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Wenn wichtige Komponenten zur Mangelware werden: CPUs, GPUs, Konsolenchips und andere Komponenten als komplexes Handelsobjekt

2020 war eigentlich ein erstklassiger Jahrgang für technologische Innovationen, aber es wird zugleich wohl auch als das Jahr der ultimativen Frustration der entmutigten Endverbraucher in die Geschichtsbücher eingehen, wenn sich die angepeilte Zielgruppe am Ende nicht das kaufen können wird, was schon lange auf dem Wunschzettel stand: Grafikkarten und Prozessoren, Netzteile und nicht zuletzt auch die Fertig-Lösung in Form der aktuellen Konsolen wie einer PlayStation 5 oder Xbox Series X. Warum eine solche Knappheit überhaupt erst entsteht? Die großen Marken, um die es letztendlich geht (Sony, Microsoft, NVIDIA, AMD), sprechen alle davon, dass „die Nachfrage das Angebot übersteigt“. Ach ja, wirklich?

Es ist eine eher ausweichende Erklärung, ohne jegliche Kommunikation über den tatsächlichen Stand ihres Angebots und ihrer Produktionslinien. Jedes Unternehmen, unabhängig von der Größe, beschäftigt zudem sehr erfahrene Spezialisten, die Produktion und Beschaffung langfristig planen und einen sogenannten Forecast schaffen, der nichts anderes als eine komplexe Vorausschau unter Einbeziehung aller Faktoren ist. Dass eine Firma mal daneben liegen kann, ist sicher möglich, wie das Beispiel von AMD und Vega zeigt, bei dem am Ende vergessen wurde, das Packaging im Voraus mit ausreichenden Ressourcen zu planen. Aber dass sich plötzlich alle in gleichem Maße irren sollen, ist dann doch eher unwahrscheinlich.

Man kann sich natürlich auf Ursachenforschung und Spurensuche begeben, sich mit Kollegen austauschen, diverse eigenen Quellen anzapfen und bewerten und auch die Erkenntnisse anderer spezialisierter Medien einbeziehen, die oftmals einen ungleich besseren Zugang zu den Machern hinter den Kulissen besitzen. Das erste Fazit, dass man ziemlich schnell ziehen konnte ist die gemeinsame Aussage fast aller, dass die Situation aktuell wirklich ernst ist und sie auch noch mindestens bis zum Frühjahr 2021 andauern wird, denn ihre Ursachen sind vielfältig und komplexer, als es viele Firmenvertreter öffentlich kommunizieren möchten. Es ist am Ende eine kausale Kette, wo alle Unwägbarkeiten und Mängel auch die negative Seite der Globalisierung eindrucksvoll zeigen.

Die Explosion der Nachfrage existiert, ist aber nicht der alleinige Grund

Die explosionsartige Zunahme der Nachfrage nach diversen IT-Produkten ist unbestreitbar. Zunächst einmal wegen der Telearbeit im Home-Office: Drucker und Laptops werden bestens abgesetzt und einer der führenden Anbieter von Webcams meldete sogar einen historischen Verkaufsrekord. Auf der Gaming-Seite wird im Jahre 2020 die attraktivste Markteinführung seit Langem zu verzeichnen sein, die Neukunden, Um- und Aufrüster gleichermaßen in die Läden treibt.  Konsolen, wie die PS5 oder Xbox Serie X, Grafikkarten wie NVIDIAs GeForce RTX 3000 bzw. AMDs RX 6000, neue CPUs wie die Ryzen 5000 Serie und letztendlich natürlich auch Kassenschlager wie Apples M1 befeuern einen Hype, der zur Verknappung des Angebotes führt, da viele Interessenten die damit einhergehenden Leistungssprünge (die man so seit mehreren Jahren nicht mehr gesehen hat) gerne auch selbst mitnehmen möchten.

