Ganze 13 Jahre hat es gedauert, bis Alan Wake endlich einen würdigen Nachfolger gefunden hat, denn das Remake zählt ja nicht wirklich. Und jetzt, einen digitalen Trommelwirbel bitte, er ist wieder da! Alle Redaktionen sind natürlich aus dem Häuschen und überschütten das Spiel mit Lob. Aber um mal ein wenig vom Hype um Alan Wake 2 wegzukommen, habe ich mich entschieden, erst einmal ein paar Stunden ohne Benchmark-Hintergedanken wie ein normaler Käufer zu spielen, bevor ich auch nur eine Zeile schreibe.
Der heutige Artikel ist, zugegeben, sehr subjektiv. Aber ich möchte trotzdem und mit voller mit Absicht einen Gegenentwurf zu den uneingeschränkten Lobeshymnen veröffentlichen, der alles andere als ein Verriss ist, aber sich auch ein wenig an der breiten Masse derer orientiert, sich sich keine 1500-Euro-Grafikkarte leisten können. Die Messlatte der ganzen neu veröffentlichten Spiele und DLCs liegt mittlerweile verdammt hoch, da wird man natürlich auch wählerisch. Trotzdem ist nicht alles Gold, was glänzt, so ehrlich muss man einfach bleiben. Ich schreibe diese Seite deshalb aus meiner ganz persönlichen Sicht, die sich nie mit der aller Leser decken kann und wird. Das ist nun mal so.
Etwas Abstand nehmen muss ich nicht nur, um mich nicht von der stellenweise (aber nicht immer) atemberaubenden Grafik blenden zu lassen, sondern auch, um zu sehen, ob es mehr als nur hübsche Pixel im Strahlenverfolgungswahn der grünen Pfadfinder gibt. Und was für eine Überraschung, Alan Wake 2 präsentiert sich als genau das Meisterwerk, das die Gaming-Welt zwar nicht verdient, aber scheinbar dringend braucht. Oder zumindest ist das die Botschaft, die Remedy Entertainment und Epic Games Publishing als exklusive Plattform uns verkaufen wollen. Bei Alan Wake 2 setzt Remedy – wie könnte es anders sein – auf die Northlight-Engine, die sie natürlich seit Control weiterentwickelt haben. Das Resultat? Alan Wake 2 sieht hin und wieder fast wie Control aus, was jetzt durchaus positiv gemeint ist und es hört und fühlt sich auch so an! Besonders die Beleuchtung sticht hervor – fast so, als würde man versuchen, mit einer winzigen Taschenlampe im Nebel den Weg zu finden.
Die Handlung? Nun, 13 Jahre nachdem Alan Wake in der malerischen Stadt Bright Falls verschwunden ist, findet er sich in einer alternativen Dimension wieder. Sein genialer Ausweg? Ein Horrorroman, in dem er eine FBI-Agentin namens Saga Anderson hinzuerfindet. Ja, das klingt genauso absurd, wie es sich anhört. Alan Wake, der Autor, der sich selbst aus seiner Gefangenschaft schreibt. Ein echter Geniestreich der Erzählkunst und ziemlich gaga dazu! Und was reimt sich auf gaga? Saga! Die toughe Saga Anderson, eine FBI-Agentin, die natürlich alle geforderten Klischees einer modernen Heldin erfüllt, wird anfangs in die Stadt geschickt, um eine Reihe von ritualistischen Morden zu untersuchen, während sich der ältliche Kollege und der gleichnamige, schmierige Serien-Detektiv zu statistischen Side-Kicks mausern. Natürlich wechseln später die Protagonisten auch wieder und man rennt dann z.B. als Allan Wake durchs Terrain oder wechselt mittels eines Wischeimers ins weibliche Ich. Wer ein wenig zu Schizophrenie neigt, wird das natürlich mögen.
Und natürlich findet sie sich ziemlich schnell in einer übernatürlichen Horrorgeschichte wieder, die von Wake geschrieben wurde. Weil das natürlich der logischste Weg ist, eine Geschichte reichlich unlogisch (nicht) zu erzählen.
Das Spiel zieht einen in die dunklen Tiefen der Erzählung, nur um einen dann in einem Meer aus Verwirrung und zähem Abarbeiten fragend zurückzulassen. Aber keine Sorge, es gibt auch den “Mind Palace” von Anderson. Ein Ort, an dem Spieler Hinweise sammeln und Wakes endlose Monologe vermeiden können. Ein echter Fortschritt im Vergleich zum ersten Spiel, aber mit der Zeit genauso langweilig. Aber das wahre Highlight von Alan Wake 2 ist nicht die chaotische Handlung oder die komplexen Charaktere. Es ist der unerklärliche Hardwarehunger des Spiels. Es verlangt nach den neuesten und besten Grafikkarten, nur um uns im Grunde das gleiche Spielerlebnis wie im ersten Spiel zu bieten. Aber was soll’s, zumindest gibt es jetzt Echtzeitszenen mit echten Schauspielern in einer Late-Night-Talkshow. Ein echtes Muss für jeden Gaming-Enthusiasten!
