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Realtek ALC1200 entmystifiziert – was den Einsteiger-Sound-Chip vom größeren ALC1220 wirklich unterscheidet

Man findet den Realtek ALC1200 sehr oft auf Einsteiger- und Mittelklasse-Motherboards und es ist, wenn man einmal googelt oder die Schwarmintelligenz der einschlägigen Foren interpretiert, auch eine erschreckende Menge Halb- und Unwissen im Umlauf. Die einen schreiben von einem hochgelabelten ALC887, die anderen von einem nur leicht abgespeckten ALC1220. Und das einzig Richtige ist: beides ist schon einmal komplett falsch. Der größere und hochwertigere ALC1220 (2017) ist sogar älter, der ALC1200 kam nämlich erst ein Jahr später (2018) und ein komplett anderer Chip.

Mit einem alten ALC887 kann man jedoch auch den ALC1200 nicht vergleichen, das wäre arg unfair. Das Package des ALC1220 ist übrigens nicht zufällig größer, denn die Funktionalität ist es auch. Trotzdem ist der ALC1200 kein Schund. Ich habe mir auf dem kleinen Dienstweg von einem Boardhersteller auch die Datenblätter besorgen können, die Realtek leider noch unter Verschluss hält. Ich hoffe zumindest, mit dem heutigen Artikel mal die eine oder andere Urban Legend zerstören zu können.

 

Der ALC1200 im Detail

Der ALC1200 HD Audio-Codec von Realtek ist ein SoC und ein energiesparender 110 dB SNR-Mehrkanal-Audio-Codec mit verlustfreiem DRM, der voraufgezeichnete und verlustfreie Inhalte schützt und so die vollwertige Wiedergabe von DVD Audio und Blu-ray DVD oder HD DVD-Discs ermöglicht. Der Chip besitzt einen integrierten 5-Volt- bis 4,5-Volt-Low-Dropout (LDO)-Spannungsregler, der eine einigermaßen akzeptable analoge Audioleistung ohne externe BOM garantiert, und einen integrierten 3,3-Volt- bis 1,8-Volt-Low-Dropout-Spannungsregler, der zur Versorgung interner digitaler Blöcke verwendet wird.

Der ALC1200 bietet maximal zehn DAC-Kanäle, die gleichzeitig die 7.1-Kanal-Wiedergabe unterstützen, sowie zwei unabhängige Stereoausgangskanäle (Mehrfach-Streaming) über den Stereoausgang am Front-Panel (HD-Audio) mit bis zu 110 dB Rauschspannungsabstand (SNR). Zwei Stereo-ADCs sind ebenfalls integriert und realisieren mehrere analoge Audioeingänge einschließlich eines 102 dB-SNR-Stereo-Line-In und eines Mikrofoneingangs samt Mikrofonarrays mit den Softwarefunktionen Acoustic Echo Cancellation (AEC), Beam Forming (BF), Noise Suppression (NS) und Far Field Voice Pick up (FFP).

Alle analogen Ein- und Ausgänge sind ein- und ausgabefähig und alle können entsprechend den Benutzerdefinitionen auch per DSP bearbeitet werden. Es sind insgesamt sogar drei Kopfhörerverstärker an den analogen Ausgangsanschlüssen (Port-D/Port-E/Port-F) integriert. Diese Kopfhörertreiber mit hoher Ausgangsleistung liefern bis zu 30 mW an 32 Ohm Last, wodurch ein externer Kopfhörerverstärker aus Sicht Realteks überflüssig wird. Die Unterstützung des 16/20/24-bit SPDIF-Ausgangs mit bis zu 192 kHz Abtastrate ermöglicht den einfachen Anschluss an HDMI-fähige Geräte oder an diverse Unterhaltungselektronik wie Digitaldecoder und Receiver.

