Mangels echter AAA Titel habe ich versucht, irgendeine auflockernde Zwischensequenz in meinen stressigen Alltag zwischen die Stapel von Grafikkarten und anderen stromhungrigen Dingen zu pressen. “RoboCop: Rogue City”, das neueste Werk, das die glorreichen Tage des PC-Gamings in den Schatten stellen soll, ist allerdings selbst mehr Schatten als eine unterhaltsame Erleuchtung. Oder um es gleich komplett abzukürzen: Hier ist mal wieder der bloße Versuch gescheitert, überhaupt irgendeinen bedeutsamen Schatten zu werfen. Als eingefleischter PC-Spieler konnte ich mir natürlich diese Perle nicht entgehen lassen, auch in der Hoffnung, vielleicht, aber auch nur nur vielleicht, etwas zu finden, das nicht direkt aus den kühnsten Träumen eines Retro-Liebhabers entsprungen ist. Pustekuchen und endloses Gähnen!
Beginnen wir mit der Grafik, die (egal ob innen oder außen) so atemberaubend ist, dass sie fast an die visuelle Pracht eines Spiels aus den frühen 2010ern erinnert. Es ist leider so, als hätten die Entwickler grinsend beschlossen, dass die Ästhetik der 80er Jahre nicht nur in der Story, sondern auch in der grafischen Darstellung ein Revival verdient hat. Ein mutiger Schritt zurück in die Zukunft, oder eher in die Vergangenheit? Immerhin sind die Texturen noch flacher als die Handlung und die hölzernen Dialoge eines metallischen Mülleimers in einer plastischen 2D-Welt. Das katapultiert uns (zusammen mit der obligatorischen Stimme Peter Wellers) in eine statische Vereisung und es lässt einen fast vergessen, dass man sich in einer Welt befindet, die grafisch irgendwo zwischen nostalgischer Verklärung und dem dringenden Bedürfnis nach einem Hardware-Upgrade hängengeblieben ist.
Das Gameplay ist eigentlich gar keins, man darf es auch nicht mit der Begrifflichkeit übertreiben. Die Schießereien nach dem Prinzip Masse statt Klasse sind so trivial, dass man sich fragen könnte, ob die Entwickler vielleicht versehentlich eine Zeitkapsel aus einer Epoche geborgen haben, in der “Duck and Cover” als Spitze der Taktik galt. Das Ganze ist an Banalität und Fusel-getränktem Schießbuden-Charme nämlich kaum noch zu überbieten. Und welche Blume schießen wir uns heute? Die Kombination aus endloser Munition und der Möglichkeit, Gegner und unzählige Gegenstände mit der kindlichen Finesse eines alternden Terminators quer durch den Raum zu werfen, verleiht dem Ganzen eine Nuance, die man sonst nur in den tiefsten Träumen der Arcade-Nostalgie findet. Sowas muss man sich mit Gewalt schönsaufen oder es doch besser gleich lassen.
Aber Stopp, es gibt schon noch etwas mehr als schnödes Bum Bum! Da wäre ja noch die sogenannte Detektivarbeit – ein scheinbarer Aspekt des Spiels, der so fesselnd ist, dass man sich fast wünscht, stattdessen einen alten “Point-and-Click”-Adventure-Klassiker zu spielen. Manchmal darf man in der Polizeidusche ein gelbes Handtuch suchen (wie aufregend) oder Unterschriften sammeln gehen. Oder aber, man darf doch mal ins Freie. Hurra! Die Ermittlungen führen einen dann mit vernebelten Sinnen durch die dystopische Stadt Detroit, wo man Verbrechen mit der Präzision eines digitalen Sherlock im Endstadium lösen kann, oder eben auch nicht. Die Entdeckung, dass man eigentlich nur einen Knopf drücken muss, um die gesamte Szenerie zu scannen, erfüllt jeden Hardcore-Gamer mit einem Gefühl von Errungenschaft, das nur durch das erfolgreiche Installieren eines Creative-Audiotreibers übertroffen wird.
Diese wandelnde Blechtonne auf Steroiden mit ihrem tumben Gehoppel täuscht auch beim Gehen elegant darüber hinweg, dass man vielleicht gar nicht so viele FPS hat, wie man es gerne sehen würde. Der Roboter ist die blechgewordene Entschleunigung des Seins, wo man die stellenweise hakelige Grafik elegant dahinter verstecken kann. Womit wir bei der Performance angekommen wären. Das ist ein wahrer Genuss für jeden, der sich an den Tagen erfreut, als das Wort “Optimierung” noch ein ferner Traum in den Köpfen der Softwareentwickler war. Auf so einer PlayStation mag es ja vielleicht auch “überwiegend gut” laufen, aber wir PC-Spieler wissen, dass es nichts Besseres gibt, als die Einstellungen zu zähmen, damit das Spiel nicht zur Diashow wird, während man nostalgisch an die Zeiten denkt, als Spiele noch auf CDs geliefert wurden und man stolz war, wenn der eigene Rechner die Mindestanforderungen übertraf.
Kurz und schmerzlos: “RoboCop: Rogue City” ist ein Spiel, das uns daran erinnert, wie weit wir (herunter) gekommen sind – und manchmal, wie sehr wir uns nach der Simplizität der Vergangenheit sehnen. Es ist ein schmachvolles Tribut an eine Zeit, in der Spiele noch Spiele waren und nicht versucht haben, kinoreife Erlebnisse zu sein. Es ist somit scheinbar ein absolutes Muss für jeden, der sich danach sehnt, wieder einmal mit einer Auto-9 in der Hand durch die Straßen von Detroit zu wandern, während er sich fragt, ob es nicht doch besser gewesen wäre, dieses Geld in eine neue Grafikkarte zu investieren. Oder sich selbst eine Kugel zu verpassen, weil man sein Geld so sinnlos verballert hat. Kaufempfehlung? Wohl besser nicht.
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