Ok, heute schreibe ich mal einen Artikel fürs Wochenende. Da werden ja freitags normalerweise in speziellen Foren die Trolle mit frischen Fischen gefüttert und der Normal-Leser ist mental schon in den Ruhemodus abgeglitten. Da dann noch freiwillig die schwere Kost für die freien Tage auszupacken, ist reichlich weltfremd. Es sei denn, es brennt lichterloh. Da tut es heute aber nicht wirklich, wenn man von den defekten 6000er Radeons mal absieht, die angeblich Treiber-bedingt, gerade ungefragt in die Totenstarre hinübergleiten sollen. Auch das muss man natürlich testen und hinterfragen, aber eine Art betreutes Sterben mit Laborprotokoll ist es dann doch nicht geworden. Wir suchen alle noch, doch nach was eigentlich genau? Schaun’ wir mal. Deshalb gibt es heute einfach mal was anderes, denn als Mehrfach-Migrant gibt es für den aktuellen Zeitraum ja auch Mehrfach-Jubiläen.
Mich erreichen auch immer wieder Fragen, wie alles bei mir begann, wie man Redakteur werden kann, wie so ein eigenes Medium funktioniert und vor allem auch, wie man überhaupt dazu kommt, dass eine Seite so läuft , wie sie gerade läuft. Immerhin schon 5 Jahre Selbständigkeit und die Aussicht auf eine sehr späte Rente, denn Gründe weiterzumachen gibt es sicher viele. Mit verklärter Journalisten-Romantik hat das natürlich auch nichts zu tun, sondern mit harter und beharrlicher Arbeit, sehr vielen Zufällen und Chancen, die man als solche erkennen und auch wahrnehmen muss. Und ich gebe es gern zu, auch bei mir waren ab und zu purer Zufall und auch etwas Glück die besten Helfer. Ich halte mein privates Leben und vor allem meine Familie gern aus den Medien heraus, weil es am Ende auch keinen etwas angeht. Aber auch allein über die letzten 15 Jahre schreiben, was meine Arbeit als Journalist, Tester und letztendlich auch Herausgeber betrifft, könnte bereits ganze Abende füllen.

Einige haben es ja mitbekommen, dass ich im Laufe der letzten Wochen alle Foren-Accounts auf Drittseiten gelöscht habe, darunter auch sehr alte, die ich noch vor meinem aktiven Einsatz in den Medien genutzt hatte. Das hat jetzt keinen konkreten Auslöser, aber es ist die Folge einer inneren Auseinandersetzung und vieler Kontroversen, wie ich die immer knapper werdende Zeit möglichst effizient nutzen kann. Und bei sowas bin ich dann auch ein Stück weit egoistisch.
Denn warum sollte ich sinnlos Ressourcen für Dritte verschwenden, wenn mir meine Familie und die Webseite samt YouTube-Kanal deutlich näher am Herzen liegen als solche Accounts auf Webseiten, die mich teilweise sogar bewusst bei den Quellenangaben ausblenden? Das mal vorab als kurze Erklärung, warum ich heute so ein Editorial dazwischenschiebe. Facebook ist privat nur noch für Freunde, Instagramm auf Idle und Twitter nur noch die Litfaß-Säule für neue Artikel. Lustigerweise bringt so eine selbst auferlegte Foren-Abstinenz bei anderen Medien sogar mehr Traffic zurück auf die eigene Seite, weil plötzlich auch diverse Einlassungen in unserem Forum dann dort zitiert und verlinkt werden. Da hätte ich eigentlich auch schon früher drauf kommen können.
Alles erfahrt Ihr heute natürlich nicht, aber ich nehme den Jahrestag meines ersten eigenen Artikels vor 15 Jahren und eines weiterführenden Spieletests, der zudem auch zeitgleich mit PhysX in vier Sprachen und drei Teilen erschien, zum Anlass, ein klein wenig die Erinnerungen zu sortieren. Da lasse ich Euch heute ausnahmsweise einmal etwas teilhaben. Und es wird auch ein paar Details geben, bei denen ich lange überlegt habe, ob es etwas für die Öffentlichkeit ist. Aber mit etwas Abstand darf man das schon mal. Zufälligerweise fallen in den aktuellen Kalenderzeitraum auch noch die Schließung von Tom’ Hardware Deutschland, die sich von November 2017 dann bis März 2018 hinzog, sowie die Verhandlungen mit dem damaligen Eigentümer Purch aus den USA für eine Übernahme. Alles Gründe, doch einmal etwas aus dem Nähkästchen zu plaudern. Nicht ganz bierernst natürlich.

