Wer kennt ihn nicht, den Moment unbändigen Hasses, wenn generell der Strom ausfällt. Wenn also nicht nur die Sicherung ihr Werk vollbringt, sondern der ganze Ort plötzlich dunkel wird? Unwetter hin oder her, es muss noch nicht einmal der direkte Blitzeinschlag sein, der dann der heimischen Elektronik den finalen Genickbruch verpasst. Genau das ist gestern auch Pascal passiert, der mitten in den Lüftertests steckte. Das auf diese Art gegrillte Netzteil war ein 2 Jahre altes Seasonic Focus 850 Watt, wobei es wohl alle Marken hätte treffen können, es liegt also nicht am Hersteller der PSU.
Was war passiert? Es gab den berühmt-berüchtigten Doppelschlag. Also Strom aus und nur Sekundenbruchteile später noch einen Nachschlag mit einer brutalen Überspannung, quasi ein Aus-An-Ganz-aus. THW und Energieversorger grübeln noch, was letztendlich der Auslöser war, denn es gab sowohl ein Gewitter in der Nähe als auch eine in Teilen abgesoffene Umspannstation. Ich kenne zwei ähnliche Fälle auch aus meinem eigenen Labor, wo es zu kapitalen Überspannungen kam, die aber die installierte Technik abfangen konnte. Insgesamt betrifft das Schadensbild nur den unmittelbaren Eingangsbereich, also Glück (und ein passend bestücktes Netzteil) gehabt. Das hätte nämlich auch anders ausgehen können.
Im gegrillten Netzteil hat es im Eingangsbereich den MOV (Metall-Oxyd-Varistor) und das Relais (Bild oben) erwischt, wobei letzteres sogar leicht abgefackelt ist und es eine nette Rauchentwicklung gab. Man sieht es übrigens auch an der Spule im Eingangsbereich (Bild unten), die durch die hohen fließenden Ströme fast schon Brandspuren an der Isolationsfolie hinterlassen hat. Man muss es Seasonic zugutehalten, dass nicht noch mehr kaputt gegangen ist, denn selbst der direkt nebenan liegende EM8569A (Excelliance, Bild oben), der die Standby-Schaltung realisiert, ist nicht zerplatzt.
Im Übrigen sind Überspannungen noch nicht einmal so selten, wie man vielleicht denken mag und es ist wirklich zweckmäßig und sinnvoll, sich hier im Detail auch selbst besser zu schützen und auch zu versichern. Hausratversicherung samt inkludierter Elementarschäden? Naja, man muss da auch das Kleingedruckte lesen, denn das mit dem Gewitter greift bei den meisten Policen nur dann, wenn es auch echte Brandschäden gibt. Panik ist allerdings ebenfalls kein guter Ratgeber und man kann sich auch zu Tode versichern. Aber eine fachmännische Beratung eines ausgebildeten Maklers (nicht Haustür-Vertreters) kann da weiterhelfen, das ist nicht mein Fachgebiet.
Und was ist mit dem Schutz? Äußerer Blitzschutz, also das Anbringen von sogenannten Blitzableitern (z.B. Fangstangen) ist ebenfalls eine Angelegenheit des Gebäudeeigentümers, da ist man meist der bestehenden Situation ausgesetzt. Beim inneren Blitzschutz (Blitzschutzpotentialausgleich) kann man allerdings auch selbst tätig werden. Allerdings gibt es hier ebenfalls drei Stufen. Nach der DIN VDE 0100-443/-534 ist der Überspannungsschutz seit 2018 auch im privaten Wohnungsbau sowie im kleinen Gewerbebau eine zwingende Vorgabe, nur was macht man, wenn die Anlage schon älter ist?
Ideal ist natürlich die erste Stufe im Vorzählerbereich, als direkt am Hausanschluss. Das ist dann der Schutz fürs Grobe, den man aber als Mieter schlecht vom Hauseigentümer einfordern kann. Im mittleren Bereich, also der Wohnung, kann man sich aber (das steht jedem frei) durch einen qualifizierten Elektro-Fachbetrieb einen Überspannungsschutz in den Wohnungsverteiler bzw. eigenen Sicherungskasten einbauen lassen. Das sind dann meist niedrig dreistellige Beträge, wobei auch hier vorher der Vermieter zu kontaktieren ist. Das Bild unten zeigt als anderes Beispiel den Fall eines durch Blitzschlag zerstörten DSL-Splitters, weil die Telekommunikations-Zuführung ebenfalls nicht abgesichert war. Das sind allerdings lösbare Probleme.
Ein sogenannter Feinschutz ist hingegen überall und individuell anbringbar und schützt am Ende nicht nur vor den ungefilterten Resten eines größeren Einschlags, sondern auch die Geräte untereinander. Viele Verbraucher erzeugen beim Einschalten ebenfalls unkontrolliert Stromstöße, die wiederum zum Abschalten (und sogar Defekten) anderer Geräte führen können. So einen Feinschutz kann sicher jeder anbringen und er hätte, wenn man das Fehlerbild unserer PSU auswertet, wohl in diesem Fall auch das Netzteil geschützt. Diese Teile bekommt man im Handel ab ca. 8 bis 10 Euro (Überspannungsschutz in Steckerform) und sie sind auch im Versicherungsfall recht hilfreich, weil man eine gewisse Eigeninitiative zur Prävention vorweisen kann.
Es gibt auch Steckerleisten mit integriertem Feinschutz, wobei hier aber der Schutz der Geräte untereinander nicht eintritt. Trotzdem möchte ich so etwas auch hier im Büro und Labor nicht mehr missen. Ich oute mich einmal als Kabel-Messi und zeige Euch wenigstens mal die doppelt geschützte Steckerleiste, so wie ich sie unter jedem der Schreibtische nutze. Ich habe nicht einen Platz im Arbeits- und Wohnumfeld, wo angeschlossene Heimelektronik nicht geschützt wäre. Und nein, es ist kein Anfall von Paranoia, sondern teuer bezahlte Erfahrung aus früheren Zeiten.
Das Bild zeigt exemplarisch eine meiner Doppelsteckerleisten (hätte ich mal putzen können), deren mechanische Aus-Schalter ich während der Abwesenheit ebenfalls nutze. Eine echte Netztrennung bei Abwesenheit ist erste Bürgerpflicht. Beide Kreise sind zudem einzeln gegen Überspannung geschützt, so dass ich die leistungsstarke Audio-Anlage am Desktop samt Subwoofer, Lampen und Gedöns (linke Seite) vom PC und den Peripheriegeräten getrennt habe. Gute Leisten sind allerdings nicht ganz billig und es werden schnell mal bis zu 50 Euro fällig. Aber es lohnt sich mit Sicherheit (Wortspiel).
Da ich keine Werbung machen möchte, habe ich mit Absicht keine weiteren Bilder oder direkte Links irgendwelcher Produkte eingefügt, denn auch dieser Artikel kann und will keine fachmännische Beratung ersetzen. Aber es soll in Zeiten wechselnder Klimaverhältnisse und häufigerer Unwetter ein wichtiger Denkanstoß sein, die teure Heimelektronik vielleicht doch aktiver und besser zu schützen. Sicher kann ein Feinschutz nicht alles lösen, aber in einem großen Mehrfamilienhaus ist es zumindest ein Anfang, den jeder auch ohne Vermieter erst einmal umsetzen kann.
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