Ich war wie immer skeptisch und wurde diesmal doch eines Besseren belehrt. Lässt man mal die aufgesetzte, grellbunte Comic-Art beiseite, dann hat es Criterion endlich mal geschafft, nicht den gefühlt zehnten Aufguss eines Forza Burnout Need for Speed Paradise Horizon zu schaffen. Gut, auch ein paar obligatorische Zerstörungs-Orgien sind wieder mit an Bord und man hat immer mal wieder ein Déjà-vu, aber es hält sich in Grenzen. Und wenn es gar zu kopiert wirken könnte, pappt man bunten Comic-Qualm und Flügel drauf. Klingt doof, ist es eigentlich auch, aber die Toleranzgrenze für den grenzwertigen Marvel-Verschnitt sinkt mit jedem gefahrenen virtuellen Kilometer. Und genau deshalb bin ich mit mir und NFS wieder einigermaßen im Reinen. Wie sich das dann im Detail darstellt, das lest Ihr gleich noch. Aber ich bin diesmal sogar so etwas wie begeistert (merkt man sicher). Natürlich mit kleineren Abstrichen, aber das Positive überwiegt diesmal deutlich.
Kommen wir nun zum Spiel. Need for Speed Unbound ist ein ausgesprochener Arcade-Racer und bietet dabei jede Menge Spaß und eine ganz hübsche Grafik. Das Spiel ist für Windows, PS5 und Xbox Series X/S Konsolen erschienen, aber mich interessiert heute nur die PC-Version. Erwähnen wollte ich die anderen Plattformen trotzdem, denn auch Crossplay ist mit an Bord. Die neueste Ausgabe der Need for Speed (NFS)-Rennspielserie wurde wieder von Criterion Games entwickelt und basiert, oh Wunder, auf der Frostbite Engine von DICE. Das ist eigentlich eher eine schwer zu handhabende Diva (Battlefield, Fifa, Madden u.ä.) aber für den Endanwender eher leichte Kost, was die nötige Hardware betrifft. Der eigentliche Stress findet im Studio statt. Man hat dem Spiel die üblichen Bild-Beschleuniger wie DLSS 3 und FSR 2.2 spendiert, einschließlich NVIDIAs Frame Generation (RTX 4000 vorausgesetzt).
Ich habe auch erstaunlich wenige Fehler finden können, selbst das Clipping funktionierte erstaunlich sicher, falls man sich doch mal einklemmt. Raus kam ich eigentlich immer. So gesehen machte das Spiel einen erfreulich fertigen Eindruck, was auf die Server leider nicht immer zutraf. In bestimmten Zeiten war es nahezu unmöglich zu connecten, also blieb dann nur die Story, deren Plot definitiv keinen Literatur-Nobelpreis verdient und deren cineastische Umsetzung in den Cut-Scenes auch nicht nach dem Oscar greifen dürfte. Aber auch solide Hausmannskost ist in der heutigen Zeit schon so etwas wie eine Auszeichnung und irgendwann liefen dann auch die Server wieder. Ich war zufrieden und meine Zeit schnell dahin.
Wichtiges zur Story: Lakeshore als Open World
Am Start ist alles, was man schon irgendwann mal in einem NFS gesehen hat, außer echten Rennstrecken und eisigen Gebirgsstraßen vielleicht. Eine dicht bebaute Innenstadt, ein großes Hafengebiet, hübsch kurvige Bergregionen, diverse Parks, Freeways und Gewerbegebiete mit jeder Menge Zerstörungspotential. Manchmal fühlt man sich auch wie in Test Drive Unlimited 2, nur eben in hübscher. Apropos GTA-Feeling: manches sieht aus, wie die nie fertig gestellte Chicago-Map für GTA V. Das lässt das staubtrockene Palm City aus NFS Heat gern vergessen. Tag- und Nachtwechsel sind statisch und vom jeweiligen Spielfortschritt abhängig. Das Wetter wechselt beim Betreten tagsüber nur zwischen Sonne und Regen, wobei die Straßen immer nass wirken und Pfützen den grafischen Pep demonstrieren sollen. Nachts wirkt das alles noch eine Spur feuchter und deutlich bunter. Immerhin etwas.
