Mir ist vor allem bei den sogenannten MSRP-Karten von NVIDIAs GeForce RTX 4070 aufgefallen, dass NVIDIA immer noch ein intensives Binning betreibt und hier zwei Qualitätsabstufungen (“Buckets”) wieder ziemlich restriktiv in bin 0 (schlechter) und bin 1 (besser) trennt. Wir kennen das noch von den sogenannten “Non-A” und “A” Chips bei NVIDIAs höherklassigen Turing-Karten. Anderer Name, gleiches Thema. Wobei sich jetzt bei diesem Artikel echt die Frage stellt, womit ich am besten anfangen soll: der Praxis und wie ich es gefunden habe oder der nicht weniger spannenden Theorie dahinter, die man für das bessere Verständnis braucht.
Nach einigem Überlegen habe ich mich dann zunächst für die Spurensuche als Einleitung entschieden, denn der morgige Test einer “betroffenen” Karte benötigt den heutigen Artikel zum besseren Verständnis der Umstände. Letztendlich hat sich NVIDIA nämlich eine Art brachiales Eigentor geschossen und einige Boardpartner haben, ganz legal, die eigentlich mit einem restriktiven Power Limit versehenen Boardpartner-Karten zu verkappten OC-Karten machen können. Den Kunden freut es natürlich, die anderen Beteiligten, bis hin zu NVIDIA, wohl eher weniger.
Zwei-Klassen-Gesellschaft beim AD104-250-A1
Eigentlich bin ich schon etwas erstaunt, dass es bisher keinem aufgefallen ist, dass es sogenannte MSRP-Karten (also die billigen Einstiegs-Modelle der jeweiligen Hersteller) sowohl mit einem festgesetzten Power Limit (Default/Enforced und Maximum) von 200 Watt als auch mit 215 Watt gibt. Alle OC Karten haben hingegen einen deutlich höheren Maximalwert, der aber manuell ausgereizt werden muss. Doch warum haben die Nicht-OC-Karten dann unterschiedliche Power Limits? Betrachten wir zunächst zwei MSRP-Karten mit unterschiedlichen Festwerten (Slider):
Was ich aber aus meinen Quellen in Erfahrung bringen konnte ist, dass es (natürlich) das übliche Binning der Chips gibt, wobei man diese Festlegung äußerlich mittlerweile nicht mehr sieht. Da hat NVIDIA aus dem letzten Shitstorm mit den “A-Chips” natürlich gelernt. Da braucht man schon NVIDIA-eigene Programme wie MODS (NVIDIA Modular diagnostic software), die dann mit einem versteckten Kommandozeilen-Aufruf den sogenannten Binning-Wert bin ausgeben. Doch da diese Dinge als “Confidential” eingestuft sind, werde ich aus rechtlichen und kollegialen Gründen weder einen Download der aktuellen Software anbieten, noch den Parameter offenlegen. Es reicht zu wissen, dass es so etwas gibt.

Jetzt will ich den nächsten Absätzen auf der Folgeseite natürlich nicht vorgreifen, aber die gebinnten Chips erfüllen normalerweise ja eine bestimmte Funktion. Jedes Chip-Modell hat dabei eine maximale Leistungsspezifikation, die als TGP (auch bekannt als Total GPU Power) bezeichnet wird, also den Wert, den die GPU als solche aufnehmen darf. Dieser ist normalerweise als Festwert gesetzt. Je nach Chipqualität sind dann bei gleicher Leistungsaufnahme und unter identischen Rahmenbedingungen wie u.a. die Temperatur unterschiedlich hohe Frequenzen möglich. Deshalb wird man nur in wenigen Ausnahmefällen ein Einsteigermodell eines Herstellers mit gleichem Power Limit auf die gleichen Taktfrequenzen bringen können. Das wird seit Jahren so gehandhabt und ist auch nie wirklich kritisiert worden. You get what you paid for. Ganz einfach.
