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AMD Radeon Pro W7600 mit Blackout ab Werk – Eine Modifizierung schafft Abhilfe und wirft Fragen auf

Da ich die Karte für die Platinenanalyse später sowieso zerlegen wollte, greife ich der üblichen Prozedur einfach mal vor. AMD hat beim Single-Slot-Design wahrlich nicht an Schrauben gespart, also dreht man und dreht und dreht.. Fertig! Wollen wir uns doch mal genauer betrachten, was AMD in die Radeon Pro W7600 so Nettes gepackt hat.

Teardown: Platine und Komponenten

beginnen wir bei der Stromversorgung. AMD legt das Ganze auf eine 2-fach-Buchse, von der aus ein internes Kabel zum 6-Pin Anschluss führt. Das ist nicht sonderlich schön, aber man kann es so machen. Die rund 70 Watt können die beiden Leitungen (12V und Masse) locker ab. Sowohl hinter der Buchse als auch am PEG liegen direkt größere Filterspulen gegen die Spikes, wobei man größere Kondensatoren oder Sicherungen nicht finden kann. Die Platine setzt auf insgesamt 5 Phasen für VDDCR_GFX (eine weniger als die Radeon RX 7600 MBA), also die GPU-Spannung. Der verwendete IR35217 von International Rectifier (das Teil kennen wir auch von vielen Motherboards) ist ein Dual-Loop Digital Multi-Phase Buck Controller und im hier angewendeten Layout verzichtet AMD auf Doubler-Chips und arbeitet mit insgesamt fünf echten Phasen für VDDCR_GFX und zwei Phasen für VDD_SOC.

Dazu kommen zwei Phasen für SoC, sowie jeweils eine für den Speicher (VDD_Mem) und VDDCI. Die Erzeugung von VDDCI ist leistungsmäßig kein großer Posten, aber wichtig. Sie dient dem GPU-internen Pegelübergang zwischen dem GPU- und dem Speichersignal, quasi so etwas wie die Spannung zwischen dem Speicher und dem GPU-Kern auf dem I/O-Bus. Ein NCP81022 arbeitet hier als zweiter PWM-Controller, auch für VDD_MEM. Darüber hinaus erzeugt man noch weitere konstante Quellen für diverse Teilspannungen. Ein Ultra-Low-Dropout-Chip erzeugt die sehr geringe Spannung für den PLL-Bereich (Phase Locked Loop).Den Rest der Kleinspannungen schenke ich mir an dieser Stelle mangels Relevanz.

Die verwendeten DrMOS für VDDCR_GFX sind eher günstige Produkte von OnSemi. Der NPC302155​ mit 50​A Spitzenstrom integriert einen MOSFET-Treiber, einen High-Side-MOSFET und Low-Side-MOSFET in einem einzigen Gehäuse. Die weiteren Spannungswandler setzen auf den etwas schwächeren NCP3020445 mit 45 A Spitzenstrom im gleichen Design. Dieses Chips wurden speziell für Hochstromanwendungen wie z.B. DC-DC-Buck-Leistungswandlungsanwendungen konzipiert. Diese integrierte Lösung reduziert den Platzbedarf auf der Leiterplatte im Vergleich zu einer Lösung mit diskreten Komponenten. Die verwendeten Spulen für VDDCR_GFX besitzen eine Induktivität von 150 nH, die anderen von 270 nH (SoC) bzw. 330 nH (Memory).

Der Kühler

Öffnet man den Deckel an der Front, sieht man den flachen Kühleraufbau mit der Vapor-Chamber als zentralem Element sowie den Radial-Lüfter für die kühlende Luft. Darüber hinaus sehen wir auch das tolle Kabel zur 6-Pin-Buchse am Ende der Karte. Viel mehr gibt es nicht zu entdecken, also drehen wir den Spaß mal um und entnehmen die Vapor Chamber, die nur mit der Platine verschraubt ist, also wie bei NVIDIA quasi „schwimmt“. Das ist perfekt für den Höhenausgleich der Toleranzen von GPU und Speicher, den letzterer liegt nur auf dem Frame, aber nicht auf der Chamber auf.

