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Einen aktuellen Ryzen ohne AMD-Chipsatz betreiben? Ginge auch! Was hinter dem Knoll Activator steckt

Das klingt jetzt arg reißerisch? Mitnichten. So abwegig ist das Ganze nämlich gar nicht, denn so ein Ryzen ist ja eigentlich ein komplettes SoC (System-on-Chip). Nur müsste man so einen Prozessor ja erst einmal zum Leben erwecken. Das es dafür, abseits der ganzen bekannten Chipsätze, auch noch andere Möglichkeiten gibt, ist zwar kein Staatsgeheimnis, aber immerhin scheint es dem Chiphersteller noch unangenehm genug zu sein, um es zumindest noch als confidential einzustufen.

Diese Brücke zur Chipset-freien Glückseligkeit schlägt AMD übrigens selbst, denn man stellt denen, die so etwas wirklich benötigen, eine Art Chipset-Dummy zur Verfügung, was letztendlich das Starten der CPU auch ohne externes Chipset ermöglicht. Man nennt diesen Chip übrigens „Knoll Activator“ (warum auch immer) und ich werde gleich noch einmal darauf zurückkommen. Doch zunächst schauen wir mal auf so ein Ryzen-Blockschaltbild dessen, was am Prozessor nach außen hin freiliegt.

Und nun kommen wir zum geheimnisvollen „Knoll Activator“.  Interessanterweise firmiert dieser Chip unterhalb der 300er Chipsets, wobei die Dokumentation natürlich entsprechend des geringen Funktionsumfangs dieses Aktivator-Chips ebenfalls recht mager ausfällt. Ich war übrigens so frei, das Deckblatt aus Quellenschutzgründen etwas zu verfremden, indem ich einige Dinge entfernt habe.

Die Einführung zum „Knoll Activator“ habe ich einmal übersetzt, denn sie beschreibt eigentlich ziemlich exakt, was das gute Seit so macht bzw. welchen Zweck es erfüllt.:

…Informationen über die AMD-Familie von Aktivator-ICs mit dem Codenamen „Knoll“, die in der AMD AM4-Infrastruktur zur Aktivierung von Peripherie-E/A und Prozessoreigenschaften von gesockelten Prozessoren in Ermangelung eines alternativen AMD-Chipsatzes erforderlich sind. Es gibt mehrere Produktmodelle in der „Knoll“-Familie. Jedes Modell ermöglicht unterschiedliche Peripherie-E/A- und AMD Sockel AM4-Prozessorfunktionen in der Infrastruktur der AMD AM4-Plattform. Im Datenblatt jedes Sockel AM4-Prozessors finden Sie Einzelheiten zu den aktivierten E/A- und Funktionen pro Aktivatormodell.

Die „Knoll“-Familie ist mit dem AMD Sockel AM4-Prozessor verbunden und wird ausschließlich über die AMD Plattform-Software betrieben. Für den Benutzer sind keine Elemente zugänglich. Der Benutzer ist nur für den physischen Entwurf der Leiterplatte für die Platzierung der „Knoll“-Komponenten, die Signalführung zum AM4-Sockel und die Stromversorgung der „Knoll“-Komponente verantwortlich, die bei allen „Knoll“-Modellen einheitlich ist. Die „Knoll“-Modelle verbrauchen während des Startvorgangs kurzzeitig sehr wenig Energie und danach im Ruhezustand nur unbedeutende Leistung… Das „Knoll“-Gerät muss speziell an den I2C-Kanal 2 des Prozessors angeschlossen werden…

Theoretisch lässt sich somit ein einmal aktivierter Ryzen auch ohne spezielles AMD-Chipset fast vollumfänglich nutzen. Es ist übrigens prinzipiell möglich, jeden der AMD Chipsätze an den bisherigen Ryzen-CPUs zu betreiben bzw. andersherum sogar aktuellen Ryzens mit alten 300er Chipsätzen. Denn der CPU selbst ist die Peripherie relativ egal. Dass man im Laufe der Produktzyklen natürlich immer neue Chipsätze generiert, um das jeweils bestmögliche „Anwendererlebnis“ sicherzustellen ist zumindest aus kaufmännischer Sicht nachvollziehbar.

Es ist vielleicht auf den ersten Blick verwunderlich, dass nicht mehr Boardpartner eigene I/O-Lösungen nutzen und maßgeschneiderte Platinen herstellen, die auf die teure Komponente in Form eines AMD-Chipsets verzichten. Dass dies technisch möglich und vielleicht sogar sinnvoll sein kann, zeigt HP mit dem recht aktuellen VinsonC Motherboard, das sogar eine komplette APU als reines SoC nutzt und zudem auf den teuren Chipsatz komplett verzichtet. Hier handelt es sich allerdings um Kundenplatinen, die nie in den Endanwendermarkt gelangen dürften.

Source: HP Support

Dinge, wie z.B. ein serieller und Ethernet-Anschluss werden über einen normalen, sehr günstigen SIO-Chip (Super I/O) gelöst, der die Grundfunktionalität des Ryzen noch ergänzt. Denn viel mehr, als die normalen Schnittstellen des IOD (I/O Die) so einer Ryzen-CPU, benötigt man gar nicht. Es ist also nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch möglich, kleine und autarke Systeme ohne die teuren und leistungshungrigen AMD-Chipsätze zu bauen, wenn man auf bestimmte Features verzichten kann. Das hat auch diese HP-Platine bewiesen.

Ich persönlich würde mich schon freuen, wenn man auch als Endkunde solche einfachen Platinen für AMDs Einstiegs-APUs im normalen Endkunden-Markt bekommen könnte, denn dann wäre man in der Lage, auch leistungsfähigere Systeme als die aktuellen Embedded-Angebote von AMD zu nutzen, die man nicht explizit fürs Gaming braucht. Allerdings dürfte zumindest die angepeilte Gewinnerzielung seitens AMD diesem Wunsch ein klein entgegensprechen, was schade, aber wohl nicht zu ändern ist.

Aber vielleicht erbarmt sich ja mal ein chinesischer Platinenhersteller, der nicht durch diverse Boardpartner-Verträge gebunden ist, der Umsetzung einer solchen Platine. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass dies alles auch mit der kommenden Generation an CPUs und APUs möglich sein würde. Man muss es einfach nur mal machen. 🙂

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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