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Bei Dir fiepts wohl! Ein kleiner Grundkurs zu nervigen Spulengeräuschen und noch nervigeren Zeitgenossen | Glosse zum Spuelenfiepen

Meinen Freund Bernhard Baumgartner (Crankzware, also der mit dem RainPOW) treibt seit einiger Zeit immer wieder das gleiche Internet-Gespenst namens Spulenfiepen um, denn wenn man sich wie er aktiv in den sozialen Netzwerken oder Foren bewegt, kann man nicht nur die immer wieder gleichen Probleme lesen, sondern auch die meist noch viel unbeholfeneren Deutungsversuche und inhaltlosen Antworten – einschließlich diverser YouTube-Links, die bereits realsatirischen Charakter tragen würden, könnte man sie und die Protagonisten von Leim und Schere noch irgendwie ernst nehmen.

Und genau deshalb habe ich ich mich, mit freundlicher Genehmigung, mal an Bernhards letztem Text bedient, der in sehr bildlicher Sprache das erklärt, worum es eigentlich geht und den ich Euch einfach nicht vorenthalten kann. Ich mache mal einen Cut und ab jetzt ist es nicht mehr mein Text (den ich kaum besser hätte schreiben können, wenn überhaupt):

Schauen wir uns dazu kurz mal an, wieso diese Spulen überhaupt auf dem Mainboard und der GPU, sowie auf vielen anderen elektronischen Geräten zu finden sind: Kurzgesagt sind es meistens Längsspulen zur Drosselung oder Glättung. Wir brauchen sie beispielsweise in einem Wandlerstromkreis von z. B 12 V auf 1,2 V oder weniger für eine GPU. Die Aufgaben dieser Spulen sind also folgende:

– Begrenzung des Anlaufstroms (unendlich hoch vs. berechnet)
– Speichern von Energie im Magnetfeld
– Induktion einer Gegenspannung

Anhand des obigen Bildes könnt ihr sehr vereinfacht sehen, wie eine grundlegende Spannungswandlung aufgebaut ist. Die Spule sorgt bei einem PWM-geregelten Stromkreis dafür, dass Strom weiter fließt, obwohl der MOSFET schon nichtleitend ist (Energiespeicher mit Medium Magnetfeld). In der Logik läuft die Regelung so ab:

Gate Controller:
Jetzt brauchen wir endlich mal wieder Strom, Kinder!  Er schickt frech mal ein kleines Steuersignal auf den Gate Anschluss (daher auch der Name) des MOSFETs.

MOSFET:
Wie geil ist das denn? Auf meinem Gate krabbelt mich ein positives Potential, ich schalte jetzt mal lustig Source nach Drain durch und werde aber sowas von leitend, lasse also mal voll den Strom durch. Auf geht’s Ihr Pappnasen, Grenzen auf!

Spule:
Hä, was’n jetzt los? Die Spule, die hinter dem MOSFET liegt, wacht erschreckt mit verschlafenen Augen auf und checkt: Oops okay, durch mich fließt Strom (ich bekomme was zu Essen), ich muss jetzt ein Magnetfeld aufbauen (richtig fett werden) und Energie speichern, damit ich bei Bedarf eine Gegenspannung entgegengesetzt zur Eingangsspannung erzeugen kann! Ich bin nämlich sowas wie ein Reflektor, ätsch!

Gate Controller:
OMG, was sagt mir die Stromauswertung? Ein Hilferuf? Das wird jetzt wirklich zu viel, weil in dieser Millisekunde gar nicht so viel Strom gebraucht wird, also gefälligst mal Ruhe im Karton! Logischerweise nimmt er flink das Steuersignal vom Gate des MOSFET und der macht wieder dicht.

MOSFET:
Ich bin jetzt mal so richtig sauer!  Er hängt protestierend ein Schild in seinen Eingangsbereich, auf dem steht: Keine Arme, keine Kekse! Oder auch: Kein positives Potential am Gate, kein Strom (und lässt beleidigt den Hammer fallen).