Genau das sehen wir auf der Rückseite. Dazu kommen vier brettharte Pads für den VRAM, denen ich nicht sonderlich viel Vertrauen schenke, aber dazu später mehr. Außerdem sind alle Spannungswandler an diesen Frame thermisch mit dickeren Pads angebunden.

Allerdings entsteht hier bei solch dicken Pads ein Problem, wenn man sie so einseitig nutzt wie hier. Verschraubt man die Platine fest mit dem Frame, dann wird  sie sich unweigerlich verziehen und die nur aufgelegte Vapor-Chamber fängt an zu kippeln, weil sie nicht mehr plan aufliegt. Die Folge ist ein sehr unterschiedlicher Anpressdruck auf der GPU. AMD muss das wissen, denn sonst hätte man keine stabilisierende Platte um den GPU Sockel herum verschraubt. Allerdings reicht das nicht, denn die Löcher für die Verschraubung der Platine sitzen viel weiter außen. Man hätte sich mit einem richtig bemessenen weiteren dünnen Pad (oder zwei) auf den leeren Bereichen der Stabilisierung helfen können (siehe Bild unten), dies aber nicht getan. Ich schon.

Dass das kein Wunderwerk ist, beweisen die Boardpartner mit der äquivalenten RAM-Bestückung. Da nimmt man einfache Anstandshalter und schon ist die Welt wieder in Ordnung! Hier mal ein Beispiel von MSI, wo man sogar fünf (!) Abstandshalter zur Korrektur und Sicherung verwendet, zwei davon allein für den Speicher direkt am Heatsink. Das ist gesunder Menschenverstand und fällt in die Kategorie Basics.

Die Vapor Chamber ist nicht sonderlich groß, bietet aber genügend Grundfläche für den oben sitzenden Lamellenkühlkörper.

Durch diesen wird die angesaugte Luft gepresst und in Richtung Slotblende befördert. Das ist alles kein Hexenwerk, alles andere als neu und wurde in dieser Form auch schon jahrelang so praktiziert. Und doch muss man sich nun die Frage stellen, warum die Karte bereits an 125 bis 130 Watt scheitert.

Ich habe erst einmal keine Fehler entdeckt und deshalb beschlossen, sie etwas zu anders kühlen bzw. Pads und Wärmeleitpaste zu tauschen.

Kommentar

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Brxn

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257 Kommentare 71 Likes

Wirklich erschreckend für ne Profi Workstation Karte. Kann ja nicht sein, dass da immer erst n Igor kommen muss, der denen aufzeigt, was die für Dreck auf die Karte schmieren usw ...

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O
Ole

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30 Kommentare 9 Likes

da fällt mir direkt der Telekom business-DSL-Vertrag ein, wo man da als Arztpraxis plötzlich auch mehrere Tage ohne Internet und Telefon dasteht und sich am Ende fragt, warum man denn "pro" kauft, wenn "normal" irgendwie besser ist...

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M
Macces

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27 Kommentare 22 Likes

Hallo Igor,

ich bin zwar meist nur ein stiller Mitleser und nicht so reich an Foreneinträgen aber ab und zu melde ich mich auch mal zu Wort.

Gerade weil hier oft die Fehler der Hersteller aufgedeckt werden und diese auch ungeschönt veröffentlicht werden, bin ich gern Gast hier auf der Seite.
Weil die Reichweite hier groß genug ist, hat diese Fehlersuche und Beseitigung ja auch oft genug ein Resultat und führt zum Umdenken bei den Herstellern. Manche sind leider ein wenig lernresistenter als andere und man muss sie mehrmals darauf hinweisen.

Da ich auch ein wenig Geschick im aufschrauben und modifizieren von Hardware habe, nehme ich viele der Beispiele hier auch als Anleitung für mich, um die vorhandene Hardware "zu verbessern". Manchmal auch erst, wenn die vorhandene Wärmeleitpast oder die Pads zu alt werden.

Ich sehe es eher als positive Werbung für die Webseite, auch wenn dadurch einige andere Artikel ggf. später veröffentlicht werden.