Die wichtigste “Neuerung” ist die nicht vorhandene Gummi-Band-KI, die uns schon seit dem ersten NFS Most Wanted geradezu genervt hat. Wer gut auf Rundkursen klarkommt, der sieht mit etwas Geschick am Ende auch schon mal die Rücklichter der längst schon überholten Fahrzeuge. Danke dafür. Das Rücksetzen bei Fahrfehlern oder Crashs geht schnell und man verliert sicher Zeit, kann aber schnell wieder aufschließen und bleibt noch vorn, je nach Skills. Danke auch dafür, das war längst überfällig. Apropos KI: die Polizei ist reichlich aufdringlich, bis Stufe 2 aber noch sehr gut beherrschbar. Danach wird man sich besser ein Versteck suchen und mit etwas Glück die Fahndung einfach aussitzen. Gewusst wie und wo.
Garagen (bzw. Verstecke) schaltet man sich übrigens über Missionen in der Story frei, freie Rennen findet man (bis auf ein paar Übungen) leider nicht in der offenen Welt. Man muss also oftmals ziemlich zeitraubend die jeweiligen Treffpunkte ansteuern, wenn man Rennen starten will. Nach dem Rennen steht man aber dort, wo das Rennen zu Ende ging und die Fahrt zum Treffpunkt geht wieder von vorn los, wenn es dort noch ein zweites Rennen gab. Das nervt durchaus, denn Schnellreisen gibt es leider nicht. Zumindest kann man dann bei den Rückfahrten noch diverse Sammelobjekte (Streetart, Bonus-Bären) einsacken oder den Hammer raushängen lassen und diverse Aktivitäten absolvieren (Drift-Parkour, Geschwindigkeits-Kameras, Sprünge und Plakatwände)
Ein wirkliches Schadensmodell gibt es zwar nicht, aber hey, es ist nun mal ein Arcade-Racer. Die herumwuselnden NPCs in Form unzähliger Fußgänger sind vorm Aufprall schneller als wir und es wird keine Human-Pampe gehen. Gut, es sieht dann oft aus wie Ragdoll-Ballett mit Extasy-Background, aber so geht das wenigstens auch als USK6 durch und bleibt schön vegan.
Fehler und Verbesserungsmöglichkeiten
Das es keine Savegame-Verwaltung gibt, ist komplett unverständlich. Man findet den Ordner mit dem Spielstand unter “Documets” (Meine Dokumente) und kann sich seinen jeweils aktuellen Spielstand auch durch einfaches Umkopieren sichern (geht auch während des laufenden Betriebes). Criterion hat leider das Management komplett vergessen und so muss man, wenn man z.B. eine neue Karriere beginnen möchte, das alte Savegame vor dem Spielstart manuell löschen. Wer mit verschiedenen Profilen oder Fortschritten spielen will, hat hier leider den kompletten Zonk. Bitte nachbessern! Wenn ich Zeit und Muße finde und sich das Spiel auch nach ein paar Tagen noch gut anfasst, schreibe ich vielleicht mal eine externe Savegame-Verwaltung. Je nachdem.
Was auch mangelhaft ist, ist das fehlende Merken der jeweils gewählten Kameraperspektive. Man startet quasi immer auf der Frontstoßstange sitzend, was wirklich nervt. Die Dialoge sind stellenweise gut, manchmal auch albern, zumal sich bestimmte Dinge auch schon mal in sehr kurzer Abfolge wiederholen oder nicht wirklich zum Renngeschehen passen. Aber geschenkt, das kann man nonchalant überhören, auch wenn die deutschen Sprecher nur unterer Durchschnitt sind. Was aber wiederum nicht neu ist. Als hätten wir in DE keine Charakterstimmen, klingt alles steril durchgehipstert, also wie eine Art Deep-Voice-Fake ohne jegliche Emotionen.
Bei manchen Rennen stockte bei mir der Start ein wenig und ich hatte auf den ersten Metern selbst mit einer GeForce RTX 4090 ehebliche Frame Drops. Als Workaround bietet sich das Löschen des Shader-Caches an, zumindest bei NVIDIA-Karten. Den Cache löscht man sowohl aus “Documents\Need For Speed(TM) Unbound\cache” als auch aus dem Ordner “NFS Folder\shadercache”, optional auch noch die Profiloptionen unter “Documents\Need For Speed(TM) Unbound\settings”. Beim nächsten Start des Spiels repariert es sich faktisch von selbst und die Drops waren wieder weg.
Ansonsten läuft das Spiel erstaunlich rund für eine ungepatchte Erstversion, Hut ab.
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