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Hungerkur für die Radeon R9 Fury: Weniger Spannung, bessere Effizienz | Retro: vor 5 Jahren

Vorwort

Vor 5 Jahren hatte ich mich bereits mit Leistungsaufnahme, Infrarot-Technik und natürlich auch dem Untervolten intensiver beschäftigt. Natürlich waren viele Dinge noch etwas einfacher „gestrickt“, aber der Mensch lernt ja stets dazu und verfeinert seine Messaufbauten und Chartsgrafiken. Doch auch damals schon waren diese Messungen und Inhalte international wegweisend und stellten ein gewisses Alleinstellungsmerkmal der Grafikkarten-Reviews auf Tom’s Hardware dar, egal ob DE oder US, die ich ja seinerzeit global erstellt habe. Wenn man nun den heutigen Stand beider Seiten diesbezüglich vergleicht, dann sieht man auch sehr deutlich, wer welchen Weg eingeschlagen hat und wo die Inhalte eher stagnieren. Denn man war bereits 2018 der Meinung, meine Artikel wären viel zu komplex, zu umfangreich und für den US-Leser schlichtweg nicht geeignet. Nun ja… Das lasse ich mal so unkommentiert im Raum stehen.

Originalartikel vom Januar 2016

Nachdem uns Sapphire mit der Radeon R9 Fury Nitro endlich ein Eigen-Design der Platine präsentieren konnte und vor einigen Wochen seitens AMD auch die Spannungsvorgabe freigeben wurde, lag nichts näher, als diese neue Feature sofort für eine tiefere Analyse zu nutzen. Allerdings gehen wir nicht in Richtung Übertaktung, denn dafür fischt die Karte bereits zu sehr in den Grenzregionen des Zumutbaren. Nein: Wir wollen der Fury endlich die Trinkmanieren beibringen, die sich für so eine Karte eigentlich gehören!

Spannungsabsenkung mit dem MSI Afterburner

Das Tool von MSI, das bis heute auf dem Riva Tuner basiert, gibt seit einigen Wochen für eine ganze Reihe von AMD-Karten die Spannungsanpassung frei. Das kann im positiven sowie im negativen Bereich geschehen, wobei uns die Absenkung natürlich brennend interessiert. Wie weit können wir gehen, um das Ganze stabil zu betreiben? Bleibt die Performance erhalten und – wenn alles glatt läuft – wie groß ist die tatsächliche Ersparnis?

Die relative Spannungsabsenkung wird landläufig gern auch als Untervolten oder Undervolting bezeichnet, doch wir bleiben beim exakten Begriff. Letztendlich ändern wir ja nicht die Spannung selbst, sondern geben der Firmware eine Art Delta bzw. Offset mit auf den Weg. Dass die Spannungen nicht generell um diesen festen Wert gesenkt werden, sondern die Telemetrie die Spannungen lediglich modifiziert bereitstellt, werden wir auf der zweiten Seite noch genauer betrachten. Doch zurück zur Absenkung der Spannungsvorgabe.

Dazu vergleichen wir im weiteren Verlauf unsere Radeon R9 Fury Nitro von Sapphire mit einer in etwa gleich schnellen MSI GTX 980 Gaming 4G. Doch bevor wir dies tun können, sollten wir uns zunächst die aktuellste Version des MSI Afterburner herunterladen und installieren. Nach dem Programmstart stellt sich der MSI Afterburner so dar:

Gleich der erste Regler ist das Ziel unserer Begierde, mit dem wir die Spannungsänderung festlegen können. Übrigens: Wer diesen Wert ändert, der sollte sich nicht wundern, dass viele Zahlenwerte nach der Übernahme angepasst werden, denn der Wert muss ein Vielfaches von sechs sein. Und so gehen auch keine -100 mV sondern eben die -96 mV (16x 6 mV).