Gruß

Macces

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e
eastcoast_pete

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1,508 Kommentare 852 Likes

Schon bei Consumer Karten ist sowas schon sehr schräg (in jedem Sinn), aber bei Profi Karten, die ja auch noch mal eine ganze Ecke mehr kosten, ist's unverzeihlich. Da springt AMD den verbliebenen Kunden mit dem nackten Hintern ins Gesicht. Bessere Werbung für Nvidia kann man gar nicht machen. Wenn ich mir morgen eine GPU für den professionellen Einsatz kaufen müsste, wär spätestens jetzt klar, daß es was Grünes wird.

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ipat66

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1,360 Kommentare 1,358 Likes

Auch wenn es sich um eine der kleinen Profi-Karten handelt, ist die Umsetzung
in wichtigen Details wieder einmal nicht preiswert sondern billig.
Schon wieder...
Es wird an guter Paste und weichen Pads gespart.
Ein sich wiederholendes NO-GO.
Wie kann es sein,das es bei diesen wichtigen Montageschritten,weiterhin keine Besserung gibt ?

Auf Antworten kann man (Igor) anscheinend auch länger warten....
Schade.

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echolot

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943 Kommentare 727 Likes

@Igor Wallossek Na immerhin generierst Du damit ein paar Klicks. Spaß bei seite. Die Community ist froh wenn der faule Zauber auffliegt. Bitte weiter so.

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Igor Wallossek

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10,227 Kommentare 18,929 Likes

Solche Pads kann man machen, wenn die Balance stimmt. Dass es Probleme geben kann und man sich dessen bewusst ist, zeigt die Metallplatte um den Sockel herum. Aber wenn es sogar die Boardpartner schaffen, Abstandshalter zu verbauen, weil diese 4-Module-Lösung kippelig ist, dann frage ich mich echt nach der Praxiserfahrung des Engineerings.

MSI macht das richtig:

View image at the forums

Mir ist die Chamber beim Losschrauben gleich ganz rausgefallen. Die Paste war bretthart und gerissen. Auch das kann man mit solcher Paste /Pads machen, aber dann muss auch alles plan sitzen.

Naja, ich würde lieber mal was loben, als immer nur Fehler anzumahnen. Aber das sind solche Basics... NVIDIA ist da eher zweigleisig. Bei der RTX 2080 Ti hatte man wegen das asymmetrisch befestigten Kühlers Lötperlenabrisse unterm Speichermodul. Das hatte ich ja auch als Ursache aufgedeckt. Komischerweise hatten sowohl die Titan als auch die RTX 6000 bereits den Underfill vom ersten Tag an, nur bei den Consumer-Karten hat man gespart. Dummheit in Tüten.

Aber dass man jetzt beim OEM solche Fehler wiederholt, will sich mir nicht erschließen. Schade, dass das 3D-Profilometer erst heute kommt und noch kalibriert werden muss, sonst häte ich auch mal die gebogene Platine gezeigt. Ich weiß schon, warum ich mir solche "Spielzeuge" kaufe. Sonst glaubt es ja wieder keiner. Wenn ich da mit dem Haarlineal ankomme, lachen sich die Herren Konstrukteure vor Überheblichkeit eine Schaumblase auf den Kaffee. :D

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Klicke zum Ausklappem
big-maec

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853 Kommentare 495 Likes

Für mich ist das kein Rätsel, wenn du extern Karten fertigen lässt, arbeitet der Auftragsfertiger voll und ganz in Eigenverantwortung. Denke mal das wird auch alles dem Auftragsfertiger überlassen.
Es wird, zwar Vorgaben geben und so gut es geht umgesetzt, aber wie das so ist mit der Theorie und Praxis, es sind zwei unterschiedliche Welten.
Im Grunde funktioniert die Karte ja aber nur nicht so wie geplant.

