wieder selbst Hand an die Lüfterkurve anlegen. Ob man es jedoch manuell so schön hinbekommt, ist eine Frage von Geduld und Erfahrung des Anwenders.

Fazit

Schöne Sache und gut für die Stromrechnung, die Raumtemperatur und natürlich auch die Polkappen. Auch wenn es nach einer Spannungsabsenkung aussieht und sich auch so einstellen lässt – am Ende erhalten wir mit diesem Feature die Möglichkeit, die Arbeit von Power Tune dahingehend zu verändern, um die hohen Spannungsspitzen im Besondern und die Regelwut im Allgemeinen etwas einzubremsen. Wie weit man mit seiner Karte dabei konkret gehen kann, um Power Tune nicht aus der Gleichgewichtsbahn zu werfen, muss man individuell für sich selbst herausfinden.

 

Wir würden empfehlen, zunächst die -48 mV zu testen und wenn alles perfekt und auch auf längere Zeit sauber und stabil läuft, auch weiter abzusenken. -72 mV könnten da der nächste Schritt sein, BEVOR man sich wirklich ans Maximum wagt. Interessanterweise ist dieses neue Feature mittlerweile auch für einige andere Radeons mit (Fiji, Grenada) verfügbar, so dass sich auch die Besitzer dieser Karten im Hinblick auf die Effizienz durchaus behelfen können. Wir werden natürlich weitere aktuelle Karten auf Ihre Modifizierbarkeit hin testen und gegebenenfalls noch ein Update nachreichen.

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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