Bei der GeForce RTX 4070 hat NVIDIA anfangs entweder mit deutlich höheren Absatzzahlen oder einen niedrigeren Ausbeute (“Yield”) gerechnet (oder vielleicht sogar beidem) und das mit dem Binning und dem Takt einfach umgedreht! Ergo sollten alle MSRP-Karten in etwa den gleichen Takt unter Last erreichen, unabhängig von der Chipqualität. Meine internen Informationen (und Gegentests) besagen, dass man für Taktraten um die 2745 MHz unter Volllast (Gaming) bei rund 60 °C Temperatur Edge zwischen 195 Watt und knapp 212 Watt benötigt, je nach Chip-Güte. Daher auch die Trennung in zwei Gruppen bis 200 und 215 Watt. So weit, so unspektakulär.

OC-Karte wider Willen (der Hersteller)
Und genau an dieser Stelle wird es wirklich lustig. Manche Boardpartner, die sehr frühzeitig mit den Karten fertig wurden, haben mit den schlechteren bin 0 Chips für die MSRP-Karten gerechnet und das 215 Watt BIOS verwendet (und für den Fall der Fälle auch so belassen). Nur dass NVIDIA bisher überwiegend bin 1 Chips geliefert hat, die dann bereits bei 200 Watt den gewünschten (voreingestellten) Takt hätten erreichen können. Ich habe diesen Gegentest mit der KFA2 RTX 4070 EX Gamer aus dem morgigen Test getan und das Power Target mit dem Afterburner auf 200 Watt gesetzt. Läuft…
Im Gegenzug konnte ich die Karte gehörig übertakten (was so nicht vorgesehen sein dürfte). Mit einem 250 MHz Offset schaffte es die extrem gut gekühlte Karte bis zur 3-GHz-Marke. Wohl gemerkt: als eigentliches MSRP-Modell! Wer soll dann noch die ganzen teuren OC-Modelle kaufen, die statt acht (Founders Edition sechs) vielleicht noch ein oder zwei (eigentlich unnötige) Spannungswandler mehr haben und auf den 12VHPWR-Anschluss setzen? Jetzt ist natürlich so ein Glücksgriff nicht garantiert und die nächste Batch der gelieferten Bundles aus Chip und Speicher könnte schon wieder ganz anders aussehen. Aber zumindest ist mir nicht kolportiert worden, dass NVIDIA die Binning-Flags absichtlich herunterstufen würde, denn dann müsste man noch viel mehr abändern. Was das ist, das erkläre ich Euch gleich im zweiten Teil.
Doch selbst OC-Karten nutzen die 215 Watt als Untergrenze. Ich hatte die MSI GeForce RTX 4070 Gaming X Trio ja ebenfalls im Test und diese Karte scheiterte letztendlich genauso an den stabilen 3 GHz (mal abgesehen von kurzeitigen Spikes), trotz des maximalen Power Limits von sogar 240 Watt. Die Karte kam mit dem bin 1 Chip selbst bei maximalem Takt nur knapp über 215 Watt. Die 240 Watt hätte man vielleicht gebraucht, um einen schlechteren bin 0 Chip in ähnliche Regionen zu prügeln.
Und was ist nun das Ergebnis der ganzen BIOS-Limits? MSRP-Karten mit 215 Watt Power Limit besitzen derzeit die große Chance, als echte OC-Karten genutzt werden zu können, solange die bin 1 Chips verbaut werden! Aber eine Garantie dafür gibt es natürlich nicht, wie auch? NVIDIAs Yield scheint allerdings deutlich besser zu sein als erwartet und es liegen wohl auch zu viele Chips noch auf Halde, um hier groß nach Binning zu selektieren. Das war Teil Eins des heutigen Artikels und Ihr könnt morgen sehen, wie sich so eine “Nicht-OC-Karte” mit der normalen Übertaktung auf dem Level der üblichen, viel teureren OC-Karten so schlägt! Auf der nächsten Seite wird es jetzt etwas technischer, aber sicher nicht weniger interessant. Also bitte umblättern und weiterlesen!
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