Vierkantdraht / Profildraht
Um das Nachfolgende besser zu verstehen, gebe ich Euch vorab einmal einen kurzen Einblick in die Bedeutung und Herstellung des sogenannten Vierkantdrahtes, aus dem die Pins der Header geschnitten, eingepresst und hinten abgebogen werden. Der Draht, den die Hersteller der Header verwenden, besitzt einen quadratischen Querschnitt und entsteht aus einfachem, gezogenen Runddraht. Zum Formen von Vierkant-Profildrähten nutzt man einen sogenannten „Turkhead“, wobei sich der Begriff aus der Anordnung der Rollen ergibt, die an die traditionelle Bindung von Kopftüchern im türkischen Kulturraum erinnert. Wieder was gelernt… Der Turkhead besteht aus vier Rollen, die symmetrisch im rechten Winkel zueinander positioniert sind und beim Durchziehen des Drahts gleichmäßigen Druck von allen vier Seiten ausüben.
Genau dieser Prozess ist der Dreh- und Angelpunkt für die Qualität des Vierkantdrahtes und seiner Abmessungen und zusammen mit der galvanischen Beschichtung und deren Toleranzen ergeben sich dann auch die Außenabmessung. Wir werden gleich noch einen Pin sehen, dessen Draht nicht perfekt gewalzt wurde und bei dem noch Reste der Wölbung des Runddrahtes sichtbar sind. Wenn so etwas trotzdem verarbeitet wird, hat die QCI des Steckerproduzenten nicht funktioniert. Und wir erinnern uns auch an das recht weiche Kupfer und dessen mechanische Nachteile gegenüber einer zweckmäßigeren Legierung.
Klemmfläche bei Federklemmverbindungen
Auch diesen Begriff muss ich Euch noch kurz erklären. Bei Steckverbindern mit Federkontakten ist die Klemmfläche der Teil des Kontaktsystems, der den Leiter durch Federkraft gegen eine Gegenfläche drückt, um eine elektrische Verbindung herzustellen. Die Klemmfläche bei solchen Verbindern ist in der Regel ein Teil des federnden Elements, das so gestaltet ist, dass es den Leiter sicher und fest gegen eine stationäre Kontaktfläche drückt, ohne dass eine Schraube oder ein anderes Werkzeug benötigt wird. Die Federkraft sorgt für eine konstante Druckkraft, die eine zuverlässige elektrische Verbindung über die Lebensdauer des Steckverbinders hinweg aufrechterhält. Die Klemmfläche muss dabei eine hohe Leitfähigkeit aufweisen und darf den Leiter nicht beschädigen. Sie ist oft so konzipiert, dass sie eine gewisse Anpassungsfähigkeit an verschiedene Leiterquerschnitte bietet und leichte Bewegungen bzw. Vibrationen oder Temperaturschwankungen ausgleichen kann, die sonst zu einer Lockerung der Verbindung führen könnten. Jetzt wisst Ihr auch, warum ich auf deren fehlender Definition in den Vorgaben so herumreite.
Die fast idealen Pins der 3rd Party Header
Ja, die gibt es durchaus. Die Pins in den Headern von CableMod (am Adapter der Ausgang zum Netzteil) sind alle absolut normgerecht, was Pin-Stärke, Ausrichtung und Positionierung betrifft. Es geht also, wenn der Hersteller des Headers das wirklich so möchte! Das muss ich mal voranstellen, denn mal abgesehen von den Toleranzen, die die PCI SIG für die Notfälle vorsieht: Die geforderten 0.64 mm sollten eigentlich die Norm und nicht die Ausnahme sein! Allerdings nutzt auch CableMod Header mit Pins aus reinem Kupfer statt Messing. Aber der verwendete Draht könnte exakter nicht sein und auch die Kanten sind nur wenig abgerundet. Ich habe die Header von insgesamt 18 unbenutzten CableMod Adaptern verschiedener Chargen getestet und stets die gleichen, fast perfekten Maße bei allen 12 Pins der Header vorgefunden.
Kommen wir nun zum zweiten Modell, welches die von KrisFix verwendeten Ersatz-Header repräsentiert, mit denen er die verschmorten Original-Header ersetzt. Wir erkennen ebenfalls einen sehr gut ausgerichteten Pin mit sauberen Kanten und Außenabmessungen, die etwas über der Norm, jedoch noch gut im oberen Toleranzbereich liegen. Hier sollte die Feder sogar besser halten, denn die Klemmkraft steigt dadurch etwas an.
Die Pins auf den Original-Headern: Fischen im Toleranzbereich
Ich habe auch hier wieder die Header von Asus untersucht, weil ich sehr viele davon hatte, was mir auch eine gewisse statistische Sicherheit verschafft. Die verwendeten Drähte sind of ungleichmäßig, man sieht leichte Beulen (Stauchung) statt gerader Kanten und zudem oft auch ungleichmäßige Maße. Ja, es ist alles im Mikrometerbereich, aber wenn es um grenzwertig hohe Ströme geht, ist auch die effektiv nutzbare Klemmfläche wichtig und diese leidet unter solchen Verformungen durchaus.
Das nächste Bild habe ich mit einer anderen Beleuchtung und maximaler Tiefenschärfe gemacht. Wir sehen einen Pin, bei dem bereits der Kunststoff an der Durchführung etwas geschmolzen ist. Die Messwerte sind hier die absoluten Maximalwerte, die erneut zeigen, dass die Kontaktflächen des Pins teilweise sogar leicht gebogen und nicht wirklich eben sind. Wir erinnern uns jetzt schnell einmal an den Satz am Anfang der Seite mit dem Runddraht und den Problemen bei der Fertigung.