Alan Wake 2 ist ein Spiel, das irgendwie versucht, alles auf einmal zu sein: ein Survival-Horror-Spiel, ein Detektivspiel und ein interaktiver Film. Es ist ein mutiger Versuch, aber ob es gelungen ist, liegt wirklich im Auge des Betrachters und auch ein wenig an der eigenen Hardware. Für mich war es eine Achterbahnfahrt der Emotionen, von Verwirrung über Amüsement bis hin zu purer Frustration über den sinnlosen Hardwarehunger und der permanente Blick auf die Temperaturen des 12VHPWR-Adapters. Aber wer weiß, vielleicht ist das ja genau das, was die Entwickler beabsichtigt haben: Alan Wake 2, das Spiel, das sich entschieden hat, in die Fußstapfen von Crysis zu treten und zu fragen: “Aber kann es Alan Wake 2 ausführen und hält auch der Stromstecker?”
Die PC-Systemanforderungen für Alan Wake 2 haben letzte Woche für Aufsehen gesorgt. Warum? Weil das Spiel exklusiv eine GPU mit Mesh-Shader-Unterstützung benötigt. Das bedeutet, dass Grafikkarten wie die GeForce GTX 10-Serie und die Radeon RX 5000-Serie für dieses Spiel praktisch antik und wertlos sind. Ja, Ihr habt richtig gehört: Eure heißgeliebte GTX 1080, die Ihr vor ein paar Jahren gekauft habt, ist jetzt endgultig ein Relikt aus einer vergangenen Ära, zumindest was dieses Spiel betrifft. Gegen sporadische Clipping-Fehler hilft das aber auch nicht…
Wenn man sich die offiziellen PC-Anforderungen für Alan Wake 2 ansieht, dann wird man feststellen, dass die Mindest-GPU für dieses Spiel die GeForce RTX 2060 oder Radeon RX 6600 ist. Und selbst wenn diese Anforderungen erfüllt werden, könnte man das Spiel dann wohl nur in atemberaubenden 1080p und 30fps genießen. Aber wartet nur, es wird noch besser! Es sieht so aus, als würde das Spiel automatisch DLSS oder FSR2 Quality Mode Upscaling aktivieren. Ob diese Upscaler wirklich notwendig sind, um eine spielbare Performance zu erreichen, entscheidet der grüne Gott des FPS-verdoppelten Standbilds und natürlich Eure Geldbörse. Wer hingegen auf eine Radeon setzt und Raytracing genießen will (ohne fehlt die ganze Stimmung), der wird sich im Wald in Zeitlupe den Wolf laufen und eine richtig blutige Nase holen.
Einer der Hauptgründe, warum Alan Wake 2 nur neuere GPUs unterstützt, ist, dass es eine Grafik-Engine verwendet, die Mesh-Shader benötigt. Diese Technologie ist nicht wirklich neu, sie wurde bereits Anfang 2020 mit DirectX 12 Ultimate vorgestellt. Es ist also überraschend, dass es so lange gedauert hat, bis ein Spiel mit Mesh-Shadern als exklusive Hardwareanforderung auf den Markt kam. Und wenn man dachte, das wäre schon alles, dann hat man die Nvidia-promotete Path-Tracing-Unterstützung noch nicht gesehen. Kein Wunder also, dass das Spiel nur von der neuesten NVIDIA-Hardware profitieren wird. Es ist schließlich das erste Spiel, das bereits ab Start mit Path-Tracing-Unterstützung als Option ausgeliefert wird. War Battlefield V noch NVIDIAs Spiegelungs-Killer, ist Alan Wake nun die Hardware-mordende Erleuchtungs-Tortur. Mal wieder schöner sterben, nur in noch langsamer. Wer nicht im Dunkeln sitzen will (wörtlich genommen), braucht wirklich Jensens FG-Dope.
Alan Wake 2 ist nicht nur ein Spiel, nein, es ist auch ein 49-Euro-Ticket für Eure Hardware-Eisenbahn. Es stellt jedem als erstes die Frage: “Ist Eure GPU bereit für die Zukunft?” Und wenn die Antwort “Nein” lautet, dann ist es vielleicht an der Zeit, an eine neue Investition zu denken. Oder man könnte einfach warten, bis die Hardware-Anforderungen für Alan Wake 3 bekannt gegeben werden. Wer weiß, vielleicht benötigen man dann eine Quantencomputer-GPU? Da kann man auch über die sehr weit und eher unlogisch auseinanderliegenden Speicherpunkte hinwegsehen, die einen Remedy-typisch ewig an den Screen fesseln, ohne dass man sich eine Pause gönnen kann. Selbst beim Kapitelwechsel wird meist nicht gespeichert, so dass man dann wieder um Minuten zurückfällt, wenn man zum Abendessen gerufen wird.
Aber halt, nicht so schnell vorverurteilen! Alan Wake 2 hat auch so seine Momente. Nur manchmal fühlt man sich, als würde man eine animierte Puppe ansehen, besonders wenn es um Gesichter geht. Andere Spiele schaffen das inzwischen wirklich besser. Und ja, es ist ein dunkles Spiel, aber manchmal scheint es, als hätte jemand einfach vergessen, die Lichtrechnung zu bezahlen. NPCs, die im Dunkeln eines Diners emotionslos mampfen oder Leichen, die unter einer matten Glühbirne obduziert werden – sehr realistisch! Das LOD scheint auch ab und zu mal eine Pause zu machen. Trotz allem bleibt Alan Wake 2 ein Hingucker. Es hat zwar seine Macken, ist aber trotzdem eines der “schönsten” Spiele da draußen. Wer braucht schon flüssig ablaufende Perfektion? Deshalb habe ich es doch gebenchmarkt und überlege gerade noch, ob ich es wirklich weiterspielen soll. Ich schrieb es ja schon, ich bin etwas hin- und hergerissen. Ich lasse mich mal von mir selbst überraschen…
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