Mal wieder: On Hold. Diese kurze Auskunft der meisten Befragten zur GeForce RTX 3090 Ti deckt sich mit der aktuellen Lage: Termin unbekannt. Dass die Karten eigentlich schon längst fertig sind, ist natürlich kein Geheimnis, aber ein paar Details, die sich bei den verschiedenen Boardpartnern (AIC) aufschnappen ließen, sind durchaus pikant. Ich hatte ja bereits vor einigen Wochen im Artikel “Mögliche Probleme bei der NVIDIA GeForce RTX 3090 Ti – Wenn das Schaltungsdesign zum engen Korsett wird” überlegt, was der Grund für die Verschiebung sein könnte. Ganz so abwegig scheinen diese Gedankenspiele nun doch nicht gewesen zu sein.
Oder anders herum gesagt, es hat wirklich etwas damit zu tun. Man hört von einigen Seiten, dass die GeForce RTX 3090 Ti, die von NVIDIA auf der CES als Leuchtturmprojekt beworben wurde, wohl doch eher als Spielwiese für die AIC gedacht war, um sich auf NVIDIAs kommende Lovelace-Chips samt einer exorbitanten Leistungsaufnahme vorzubereiten. Und natürlich auch, um damit erste Erfahrungen für eine reibungslose Massenproduktion einer solchen Karte zu sammeln. Als bestätigt sollte zudem gelten, dass die TDP-Empfehlung (Default Power Limit) für die GeForce RTX 3090 Ti bei “nur” 450 Watt liegen soll, während sich das Maximum (Max Power Limit) 15% darüber (also knapp unterhalb der 520-Watt-Grenze) positioniert.
Und ja, jetzt passt plötzlich auch wieder der 12VHPWR-Stecker für Grafikkarten mit 600, 450, 300 und 150 Watt mit ins Bild, über den ich ja bereits mehrmals geschrieben habe. Lustigerweise passt nämlich der auf der Founders Edition für die Spannungsversorgung genutzte 12-Pin-Anschluss exakt zu den Pins des 12VHPWR-Steckers, nur dass die weiteren vier optionalen Pins S1 bis S4 (im Bild Grau) fehlen. Damit bleibt der bereits genutzte Stecker der FE Karten erst einmal abwärtskompatibel, nennen wir es einmal 12VHPWR Ready, was aber NUR für den Stecker gilt! Man wird also den alten Stecker in die neuen Karten mit dem 12VHPWR stecken können, jedoch nicht umgekehrt. Das ist sicher auch der Grund, warum NVIDIA mit dem PG136C ein leicht modifiziertes PCB mit dem 12VHPWR-Connector for die GeForce RTX 3090 Ti registriert hat.
Genau hier muss man nun fragen, warum dann Firmen wie EVGA (Kingpin) oder Galax (HOF) auf den ausgewiesenen Spitzenmodellen gleich zwei der neuen 12VHPWR-Stecker verbauen, wenn auch einer die Leistung von 600 Watt schaffen könnte. Und wir erinnern natürlich jetzt auch an Asus, die unlängst das neue ASUS ROG THOR Platinum II wieder von 600 auf 450 Watt am 12VHPWR-Stecker herunterstufen mussten. NVIDIA (und Asus) haben nämlich offensichtlich die Rechnung ohne die PCI SIG gemacht, also die Normierungs-Organisation, die auch hinter PCI-Express 5.0 steht. Das muss ich allerdings doch noch kurz erklären.
Die 12 Spannungsversorgungsanschüsse, von denen jeweils sechs Pins für die 12 Volt und Masse vorgesehen wurden, bleiben zum normalen 12-Pin Stecker der FE-Karten völlig gleich in Form und Belegung. Die hinzugekommen 4 kleineren Anschlüsse am Boden (im Bild oben grau hervorgehoben) haben es allerdings durchaus in sich. Mit der Einführung der 12VHPWR-Spannungsversorgungs-Anschlüsse kommen nämlich vier optionale Seitenbandsignale hinzu, von denen drei bereits temporär definierten Merkmalen zugeordnet sind.