  • Jeder Grafikchip ist ein Unikat – die stabilen Grenzwerte, bis zu denen eine Absenkung auch fehlerfrei läuft, können von Karte zu Karte sehr deutlich differieren. Nicht immer sind Fehler sofort erkennbar, so dass man bei der Spannungsabsenkung alle Features der Karte auch über längere Zeit auf Stabilität testen sollte.
  • Besonders ältere Karten aus den ersten Produktionszyklen, die sich meist auf Umwegen noch zur Fury X freischalten ließen, können durch die Absenkung sehr schnell Darstellungsfehler zeigen.
  • Spätere Chips sind aufgrund des fortgeschrittenen Fertigungsprozesses wesentlich einfacher zu „untervolten“. Aber auch hier gibt es keine Garantie, wie tief man diese Vorgabe bei der eigenen Karte setzen kann.

Unsere Karte schaffte sogar die -96 mV mit Bravour, auch wenn es ab und zu bei extremer Last bereits einige wenige Drops gab. Werte zwischen -48 und -72 mV sollten aber bei jeder neueren Karte möglich sein. Deutlich ältere Karten, die wir zusammen mit Forenmitgliedern unseres und anderer Foren testen ließen bzw. auf deren Feedback wir vertrauen, schafften diese niedrigen Werte nicht alle. Darunter befanden sich vor allem Karten, die fast direkt nach dem Launch gekauft wurden und die sich hätten freischalten lassen.

Stellt man die einzelnen Stufen numehr der MSI GTX 980 Gaming 4G gegenüber, indem wir beispielsweise Metro Last Light im 4K-Loop nutzen, dann sehen wir sehr deutlich die Auswirkung unserer Spannungsabsenkung: Bei gleicher Gaming-Performance sinkt die Leistungsaufnahme von 279 Watt auf sehr moderate 213 Watt! Die Spannungsabsenkung lohnt sich also – vorausgesetzt natürlich, die eigene Fury non-X spielt mit.

Wer sich jetzt ärgert und Gleiches auch von der GeForce-Karte verlangt, wird leider enttäuscht zurückgelassen. Eine Spannungsabsenkung ist derzeit nicht vorgesehen, denn dies geschieht nur intern über die Absenkung des Power Targets. Da Boost ein sehr fragiles Mikrosystem ist, ist jede Absenkung auch mit den Einschränkungen beim tatsächlich erreichbaren Boost-Takt verbunden, was zum Teil erhebliche Performance-Einbußen mit sich bringt. Traurig muss man deshalb natürlich nicht sein, denn dieses System ist bereits so filigran ausbalanciert, dass es eh kaum Optimierungsspielraum gibt. Deshalb ist diese Option im Afterburner auch nicht vorhanden, da nur eine Anhebung angeboten werden kann:

Leistungsaufnahme in verschiedenen Spielen

Als Testsystem nutzten wir unser altbekanntes VGA-Testsystem für die Leistungsaufnahme, so dass wir uns an dieser Stelle die ausführliche Beschreibung sparen können und die wichtigsten Daten lediglich tabellarisch auflisten:

Messverfahren:
berührungslose Gleichstrommessung am PCIe-Slot (Riser-Card)
berührungslose Gleichstrommessung an der externen PCIe-Stromversorgung
direkte Spannungsmessung am Netzteil
Infrarot-Überwachung in Echtzeit
Messgeräte:
2x Rohde & Schwarz HMO 3054, 500 MHz Mehrkanal-Oszillograph mit Speicherfunktion
4x Rohde & Schwarz Stromzangenadapter (1 mA bis 30 A, 100 KHz, DC)
4x Rohde & Schwarz HZ355, Tastteiler (10:1, 500 MHz)
1x Rohde & Schwarz HMC 8012, Digitalmultimeter mit Speicherfunktion
1x Optris PI640, Infrarotkamera (80 Hz) + PI Connect
Testsystem:
Intel Core i7-5930K @4,2 GHz, wassergekühlt
Crucial Ballistix Sport, 4x 4 GByte DDR4-2400
MSI X99S XPower AC
1x Crucial MX200, 500-GByte-SSD (System)
1x Corsair Force LS 960-GByte-SSD (Anwendungen, Daten)
Be Quiet Dark Power Pro, 850W-Netzteil
Windows 10 Pro (alle Updates)
Wasserkühlung: Alphacool VPP655 Pumpe (abgeregelt)
Alphacool NexXxos-CPU-Kühler
Phobya Balancer
Alphacool 24-cm-Radiator
2x 12 cm Noiseblocker eLoop-Lüfter @400 U/min
Treiber:
AMD: Crimson Edition 16.1
Nvidia: ForceWare 361.43 WHQL