Spule:
Och Menno, ich schlafe gleich wieder ein! Denn die Spule wird nun auch nicht mehr mit Strom durchflossen und sitzt auf zwangsverordneter Mager-Kur. Und was macht nun so ein trockengelegtes Spulen-Model, wenn die Magersucht zum Lebensmittelpunkt wird? Richtig, sie geht aufs Klo, steckt den Draht in den Hals und kotzt all die gespeicherte Energie (Fett) wieder aus.
Allerdings zur falschen Seite (also nicht nicht unten)… Die Gegenspannung (Erbrochenes) wird dann von einer Putzfrau (Diode und Elko) wieder in den Stromkreis zu Beginn eingespeist und nicht einfach weggeworfen, wie z. B bei einem Vorwiderstand weil das Potential nach Masse abfließen kann. Wo kämen wir denn da hin? Zurück in den Restaurantkreislauf, dann gibt es morgen Soljanka.

So weit so gut. Jeder von uns kennt es: Es gibt Menschen, bei denen bekommt man gar nicht mit, wenn sie vornehm leise erbrechen müssen, andere wiederum führen gar einen akustischen Todeskampf und klingen dabei wie sterbende Tiere. Also bildlich gesehen natürlich. Genau so ist es mit Spulen auch, es sind ja auch nur Menschen wie Ulf und ich. Überhaupt Spulen…

Es gibt verschiedene Bauformen, wie Ringkernspulen oder Kapselspulen. Darüber hinaus haben Spulen oft verschiedene Dinge im Kern, die ihre Eigenschaften beeinflussen. Dort gibt es Eisenkerne (Ferrit), Pulverkerne und noch so Einiges mehr. Eine wichtige Kenngröße bei einer Spule ist allerdings ihre Resonanzfrequenz, also ab wann sie beginnt, physikalisch zu schwingen. Genau dort unterscheiden sich dann die vornehmen Schalldämpferkotzer von den sterbenden Tieren. Also erneut bildlich gesehen.

Liegt diese Frequenz bei den in diesem Zeitpunkt wirkenden Parametern im hörbaren Bereich (50 Hz bis 20 KHz), dann nehmen wir das als Spulenfiepen wahr. Hervorgerufen wird das durch die so genannte Lorentzkraft. Diese beschreibt eine Wechselwirkung aus drei physikalischen Kenngrößen: Stromrichtung, Magnetfeldrichtung und: TAADAA: Lorentzkraftrichtung! Genau hier ist der Hase im Pfeffer begraben! Die Lorentzrichtung sorgt nämlich für die mechanische Bewegung in der Spule und da drin ist quasi kaum Platz. Die Wicklungen der Spule stoßen also ans Gehäuse und an den Kern und verursachen dadurch das Spulenfiepen, das eigentlich eher eine Art Spulenkrampf ist.

© Von Miessen – Eigenes Werk (Wikipedia)

Alles schön und gut, aber was machen wir oder wo bleibt man hilflos?

  • Eigentlich ist Spulenfiepen kein Reklamationsgrund, weil es eine elektrotechnische Gesetzmäßigkeit und Normalität ist. In der Realität wird eine fiepende Grafikkarte aber trotzdem oft zurück genommen.
  • Das Tauschen des Netzteils kann die Betriebsparameter mit etwas Glück so verändern, dass die Resonanzfrequenz nicht erreicht wird, oder für den Geschädigten eine eher angenehmere Frequenz erreicht.
  • Mehr oder weniger Kühlung (Längenausdehnungskoeffizient) des Spulenmaterials kann sich positiv auf das Fiepen auswirken. Deshalb werden Spulen meist nicht zu extensiv gekühlt.
  • Frame Limiter oder auch VSync können dabei helfen, das Fiepen zu verringern, weil die Spule nicht 300 mal pro Sekunde angesteuert wird, sondern z.B. nur 60 mal.

Noch einmal vielen Dank an Bernhard Baumgartner für den kleinen technischen Einwurf, das musste einfach mal sein. Immerhin ist heute Weltspulenfieptag. Da darf man das schon mal.

 

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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