Sicher, in der Preisklasse zwischen 400 und 500 Euro gibt es viele Offerten an offenen oder halboffenen Systemen. warum also gerade der Avantone Pro Planar Red und vor allem, warum gerade zu diesem Preis? Natürlich kann man bei Audio-Produkten (wie bei Autos oder Haustieren) genüsslich Geld versenken und wird nie ans monetäre Ende der unbegrenzten Möglichkeiten kommen, wenn man nicht gerade Krösus heißt. Und auch wenn es erst einmal überheblich klingen mag, für 500 Euro bekommt man maximal audiophile Oberklasse, die echte Referenz liegt noch einmal deutlich darüber. Wirklich? Schaun wir mal, was geht!
Eines will ich einmal voranstellen, weil ich mein Urteil später ja auch begründen muss: es handelt sich um einen reinen Privatkauf, dessen akustische Folgen ich aber gern öffentlich teilen möchte, da es sich aus meiner Sicht lohnt. Natürlich sind die 456 Euro, die ich beim Fachhändler online dafür hingeblättert habe, eine Menge Klangholz, aber man sollte das natürlich auch immer in der Relation zum Gegenwert betrachten. Und genau da wird es jetzt nämlich interessant, weil die Bauart so gar nicht ins normale Schema passt. Das Äußere übrigens auch nicht, aber Geschmack ist hier erst einmal zweitrangig.
Was ist eigentlich ein magnetostatischer Kopfhörer?
Beim Avantone Pro Planar Red handelt es sich um einen Kopfhörer nach dem magnetostatischen Prinzip, wo eine dünne, mit einem elektrischen Leiter versehene Folie („offene Spule“) in einem von kräftigen Push-Pull Permanentmagneten (Neodym) bereitgestelltem magnetischen Gleichfeld zum Schwingen gebracht wird. Wird nun das elektrische Signal durch die auf der Membranoberfläche verlaufenden Leiterbahnen geschickt, bewegt sich die Folie zwischen den Magneten hin und her.
Diese spezielle Folie ist zudem viel leichter als die Lautsprechermembranen normaler Kopfhörer und kann so theoretisch auch viel feinere Nuancen plastischer darstellen. Der Nachteil liegt im Gewicht der nötigen Magneten – ganz zum Nulltarif gibt es die Vorteile der riesigen Schallwandlerfläche also nicht. Trotzdem sind noch nicht einmal 500 Euro für einen Magnetostaten, so albern es für manche auch klingen mag, eine eher günstige Angelegenheit. Wenn man weiß, was man sich damit vielleicht Gutes antut. Aber erst einmal Testen, dann sind wir klüger.
Lieferumfang und Unboxing
Man bekommt in der etwas sperrigen Box den 480 Gramm schweren Kopfhörer, zwei Anschlusskabel, eine Leinen-Tragetasche und eine Art Manual, das eigentlich keines ist. Deutsch? Fehlanzeige! Und auch die Inhalte der Anleitung sind etwas dürftig. Technischen Daten und etwas Selbstbeweihräucherung, das war es leider. Wie und wofür man z.B. die beiden beiliegenden Kabel verwenden kann, darf der mündige Käufer per Try & Error dann selbst herausfinden. Beschäftigungstherapie eben.
Man erfährt nämlich nicht, dass die beiden Buchsen am Kopfhörer jeweils vollwertige Stereoanschlüsse sind und man mit dem einen 3,5-mm-Klinkenkabel eigentlich bereits locker hinkommt. Egal, ob man es nun rechts oder links einsteckt. Das ebenfalls mitgelieferte Y-Kabel dient nur dem gleichzeitigen Anschließen zweier solcher Kopfhörer für ein verliebtes, menschliches Pärchen. Reichlich unnütz, denn sehr lang sind die Endstücken nun auch wieder nicht und die Impedanz eines solchen Hörer ist mit 32 Ohm auch schon recht niedrig. Was jedoch so richtig fehlt und in dieser Preisklasse eigentlich selbstverständlich sein sollte, ist ein Adapter auf die 6,3-mm-Klinke, die man an besseren Kopfhörerverstärkern vorfindet. Auf dem Bild habe ich sie einfach mal aus eigenen Beständen ergänzt.
Kommen wir nun zu den Äußerlichkeiten, denn die sind erst einmal so richtig auffällig. Die eckige Form ist ein wenig den Magnetostaten geschuldet, das mit dem Lochraster auf der Rückseite der Muscheln dem offenen Prinzip. Die Farbe, nun ja. Es gibt die Teile ja auch in schwarz und rein optisch bekommt alles einen schönen 1970er Retro-Look. Das kann man mögen oder nicht, stabil sind die Teile jedenfalls. Gut, gewisse Ohrschützer im Industriebereich sehen da schon recht ähnlich aus, aber was solls? Man nimmt, was man bekommt und arrangiert sich dann. Das ging mit Abba damals ja auch irgendwie und wenn man das Teil erst einmal aufhat, dann sieht man es ja meist nicht.