Da die oben schon als erste Grafik veranschaulichte Kurve über den Rückgang der Leistungsaufnahme bei den jeweiligen Spannungsschritten eine sehr ausführliche Auskunft gegeben hat, beschränken wir uns nun auf den Maximalschritt von -96 mV, den Mittelwert von -48 mV, den Ausgangswert ab Werk und die Leistungsaufnahme, die wir bei der GeForce GTX 980 gemessen haben. Insgesamt neun verschiedene Spiele mit zum Teil sehr unterschiedlichen Anforderungen haben wir so getestet.

Gaming-Performance

Vergleichen wir nun die beiden Karten aus dem roten und grünen Lager. Wir sehen, dass beide Karten in Ultra-HD sehr eng zusammen liegen – mit leichten Vorteilen für die Radeon R9 Fury Nitro. Doch die Unterschiede sind bis auf Witcher 3, Shadow of Mordor und Thief letztlich eher marginaler Art.

Effizienzbetrachtung in benötigten Watt pro FPS

Diese Rechnung ist am Ende recht einfach, auch wenn das Erstellen der ganzen Zahlenreihen erst einmal ein ziemlich großer Aufwand war. Vergleichen wir nun die drei Spannungsvarianten der Radeon R9 Fury mit der GeForce GTX 980: Unsere Variante mit den -96 mV ist fast so effizient wie die Nvidia-Karte und in zwei Spielen (Witcher 3 und Thief) sogar hauchdünn besser! Damit kann man leben, denn aus dem ursprünglichen, enthemmten Trinkgelage wird plötzlich ein vornehmes Nippen mit gespitzen Lippen:

Zwischenfazit

Natürlich ist die Radeon R9 Fury in Full-HD gegenüber der GeForce GTX 980 leicht gehandicapt – nur wird wohl kaum jemand, der so eine potente Karte besitzt, mit schnöden 1920 x 1080 Pixeln spielen. Downsampling oder ein besserer Monitor sind wohl fast immer mit von der Partie. Dass die Radeon R9 Fury bereits ab QHD- und WQHD-Auflösungen ihre Stärken ausspielen kann demonstriert, dass unsere Messungen durchaus repräsentativen Charakter besitzen – auch wenn manches Spiel vielleicht noch mangels Treiberoptimierung etwas aus der Rolle fallen kann.

Die Spannungsabsenkung mit einem geeigneten Tool sollte auf jeden Fall in Betracht gezogen werden, denn die Gründe liegen auf der Hand, wie wir auf der nächsten Seite noch im Detail sehen werden. Dass AMD die Spannungen immer so übertrieben hoch ansetzt ist mittlerweile fast schon eine Standardeigenschaft der Radeon-Karten.

Natürlich garantiert dies vor allem am Anfang eines Herstellungszyklus, möglichst viele GPUs verwenden und damit auch die Yield-Rate etwas pushen zu können. Doch stellt sich dieser buchhalterisch so wertvoll erscheinende Kunstgriff am Ende immer und immer wieder als böse Image-Bremse heraus, die dem Endkunden absolut unnötig erscheint und nur schwer zu vermitteln ist. Auf der Folgeseite beschäftigen wir uns nun mit der (vermeintlichen) Spannungsabsenkung im Detail und ihren Folgen – mit zum Teil recht interessanten Erkenntnissen. Auch dieser Teil sollte zum besseren Verständnis noch unbedingt gelesen werden, auch wenn wir die eigentlichen Ergebnisse bereits abgehandelt haben. Es lohnt sich in jedem Falle – also bitte weiterblättern, die Herrschaften!

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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