Einer der größten Anbieter von Grafikkarten erklärt, dass die Bestellungen für die GeForce RTX 3000 von Wiederverkäufern viel höher sind als noch im letzten Jahr. Die Karten gehen zwar weg, wie warme Semmeln, wenn sie denn ankommen, aber man erklärt auch, dass es in der Relation zur angeforderten Stückzahl nicht mehr Verfügbarkeitsprobleme gibt, als in den vergangenen Jahren zuvor. Dasselbe gilt exemplarisch auch für Hersteller von stationären Gaming-PCs und Systemintegratoren, denen zwar beispielsweise RTX 3000 Grafikkarten zur Verfügung stünden, die Nachfrage aber in der Tat riesiger als geschätzt und immer mehr Masseneinzelhändler in diesen Markt agieren, die große Mengen abschöpfen. Infolgedessen sind mittlerweile selbst Grafikkarten früherer Generationen von mangelnder Verfügbarkeit betroffen. Bei AMD werden Ryzen 4000 als Notebook-CPU knapp, ebenso wie die Ryzen 5000, so dass viele Hersteller mittlerweile sogar wieder auf Ryzen 3000 umsteigen. Und was AMDs neue RX-6000-Serie betrifft, so spricht AMD ja selbst von einer Übergangsfrist von bis zu acht Wochen, bevor man mit einer Deckung der Nachfrage an Boardpartnerkarten rechnet.

Die rollende Seidenstraße (Image: Pixabay)

Transportprobleme als eine historische Krise, die zusätzlich schadet

Seit Beginn der COVID-19-Pandemie sind der Verkehr regelrecht aus den Fugen und die Akteure in Panik geraten. Aber jetzt, am Ende des Jahres 2020, ist die Situation noch schlimmer als im Frühjahr. Ein Branchenexperte, der für einen der führenden Anbieter im internationalen Transportwesen arbeitet, beschreibt diese beispiellose Situation zum Beispiel so: „die größte Krise, die es je gab“ im Verkehr zwischen Asien und dem Rest der Welt. Die Preise für Containertransporte schießen auch durch Vereinigten Staaten von Amerika in die Höhe, die versuchen, den größten Teil des See- und Luftverkehrs zu monopolisieren, um zusätzlich zu konventionellen Gütern auch massiv persönliche Schutzausrüstung (PSA) zu importieren.

Europa muss daher für seinen Anteil einen immer höheren Preis zahlen, um die verlorene Transportkapazität zurückzugewinnen: Der Preis ist von ca. 2.000 auf über 6.000 Dollar für einen einzigen Container gestiegen, und zwar nur für die reine Lieferung von Hafen zu Hafen. Dasselbe gilt für den Lufttransport. Ein chinesischer Exporteur erklärt, dass das Chartern einer Boeing 747 heute eine satte Million Dollar kostet, gegenüber etwa 400.000 Dollar wie früher üblich. Das liegt einfach daran, dass man ja auch für den sehr wahrscheinlich leeren Rückflug des Flugzeugs zahlen muss, da derzeit auf dem Import-Export-Markt zwischen China und Europa ein sehr großes Ungleichgewicht besteht.

Der Kilopreis für den Lufttransport hat sich weltweit übrigens verdoppelt und Europa greift immer öfter auf die neue Seidenstraße zurück, die China sehr forciert hat: den konventionellen Straßen- und Schienentransport, dessen Preise sich mittlerweile allerdings sogar verdreifacht haben! Besonders sperrige Peripheriegeräte, wie z.B. PC-Bildschirme, leiden ebenfalls sehr: die Preise stiegen laut einer bekannten Marke beispielsweise in Frankreich um 15 bzw. 25%. Den Informationen zufolge werden einige Computerkomponenten, manchmal sogar auch Grafikkarten, jetzt ohne ihre Verpackung als sogenannte „Bulk-Ware“ nach Europa geschickt, um Volumen zu sparen: sie werden bei der Ankunft später erst in Kartons verpackt, falls überhaupt. Dead on Arrival? Nicht auszuschließen, was dann aber noch mehr Frust erzeugt.