Und noch etwas: Ich habe an keinem Header einen Pin mit 0.64 oder mehr Millimetern Außenabmessungen finden können, der derart beschädigt gewesen wäre! Es betraf immer nur die dünnen, mit 0.63 mm und deutlich weniger oder solche, die nicht wirklich exakt glattgewalzt wurden! Vielleicht sollte die PCI-SIG die Untergrenzen etwas schärfer fassen und keine negativen Toleranzbereiche in dieser Größenordnung mehr zulassen. Und den Herstellern der Steckverbinder muss man echt raten, die Qualität der Drähte besser und häufiger zu kontrollieren,
Man muss zudem berücksichtigen, dass die oberste Schicht aus weichem Zinn ist. Beim Ein- und Ausstecken kommt es definitiv zum Materialabrieb und Abtrag, so dass man diese untere Toleranzgrenze schnell unterschreiten könnte. Doch es geht sogar noch ungenauer!
Es gibt nämlich Pins, die in sich verdreht sind! Immerhin 3 Grad Abweichung der Achsen von der Lotrechten an diesem nicht verschmorten Pin sind bereits eine ordentliche Nummer. Womit wir wieder bei den gecrimpten Cable Plugs angekommen wären. So ein Federkontakt kann, da er nur lose im Gehäuse sitzt, diese Drehung bis zu einem gewissen Grad aufnehmen, kompensieren und damit die Positionierung anpassen. Ist das Gegenstück jedoch fest verdrahtet, wie z.B. eine echte Steckbuchse wie wir sie am CableMod-Adapter finden und deren Pins auf einer Platine fest verlötet sind, kann kein Ausgleich stattfinden und die Klemmfläche minimiert sich ebenfalls zum Teil deutlich, weil die Kontakte schief und damit nicht mehr vollständig aufliegen.
Positionstoleranzen
Jetzt versuche ich einmal einen Schnitt durch die obere Reihe der 12-Volt-Pins. Man muss natürlich auch die Ungenauigkeiten der optischen Messung mit berücksichtigen, aber ich habe das Ganze mit 200-facher Vergrößerung und maximaler Tiefenschärfe aufgenommen und das Bild zudem stitchen lassen, um optische Verzerrungen weitgehend zu eliminieren. Es ist also ein unverzerrter Draufblick an allen Positionen. Ich muss hier der Korrektheit halber aber auch anmerken, dass diese Abweichungen eine Ausnahme sind und nicht alle Header gleichermaßen aus der Norm fallen. Das gilt auch für die Pins, die allerdings bei den defekten Headern sogar untereinander deutlicher abwichen. Es wird also auf Fertigungstoleranzen bestimmter Batches hinauslaufen.
Man kann anhand der Messung im Querschnitt erkennen, dass die Pins nicht zwingend an der richtigen Position sitzen, sich dieses aber anhand der offiziellen Toleranzangaben im Rahmen dessen bewegt, was vorgegeben wurde. Allerdings klappt so etwas auch nur mit flexibleren Cable Plugs, da sich diese besser anpassen können. Ist das Gegenstück ebenfalls auf einer Platine verlötet, besteht hier kaum Spielraum und es geht nur noch über die Federkontakte. Die mögliche Folge wäre dann ein ungleicher Anpressdruck auf den jeweiligen vier Seitenflächen der Pins. Und der ganz linke Pin, also der, der in der Vergangenheit gern als erster verschmort, liegt sogar unter der Toleranzgrenze für die Pin-Abmessungen.
Zwischenfazit
Es ist ganz offensichtlich die Summe aus Pin-Größe, Positionierung und ggf. auch Drehung, welche die Kontaktflächen („Klemmflächen“) negativ beeinflussen. So ein in Bezug auf die zu liefernden Ströme recht grenzwertiges Konstrukt verlangt allerhöchste Fertigungsqualität, um wirklich als sicher gelten zu können. Und es kann nicht sein, dass ich drei CableMod-Adapter in Serie bei begrenzten 600 Watt am Labornetzteil kurzschließen kann, und es passiert nichts, während nur ein einziger minderwertigerer Header ausreicht, um einen Defekt an der teuren Grafikkarte zu provozieren.
Ich kann hier eigentlich nur raten, sich als Hersteller dieser Steckverbinder exakt an die Spezifikationen zu halten und das auch innerhalb einer Serie permanent und öfters zu kontrollieren. Ja, das sind höhere Kosten, aber der Kunde wird es sicher danken. Ein Teil der Problematik liegt sicher auch im verwendeten Draht für die Pins, da muss bereits die eingehende Ware von der Qualitätskontrolle genauer geprüft werden. Da es viele Hersteller von Steckverbindern gibt, fällt auch die Qualität der Produkte sehr unterschiedlich aus. Während die Kunststoffgehäuse alle sehr korrekt gegossen wurden, wird es beim Vierkantdraht und dessen Ausgangsqualität eher problematisch.
- 1 - Einführung, wichtiges Vorwort und die PCI SIG
- 2 - Materialanalyse mit einer wichtigen Erkenntnis
- 3 - Schadenstufe 1: Kaum sichtbare oder leichte Schäden
- 4 - Schadenstufe 2: mittlere bis größere Schäden
- 5 - Pinbreite, Verdrehung, Positionstoleranz und Klemmfläche
- 6 - Zusammenfassung, Übersicht der meisten Ursachen und Fazit
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