Der ALC1200 unterstützt das Host-Audio der Intel- und AMD-Chipsätze und auch von jedem anderen HDA-kompatiblen Audio-Controller, der der HDA-Spezifikation 1.0a entspricht. Software-Dienstprogramme wie Mehrband-Equalizer, unabhängige Software-Equalizer, Dynamik-Kompressor und -Expander, sowie optionale Softwarefunktionen von Drittanbietern wie Nahimic 3D, Dolby PCEE, SRS TruSurround HD, SRS Premium Sound, Fortemedia SAM, Creative Host Audio, Synopsys Sonic Focus, DTS Surround Sensation, UltraPC und DTS Connect werden unterstützt, wenn die Lizensierung erfolgte.

 

Die Unterschiede zum ALC1220

Der ALC1220-VB ist ebenfalls ein SoC und ein High Fidelity Mehrkanal-Audio-Codec mit bi-lingualer Schnittstelle, der High Definition Audio 1.0a und den Industriestandard I2S und I2C unterstützt. Der ALC1220-VB bietet ebenfalls DRM, 10 DAC-Kanäle sowie zwei Kanäle fürs Mehrfach-Streaming. Der Rauschspannungsabstand (SNR) am Front-Panel beträgt allerdings nun sogar bis zu  120 dB, also 10 dB mehr. Es sind zudem drei statt nur zwei Stereo-ADCs integriert und der Line-In bietet bis zu 110 dB SNR statt der 102 dB des kleineren ALC 1200.

DRM ist ebenfalls kein Thema, allerdings verfügt der ALC1220-VB außerdem noch über einen Direct-Stream-Digital (DSD)-Decoder und -Encoder um DSD-Stream-Inhalte zu genießen und eigene DSD-Streams mit minimalen Qualitätsverlusten durch DA- und AD-Wandler zu erstellen. Der Kopfhörerverstärker an Port-D (Front-Panel) ist ein sogenannter Kondensator-freier Anschluss, der einen externen Koppelkondensator überflüssig macht und für weniger Verzerrungen sowie weniger Pop-Effekte sorgt. Dieser Kopfhörerverstärker an Port-D hat eine satte Ausgangsspannung von bis zu 2,1 Veff und kann hochohmige Kopfhörer (bis zu 600 Ω) betreiben, was beim ALC1200 so nicht geht.

Jetzt wisst Ihr übrigens auch, warum ich bei solchen Boards immer darauf hinweise, das Headset unbedingt am Front-Panel anzuschließen! Generell gilt jedoch, dass die drei (Kopfhörer-) Verstärker für den Output den I/O-Shield und den Front-Header fürs HD-Auto IMMER getrennt arbeiten, wobei der Port-D stets der Front-Anschluss ist. Naja, sein sollte. Ich hatte aber auch schon Boards in der Hand, wo genau das beim ALC1220 falsch beschaltet war und Port-D unverständlicherweise ungenutzt blieb.

Zusammenfassung und Fazit

Der ALC ist besser als sein Ruf, besitzt allerdings auch einige deutliche Nachteile. Der Codec selbst geht absolut in Ordnung und man wird bei einem Blind-Test zunächst maximal ein leicht höheres Grundrauschen feststellen können, das aber auch stark von der Außenbeschaltung und dem gewählten Gain abhängt. Es ist durchaus auch ein moderner Chip, wobei er natürlich genau eine Preis- und Leistungsklasse unterhalb des ALC1220 angesiedelt ist. Letzterer kommt zumindest am Front-Audio auch mit höherohmigen Kopfhörern klar, was beim ALC1200 so definitiv nicht wirklich funktioniert.

Auf Protokolle wie I2S und I2C kann man als Endanwender notfalls auch verzichten, dass DSD komplett fehlt, ist in manchen Situationen schon eher ärgerlich. Dann nützen einem z.B. auch die Nubert nuPro X-3000 RC nichts, die das nämlich könnten, aber nicht geliefert bekommen. Wer den digitalen Ausgang oder USB nutzt, wird im Allgemeinen allerdings keinen Unterschied merken, DSD und andere Spitzfindigkeiten mal außen vorgelassen. Dann bleibt es eher die Frage, welche Drittanbieter-Software bis hin zu DTS noch unterstützt wird. Das ist dann allerdings eine reine Lizenz-Frage durch den Boardhersteller und kein Hardware-Feature  des ALC1200.

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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