Lieferung vom Onlinehändler gleich ganz ohne Karton (igor’sLAB Forum)

Aber auf der Transportseite bleibt sogar der Termin für technologische Produkte, die oft klein, leicht und hochwertig sind, ein immerwährendes Thema. Denn das eigentliche Problem liegt derzeit in der Vorlaufzeit: so dauert es ca. 4 bis 5 Wochen, um überhaupt Transportraum zu erhalten, was viermal länger als normal ist. Auf Straße und Schiene dauert das Überqueren bestimmter Grenzen zwischen China und Europa heute durchschnittlich 10 Tage, während es früher 3 Tage dauerte. Dies ist ein ziemlich schlechtes Timing mitten in der Weihnachtszeit und diese Verzögerung wird laut der Quellen noch bis mindestens nächsten März andauern.

Die Produktion als ein Tabuthema mit schwerwiegenden Folgen

Auch die verarbeitende Industrie befindet sich derzeit in einer historisch schwierigen Situation. Die Hersteller diverser Produkte wie Prozessoren, Motherboards oder Grafikkarten geben sich offiziell zwar nicht übermäßig besorgt darüber, nur sieht die Realität leider oft komplett anders aus, denn die gesamte Produktionskette ist aus den verschiedensten Gründen zum Teil extrem gestört (broken chain). Zunächst einmal ist die taiwanesische Foundry TSMC von der Nachfrage völlig überfordert. Der Grund ist eigentlich recht simpel: Mit Ausnahme der aktuellen RTX 3000 (Samsung) setzen alle Markteinführungen des Jahres 2020 auf die 7-nm-Chips von TSMC. ARM-SoC-Hersteller wie Qualcomm nutzen ebenfalls 7 nm und haben erst unlängst Kapazitäten von Samsung zu TSMC verschoben. TSMC ist mit dieser Technologie aktuell so ziemlich allein am Markt und die Produktionslinien sind daher völlig ausgelastet. Eine plötzliche Steigerung der Produktion ist somit gar nicht möglich.

Auch ein spezieller, isolierender Film, der für das Ätzen der Chips in 7 und 5 nm unerlässlich ist, das sogenannte ABF-Substrat (Ajinomoto Build-up Film), wird seit einigen Monaten zunehmend knapp und knapper. Die Preise für diesen Film sollen mittlerweile um 40% gestiegen sein und die Wartezeit soll mittlerweile auf bis zu 4 Monate angewachsen sein. Wenn die Hersteller nun erklären, dass die Knappheit wahrscheinlich noch lange anhalten wird, dann auch deshalb, weil die wenigen Anbieter von ABF-Substrat wie Unimicron, Kinsus oder Na Ya erklären, dass sie ihre Produktion erst nach weiteren drei Quartalen erhöhen können.

Andere Komponenten machen die Sache noch komplizierter: Die kleinen Zusatzchips (Controller, Supervisor usw.) von ST Micro, NXP oder Infineon fehlen auch und zwar wegen eines weiteren Mangels: Siliziumwafer mit 8 Zoll Durchmesser. Darunter leiden dann viele Produkte, wie z.B. PC-Netzteile, aber auch Konsolen der PS5- und Xbox-Serie X sowie die Grafikkarten. Flash-Speicher und DRAM scheinen im Gegensatz dazu nicht wirklich knapp zu werden und auch die Folgen der COVID-19 Pandemie sind nicht so drastisch, wie gern kolportiert wird, da die nicht betroffenen Produktionskapazitäten mittlerweile wieder voll laufen.