Die beiden optionalen Seitenbandsignale SENSE0 und SENSE1 (S3 und S4 in der Tabelle) bieten einen Mechanismus, mit dem die Add-in-Karte die Grenzwerte für die anfänglich zulässige Leistung des Steckers, die maximal zulässige Leistung des Steckers für das Kabel und die Stromversorgung erfassen kann. Allerdings ist aktuell nur SENSE0 (temporär) benannt, während SENSE1 noch komplett offen ist. SENSE0 definiert aktuell (unter Vorbehalt) die maximale Leistungsgrenze, also die von diesem Kabel unterstützte Höchstleistung. Ließe man nun die 4 Kontakte einfach weg, passt auch jeder 12-Pin Stecker, allerdings nur bis 450 Watt und ohne den temporären Masse-Pin, der bei S3 die 600 Watt definieren soll.
Auf Nachfragen hin ergibt sich nun ein interessantes Bild. Der neue Standard scheint nämlich immer noch nicht final festzustehen, so dass hier im schlimmsten Fall auch noch einmal eine komplette Neudefinition der Belegung und Pin-Kodierung stattfinden könnte (was zwar unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich ist). Dann aber würde eine jetzt bereits eingeführte Masseverbindung des S3 zu technischen Problemen führen. Fakt ist aber auch, dass die bis zu fast 520 Watt aktuell mit nur einem Stecker gar nicht normgerecht geliefert werden können, wenn man es nicht auf Stecker und Motherboard-Slot aufteilt. Hier greife ich nun noch einmal auf einen älteren Artikel zurück, wo ich das bereits erklärt habe und fasse es kurz zusammen:
Wir sehen eine Aufteilung der GPU-Versorgungsspannung in NVVDD (Blau) und MSVDD (Grün), sowie die für den Speicher in Form von FBVDDQ (Rot). Die Erzeugung der weiteren Teilspannungen ist hier erst einmal wegen Ihres Anteils an der TBP zu vernachlässigen, wenn auch nicht völlig uninteressant. Wenn man weiß, wie die Phasen der Spannungswandler funktionieren, dann weiß man auch, dass der Großteil am externen PCIe-Anschluss (Aux) angebunden ist. Aber es sind nun einmal nicht alle. Ein gewisser Teil hängt auch am PCIe-Motherboard-Slot (PEG) und spätestens jetzt beginnt das Problem.
Der PEG hat nämlich seine Grenze von 5.5 Ampere (also 66 Watt) auf der 12-Volt-Schiene bei vielen GeForce RTX 3090 schon im 350-Watt-Fenster voll ausgeschöpft und könnte nur nur mittels einer (eklatanten) Normüberschreitung noch weiter belastet werden! Deshalb werden die Boardpartner gezwungen, die bestehenden Designs der GeForce RTX 3090 zu modifizieren und die Last eher in Richtung 12VHPWR-Stecker zu verschieben. Doch wie immer steckt da bereits der Teufel im Detail, denn die komplette Spannungsversorgung so einer Karte ist ein sehr fragiles und sorgsam untereinander abgewogenes Konstrukt. Dieser Part wurde aber, glaubt man den Boardpartnern, mittlerweile erfolgreich gemeistert.
Da will ich auch nicht wieder über die Kondensatoren unterhalb der GPU und entlang der ganzen Tracks bis hin zu dem PWM Nodes der Spannungswandler schreiben, denn auch dieses Thema ist nicht von der Hand zu weisen. Wenn schon 350 oder gar 450 Watt bereits riesige Stabilitätsprobleme aufwerfen (und das alles nur durch einen Treiber wieder gefixt werden konnte), was passiert dann erst bei 520 Watt? Darüber will ich eigentlich gar nicht nachdenken. Aber falls es wirklich solche Karten auf den Markt schaffen, lasse ich mich gern vom Gegenteil überzeugen (bzw. überzeuge mich selbst).
Im Übrigen ist auch der Speicher mit den 21 Gbps so ein Wackelkandidat, über dessen Stabilität man trotz Backdrill-Verfahren trefflich streiten könnte, selbst wenn NVIDIAs Base-Design-Kit das hergibt und sich die Hersteller daran halten. Stichwort Signalintegrität. Theorie und Praxis eben. Somit zeigt sich die GeForce RTX 3090 Ti nicht nur als Spitzenmodell, sondern auch als Lehrstück für die Boardpartner und für das, was noch in 2022 kommen soll: NVIDIAs Lovelace.
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