Knallfrosch, China-Böller, Witwenmacher – für die Palette der ausgesucht billigen Grausamkeiten aus Fernost gibt es viele harmlose Umschreibungen. Doch dass dieser Elektronikschrott im wahrsten Sinne des Wortes brandgefährlich ist, musste ich bei einem kurzen Experiment (einmal mehr) am eigenen Leib erfahren. Doch Versuch macht klug und so habe ich das, was ich vorhatte, nicht ohne Aufsicht gelassen. Und wie es das Leben so gern spielt: Gott sei Dank!
Auslöser des diesmaligen Dilemmas war ein gar nicht so altes Stability Power LPJ9-25E 3*SATA von Linkworld (ja, ich weiß, ich hätte es wissen müssen) mit 420 Watt gelabelter Ausgangsleistung aus dem Jahr 2015. Verbaut war das Ganze in einem nur 3 Jahre alten Fertig-PC mit einem Intel Core i3-6100 ohne dedizierte Grafikkarte – der typische Office-PC also. Da das Netzteil einen separaten 5-V Zweig nutzt, sollte es im Standby-Betrieb auch eher unproblematisch agieren.
Ziel der Aktion war es, aus diesem Sekretärinnenbeglücker von PC eine kinderzimmertaugliche Einsteiger-Lösung für eine kommende Spielergeneration zu stricken, indem man einfach einen passende Grafikkarte und etwas mehr Speicher verbaut. Das alles ist normalerweise in wenigen Minuten erledigt, jedoch prüfe ich von Haus aus trotzdem über mehrere Stunden, ob so ein Konstrukt dann auch wirklich läuft. 420 Watt? Nun ja, schaun wir mal…
Da das Netzteil keinen 6-Pin PCIe-Anschluss für die Grafikkarte besitzt, habe ich (mutig wie ich bin) einen Molex-Adapter genutzt, denn eine günstig geschossene MSI R7 370 Gaming 2G nuckelt selbst im Extremfall keine 150 Watt aus der Dose. Mit ca. 220 Watt Spitze fürs Gesamtsystem sollte das also trotz Billig-Label noch hinkommen, sogar laut Typenschild. Die ausgepreisten 17 Ampere auf 12 Uhr sind keine Mörder-Leistung, aber das sollte schon reichen.
Das alles lief auch erst einmal, allerdings nur reichlich zwei Stunden. Dann gab es ein Zischen, einen Knall und als Nachtisch einen extrem beißenden Gestank, den ich trotz stundenlangen Lüftens noch zwei Tage später in der Nase hatte. Grafikkarte vs. PSU und es stand 1:0
Wieso einer der Primärelkos geplatzt ist, lässt sich im Nachhinein natürlich schlecht klären, aber er sollte für das Zischen und den Knall verantwortlich gewesen sein. Gute China-Ware eben, denn die Fuhjyyu MK zählen mit zu dem Fiesesten, was man überhaupt irgendwo einbauen kann. Um diesen Schund muss man wirklich einen großen Bogen machen. Die vier angeschmorten 1N5406 funktionierten übrigens hinterher noch, während Kondensator und Spule nur noch Abfall waren.
Da das Netzteil mit allen möglichen Schutzschaltungen beworben wird, war es zudem verwunderlich, dass der PC auch NACH dem Urknall und dem Brutzeln der Chemiesuppe aus dem Elko weiterlief. Schlimm auch, dass die Feinsicherung noch ganz war und eben nicht geschmolzen ist (wie man es hätte erwarten können). Die billige Hartpapierplatine hingegen brannte bereits, vor allem an den Kanten. Brandhemmend ist etwas anderes
Der verbaute Weltrend WT7520 kann alles Mögliche, nur keine echte Absicherung. OVP und UVP (Schutz gegen Über- und Unterspannung) mögen da ja noch hinkommen, aber die beworbene SCP (Kurzschlussschutz) hätte die Sicherung richten müssen. Hat sie aber nicht. Unbeaufsichtigt geblieben, wäre das alles in einem veritablen Elektronikbrand geendet, der zudem in einem Einrichtungshaus (da wo die Knallbüchse herstammt) nette Folgen hätte haben können.
Das Schlimme ist, dass diese Teile als LPJ- und LPK-Serie immer noch verkauft werden und sich zudem massenweise Clone dieser unglückseligen Technik in vielen billigen SI-Gehäusen wiederfinden. Wie viel man für das CE-Label gezahlt hat und wer diese Dinger überhaupt abgenommen hat, bleibt auch erst mal im Trüben.
Zusammenfassung und Fazit
Derartiger Schrott, der für 9 USD erworben werden kann, ist brand- und lebensgefährlich. Auch wenn viele Komponentenkäufer mittlerweile geheilt sind und etwas bewusster bestellen – ein Komplettgehäuse mit Netzteil für unter 30 Euro kann nichts taugen. Nur dass es der Käufer hier gern ausblendet, dass ja auch das leere Gehäuse etwas kostet und von daher für das Netzteil dann keine 10 USD im EK übrigbleiben. oder ein Systemintegrator gewissenlos mit spitzem Stift kalkuliert.
Ich will jetzt nichts gegen Fertig-PCs sagen, die zweckmäßig bestückt wurden, denn auch Firmen wie Delta, FSP oder sogar Seasonic bieten SI-Netzteile im nackten Blechgewand für kleines Geld. Aber eben nicht für unter 10 USD, wo es noch nicht einmal Mutter Theresa schaffen würde, etwas Vernünftiges in die Box zu packen. Einzelhandelspreise von unter 40 Euro (online unter 30 Euro) sind stets ein erster Indikator für eine potentielle Brandbombe. Und genau eine solche sollte man sich echt nicht antun. Sparsamkeit und Geiz sind nicht das Gleiche.
Solltet Ihr ähnliche Erfahrungen auch bereits selbst gemacht haben und sogar Bilder dazu beisteuern können: Ihr seid herzlich dazu eingeladen, dies hier im Forum zu posten. Wenn genügend zusammenkommt, mache ich gern eine Fotostrecke daraus und betrachte den Post quasi als Einverständnis für eine mögliche Veröffentlichung in einer Bilderstory.
Da kann ich jedem nur den nachstehend verlinkten Artikel wärmstens ans Herz legen:
Auf Entdeckung: Wie sichere, haltbare und leise Netzteile entstehen
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