Vom Forum zum Redakteur
Und wie fing alles eigentlich an? Natürlich komplett unromantisch, wie immer. Es war das Jahr 2006, ich arbeitete damals noch als leitender Programmierer einer Unternehmensgruppe und Entwickler diverser Software-Suiten im Industriesektor (vom CAD, über 3D-Visualisierung bis hin zur Steuerung komplexer Industrieanlagen, Photovoltaik und Verschattungsanalysen etc.) und war gleichzeitig stolzer Besitzer eines nagelneuen Intel Quadcore Q6600 (der zusammengeklebte Doppel-Whopper) sowie eines Mainboards von Gigabyte.
Das damalige P35 DS3 in der 1. Revision verursachte permanente Boot-Loops mit dieser CPU so dass meine Odyssey über die ganzen Foren begann und letztendlich entnervt im Kauf eines Asus P5K endete, nachdem ich sehr beharrlich und durch Forenrückhalt gestärkt, den Kampf gegen die Windmühlenflügel der Mindfactory-RMA gewann. Trotz des goldenen Service-Löffels für 4.99 Euro. Somit habe ich meine heutige Position letztendlich auch Gigabyte zu verdanken, auch wenn der traurige Anlass ein reichlich unbrauchbares Motherboard war. Und ich habe mir eine gewisse Grantigkeit gegenüber solch eher unmotivierten Shops bis heute erhalten.
Es war damals das Forum von Tom’s Hardware Deutschland, das mir half und dem ich dann später noch viele Jahre einen nicht kleinen Teil meiner Freizeit geopfert habe, einschließlich des Q6600-Übertaktungs-Guides (2007) und des Stickies über den VID-Mythos der Intel CPUs (2008). Vielleicht erinnert sich ja noch wer. Falls nicht – ich hatte 2018 noch einmal einen kleine Erinnerung dazu online, die ich hier gern verlinke:
Forums-Perle: Der Mythos VID (Voltage Identification Definition)
Und es war dann eher Zufall, als mich der damalige Chefredakteur fragte, ob ich denn nicht mal einen Artikel schreiben wolle, so quasi als Test. Damit begann dann meine Zeit als anfangs stark unterbezahlter Freelancer und gleichzeitig auch die letzte Stufe meiner eh schon ausufernden Freizeitvernichtung. Leisten konnte ich mir das durchaus, denn ich hatte ja einen gescheiten Job und das mit der Technik war reines Hobby. Meine ersten Artikel zum Spiel “Cryostasis” sind zwar in Deutsch nicht mehr verfügbar und den ganzen Migrationen zum Opfer gefallen, aber auf der US-Seite ist noch ein Teil verfügbar (Link), immerhin. Dass der Artikel dann von einem russischen Mitesser geklaut und unter seinem Namen noch einmal veröffentlich wurde – geschenkt.
Das Ganze steigerte sich dann im Umfang auf bis zu vier größere Artikel im Monat, so dass es mir – erster Zufall – direkt in die Hände spielte, dass sich der Mieter der gegenüberliegenden Wohnung durch permanentes Nichtbezahlen quasi selbst entmietet hatte. Da war dann auch der (kurze) Weg frei für einen eigenen Bereich aus Büro samt Testaufbauten, Fotoecke, Lager und natürlich meiner Laborküche, die mittlerweile schon viele (oft internationale) Gäste hatte, denn bei mir wird für alle Gäste stets selbst gekocht. Auch gewisse persönliche Bindungen und Aufwendungen gehören zu einem guten Netzwerken nun einfach mit dazu. Falls sich jemand wundert, wie ich immer zu dem ganzen Zeug (auch vorab) komme. Und ich habe mich mittlerweile auch noch weiter nach oben “durchgemietet”, denn nicht nur die Leibesfülle hatte zwischenzeitlich ein wenig zugelegt.
Der nächste Einschnitt war dann 2016, auch wieder der Spätherbst und Winter – Ihr merkt schon, da fallen nicht nur die Blätter, sondern auch die geschäftlichen Vorhänge. Allen hauptberuflichen Mitarbeitern wurde damals seitens der Besitzer (Bestofmedia) zum Jahresende gekündigt. Übrig blieben damals, nach einer Übergangszeit, ein News-Redakteur und ich. Sich dann plötzlich Chefredakteur nennen zu können (von was eigentlich?) ist zwar eine nette Worthülse, die man auf einer Visitenkarte auch sicher gern mitnimmt, aber man war dann plötzlich im Zugzwang, wie wahnsinnig Inhalte zu produzieren, die den Umfang der bisherigen vier großen Artikel plus News-Klimbim pro Monat weit überstiegen. Und dann war ja auch noch die Familie.

Als Freelancer kann man sich zwar seine “Freizeit” noch recht frei einteilen, aber wenn dann noch die Verantwortung für eine Institution dazu kommt, wird es eng. Zumal ich 2012 und 2014 (ziemlich spät) Vater geworden war und die zwei kleinen Stifte natürlich auch ihre Zeit einforderten. Selbstredend. Und was nun? Job, Freizeit-Journalismus oder Familie, eins war zu viel. Naja, der Mensch ist neugierig, oft mutig und manchmal auch etwas zu forsch. Man muss sich am Ende aber für etwas entscheiden und so habe ich mich ziemlich forsch für den freien Journalismus entschieden. Einkommensmäßig war das natürlich mit einem Rahmenvertrag erst einmal ein gewisser Rückschritt, aber die Zeit mit den Kindern ist einfach nicht mit Geld aufzuwiegen. Und plötzlich wurde ich, quasi über Nacht, zumindest auch das professionelle Gesicht für Tom’s Hardware Deutschland mit viel mehr Zeit für eigene Artikel. Die Zeit damals war übrigens noch nicht mal schlecht. Aber man arbeitete schlussendlich für Dritte und den Erhalt einer Marke, die einem nicht gehört.
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