Die politische Situation zwischen China und den USA verschlimmert die Lage noch zusätzlich. Viele chinesische Produktionen sind durch amerikanische Handelsbeschränkungen blockiert, was die Logistik der Komponentenmontage sehr schwierig macht. Der Handel zwischen China und Taiwan, der bisher sehr fließend und einfach war, wird jetzt zunehmend heikler und schwieriger. Wenn einige Hersteller von einer besseren Situation im Februar sprechen, dann auch deshalb, weil sie einen Wechsel des amerikanischen Präsidenten und eine Lockerung der Sanktionen erwarten.

Knappheit? Nicht für alle

Nicht alle Hersteller sind gleichermaßen betroffen. Es scheint nämlich so, dass NVIDIA und Apple sich dank ihrer Marktposition jeweils eine große Menge ABF-Substrat gesichert haben. Apple ist auf den 5 nm TSMC-Linien allein mit einem kleinen Chip (119 mm²), der in großen Stückzahlen leichter zu produzieren ist. NVIDIA seinerseits vermeidet Engpässe bei TSMC, indem man bei Samsung in 8 nm produziert, dessen Leistung trotz viel größerer GPUs (392 und 628 mm²) immer noch wettbewerbsfähig bleibt. Den beiden Giganten geht es also so gesehen recht gut. Nach unseren Informationen wird die nächste GeForce RTX 3060 (Ti) von NVIDIA sogar in sehr großen Stückzahlen eintreffen, wobei jedoch der Nachschub auf Grund der Transportprobleme mit einem Fragezeichen zu versehen ist, wenn die Nachfrage so hoch bleibt.

Haarlineal auf eine RTX 3090

Der Mangel an den GeForce RTX 3080 und 3090 könnte auch durch einige Schwierigkeiten beim Packaging des großen Chips herrühren (siehe Bild oben), wobei eine weitere Spekulation, NVIDIA könne die Produktion drosseln um gegebenenfalls mögliche Verluste zu reduzieren, eher unwahrscheinlich ist. Ausschließen kann man es aber irgendwie auch nicht. Es liegen leider keine genauen Informationen zu AMD vor, dessen große CPUs und GPUs (520 mm² für die Radeon 6800) anscheinend stärker durch das fehlende ABF-Substrat und den aktuellen TSMC-Engpass beeinträchtigt werden. NVIDIA befindet sich eigentlich sogar mit Samsung in einer besseren Position, wird aber dennoch perspektivisch versuchen, bei TSMC auf 7 nm umzustellen, um seine Produktion zu verbessern (Super-Iteration?), was die Ressoorcen bei TSMC allerdings dann noch weiter verknappen dürfte.

Die PlayStation 5 und die Xbox-Serie X, die auf einem AMD-SoC basieren, sind daher von dieser sehr angespannten Produktion ebenfalls stark betroffen. Microsoft erklärt, dass die neuen Xboxen bis zum kommenden März knapp bleiben werden, ohne dass es dafür offiziell eine andere Erklärung als „starke Nachfrage“ gibt. Sony hat offiziell die Reduzierung der PS5-Produktion aufgrund eines hypothetischen (und nicht sehr glaubwürdigen) Problems mit der Effizienz seiner SoC dementiert. Es sei daran diesbezüglich erinnert, dass der 7-nm-TSMC-Ätzprozess als ausgereift und zuverlässig angesehen wird und dass der AMD-SoC der PS5 eher eine mäßige Größe besitzt (308 mm²). Sony bleibt zumindest bei der letzten Aussage von ca. 7 Millionen verkauften Konsolen bis März 2021, was an sich gar keine schlechte Zahl wäre… wenn die PS5 im Moment weltweit nicht völlig vergriffen wäre!

Eines ist damit sicher: Wenn es eine Verknappung gibt, dann kommt sie nicht nur von der reinen Nachfrage.

Zusätzliche Quellen :
DigiTimes, EETimes, IgorsLab, The Verge, FusionWorlwide, Coreteks, GameIndustry, Bloomberg, TechPowerUp, Wikipedia, Reuters, VideoGamesChronicle

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