Und sonst? Der Sitz ist für größere Köpfe wirklich perfekt, trotz des hohen Eigengenwichtes des Kopfhörers von fast einem halben Kilogramm. Masse satt und Vorsicht beim Headbangen, damit der schwere Brocken nicht ab in den Orbit schießt. Sitzt gut, aber bitte nur im Sitzen. Die Schraube im Bild unten sollte man ab und an nachziehen, auch wenn das Gelenk eigentlich gut macht, was es soll. Es ist eine simple, aber gut funktionierende 2-Achsen-Lösung mit Dreh und Kippbewegung.
Den Rest der Anpassung übernimmt das Kopfband aus Lederimitat samt des elastischen Bügels aus Federstahl. Das passt sich schnell, intuitiv und wirklich perfekt an, so dass man stundenlang so dasitzen könnte, ohne dass etwas drückt. Damit kann eigentlich jeder leben, dessen Kopf noch groß genug ist und man merkt einmal mehr, dass hier keine chinesischen Durchschnittsmaße als Schablone dienten, sondern der gute alte US-amerikanische Großraumschädel in 6XL Damit ist dieser Kopfhörer zumindest EU-tauglich, kleinere Frauen und Kinder ausgeschlossen. Das wird nichts, weil es keinen Halt findet. Echte Hutgrößen mit einer stolzen 64 im Reisepass wird es hingegen derb freuen. Mich zum Beispiel.
Kommen wir noch einmal kurz auf die Buchsen für das Anschlusskabel zurück. Es sind beides parallel verschaltete Anschlüsse und man kann stecken, was und wohin man will, es wird immer richtig sein. Sogar das Y-Kabel könnte man beidseitig einstecken, auch wenn es eigentlich etwas sinnlos ist. Naja, doppelt hält besser und es sieht fetziger aus. Nicht. Die Kabel sind beide textilummantelt und etwas starr. Außerdem sollte man sie tunlichst nicht berühren, sonst hat man den perfekten Körperschall schneller im Mittelohr, als der Sitznachbar im ÖPNV Mops sagen kann.
Der wird sich nämlich mit dem abfinden müssen, was der Planar Red als offener Kopfhörer so an die Umwelt meldet. Und das ist eine ganze Menge. Bis zu 5 Watt stehen im Datenblatt, auch wenn 250 mW laut Hersteller reichen sollen. Ich habe mich selbst einmal versuchsweise gefoltert und mit dem Beyerdynamic A20 grandios ins Epizentrum der Schmerzwelle befördert. Kann man machen, sollte es aber nicht. Genau dafür steht im Handbuch, wo sonst nichts weiter steht, eine explizite Tabelle, was der Gesundheit in welchem Maße und wie lange gerade noch so zu- bzw. schon abträglich ist. Pegelfest? Aber sowas von…
Womit wir bei den, natürlich rechteckigen, ultrasoften Ohrpolstern in Omas Plüsch-Design angekommen wären. Die Dimensionen sind enorm und man bekommt so ziemlich jeden Lauscher locker eingerahmt. Weich sind sie auch und neigen leider auch permanent zur Fusselsammlung. Ok, dafür gibt es im gut sortierten Einzelhandel auch Fusselrollen und weg ist der Belag. Notfalls hilft auch breites Paketklebeband, das ist quasi mein persönlicher Life-Hack für diese Krümelorgien. Funktioniert bestens und kostet deutlich weniger.
Die Teile sind per Klettverschluss verankert und lassen sich problemlos entfernen oder wieder anpappen. Darunter sieht man auch die Öffnungen über den Magnetostaten und rechts noch ein paar Ausgleichsöffnungen für das mechanische Sounding. Zum Klang komme ich aber später noch, denn jetzt geht es ja erst einmal ums Äußerliche und Eingemachte.
Die Verarbeitungsqualität ist ok, aber nicht Spitzenklasse. Es sitzt alles fest, macht einen wertigen und haltbaren Eindruck und hinterlässt zumindest keine Fragezeichen. Premium ist so etwas natürlich nicht, da fehlen die edleren Materialien und ein gewisser Feinschliff, aber es ist auch kein herstellungstechnischer Tiefschlag. Da haben wir am Ende mal ein typisches US-Produkt und das ist somit zumindest so ehrlich, wie ein massiver Weber-Grill, der es mit den Spaltmaßen auch nicht so hat, aber eigentlich aus einem Guß und unkaputtbar ist und zudem seine Aufgabe überdurchschnittlich gut erfüllt. Da kann die Hörprobe eigentlich nur gut ausfallen. Oder doch nicht? Lassen wir uns einmal überraschen!
Avantone Planar Red
siehe Shop | 445,00 €*Stand: 26.04.24 07:56 |
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