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Igor Wallossek

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10,227 Kommentare 18,929 Likes

Wenn sie bei normaler Last nach ein paar Stunden einfach ausgeht oder unter harter Last nach nicht einmal 6 Minuten, hat das mit "funktionieren" nichts mehr zu tun. Nein, sie funktioniert eben nicht. Im Übrigen hatte nicht nur ich diesen Fehler, also scheint es auch kein Einzelfall zu sein. Sonst hätte ich nicht so einen Aufwand betrieben, den mir eh keiner zahlt. :(

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Igor Wallossek

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10,227 Kommentare 18,929 Likes

Dass MSI jetzt stabilisiert, hat auch was mit der RTX 4070 Ventus 3X zu tun, bei der ich ein Review verweigert hatte. Die war sowas von instabil und wabbelig. Das war eine harte Diskussion mit dem R&D, aber man hat gelernt.

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echolot

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943 Kommentare 727 Likes

Liegt es daran, dass die Gewinnmarge immer weiter schrumpft oder sind die alle so rücksichtslos geldgeil? Wer hat bei soviel outsourcing überhaupt noch den Überblick und wie leicht bekommt man heute ISO 9001 Zertifikate? Alles sehr grenzwertige ausgelegt.

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P
Phoenixxl

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Was mich wundert:
Die Damen und Herren, bzw. die zuständigen Damen und Herren können doch auch rechnen.
Die paar Cent mehr für besser Pads und richtig platziert dürften doch viel günstiger sein, als regelmäßige RMAs.

Dazu kommt, dass das schlechte Presse bringt.
Dagegen wäre eine Karte zu einem vernünftigen Preis mit sehr guter (Verarbeitungs-) Qualität doch recht attraktiv.

Eine etwas krumme Analogie:
Baldurs Gate 3 zeigt sich gerade, dass die Kunden ein großartiges Produkt wollen, auf das man auch gerne länger wartet. Und Geld lässt sich damit offensichtlich auch verdienen!

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Igor Wallossek

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Haha, man kauft es sich. So wie die ganzen TÜV-Siegel. :D

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konkretor

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304 Kommentare 313 Likes

Da ist man schon mit der Software hinten dran. Jetzt liefert man noch schlechte Hardware, so wird das nichts AMD

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Igor Wallossek

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10,227 Kommentare 18,929 Likes

Die glauben auch nur, was denen das Engineering erzählt, das selbst unter Druck steht, weil der Finanzrahmen schon arg knapp gehalten wurde. Der OEM lässt die Kühler von Drittunternehmen fertigen, da gibt es dann wieder die leidige Befehlkette, die ohne straffes QM nicht zu beherrschen ist.

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echolot

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943 Kommentare 727 Likes

Ich beschreibe es mal so. Die Qualität des Engineering hat in den letzten Jahren auch stark gelitten. Man bewegt sich bei der Auslegung sehr grenzwertig was den Materialeinsatz angeht. Im Projektgeschäft schon lange so. Die rechnerischen Reserven verhinderten Einiges. Dann ging man auch noch an diese Reserven und irgendwann ist nichts mehr da, woran man noch sparen könnte. Wird dann zum Schluß auf den Kunden abgewälzt. Et Voilà! Ähnliches beim QM.

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D
Deridex

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2,214 Kommentare 849 Likes

Aus meiner Sicht hat keiner der beiden GPU Hersteller eine weiße Weste.

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Moeppel

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868 Kommentare 312 Likes

Sofern wir nicht davon ausgehen, dass hier ein Montagsmodell vorliegt:

Also eine RMA Produkt, was durch ein RMA Produkt getauscht wird, was RMA'ed wird, um durch ein RMA Produkt getauscht zu werden?

Irgendwie hat man den Gelddruckzug verpasst :p

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Ghoster52

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1,421 Kommentare 1,083 Likes

QM, das ich nicht lache.... :ROFLMAO:
Wer bei uns zu blöd zum arbeiten ist (geht beim Hammer in die Hand nehmen los), darf in der QM arbeiten.
(Ich habe die letzten Jahre einige kommen und gehen gesehen, einige waren nicht in der Lage einen Messschieber richtig zu benutzen)
Das "Fachpersonal" was die Anlage nicht im Griff hat (z.B. Zeichnungen richtig lesen) geht in die Arbeitsvorbereitung.
(ist das Bindeglied zwischen Kunden und Produktion) Seit Jahren ärgert sich unsere Produktion mit "Pro Lean" rum.
Die Liste ist sehr lang und man fragt sich echt wo das noch enden soll.... :(

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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