Wir haben uns den Umbau der Seite und von Teilen des Labors zum Anlass genommen, die Messungen der Leistungsaufnahme von Grafikkarten noch einmal zu verbessern. Dabei setzen wir schon seit Jahren auf die Messtechnik von Rohde & Schwarz und haben an der eigentlichen Hardware nichts ändern müssen, nur im Softwarebereich und der Auswertung. Wir zeigen zudem erstmals auch Screenshots unserer eigenen Interpreter-Software und erklären diese heute unseren Lesern.
Die eigentlichen Messungen haben wir ja im Grundlagenartikel “So testen wir Grafikkarten, Stand Februar 2017” (Englisch: “How We Test Graphics Cards” auf unserer US/UK-Schwesterseite) bereits vor einem Jahr sehr detailliert geschildert. Daran hat sich auch nicht viel geändert, nur das Netzwerk wurde noch einmal erweitert und die Speicheroszillografen hängen nun an einen deutlich performanteren Switch und wir nutzen zudem einen separaten PC nur für das Einsammeln und Auslesen der Logs. Diese synchronisierten Daten, deren Zusammengehörigkeit man an einem eindeutigen Zeitstempel überprüfen kann und muss, müssen jedoch auch ausgewertet und für die weitere Verarbeitung und Präsentation aufbereitet werden.
Die Interpreter-Software
Natürlich ist es selbstverständlich, dass wir mit den Oszillografen mit der maximal möglichen Abtastrate messen und dementsprechend auch die Bandbreite so auslegen, dass diese maximal halb so groß ist (Nyquist-Theorem), um die beste Darstellung des benötigten Signalinhalts zu erreichen. Im Allgemeinen ist dieser Faktor bei uns in der Praxis aber deutlich höher, denn mit zwei Messpunkten pro Welle ist man nur theoretisch auf der sicheren Seite. Dazu kommen Filter mit steilen Flanken, um Aliasing-Produkte zu unterdrücken.
Das allein hilft schon, um Messfehler möglichst gering zu halten. Denn was bereits stark fehlebehaftet bzw. “unscharf” aufgezeichnet wurde, ist später eigentlich nicht mehr zu gebrauchen. Völlig ausschließen kann man vor allem sporadisch auftretende Fehler oder Störeinflüsse jedoch nie.
Hierfür kommt nun die neue, wie immer selbst erstellte Software zum Einsatz, die mittlerweile in der fünften Revision vorliegt. Um diese verbleibenden Ungenauigkeiten weiter zu begrenzen, nutzt die Software nun im Interpreter eine Art Gegentest und intelligente Filter, die auf untypische Werte und bekannte Probleme reagieren und diese weiter filtern. Darüber hinaus müssen ja unzählige Messwerte auch ausgewertet, auf verwertbare Datensätze heruntergebrochen und zudem auch so reduziert bzw. interpoliert werden, dass man damit grafische Ausgaben wie z.B. Excel-Diagramme füllen kann.
Nehmen wir mal an, wir setzen als Beispiel auf einen Datensatz mit 60.000 Einträgen in der vorhandenen Time-Line. Den allein kann Excel nicht sinnvoll verarbeiten geschweige denn anzeigen. Also rechnen wir ihn um den Faktor 100 herunter, um auf 600 Werte zu kommen. Das aber wiederum erzeugt eine ungewollte Unschärfe, die kurze (aber tatsächlich vorhandene) Spitzen oder Einbrüche faktisch wegbügeln würde, da geglättete Mittelwerte entstehen. Unser spezieller Excel-Filter für die grafische Ausgabe tut nun so, als würde er die 60.000 Werte grafisch so zusammenstauchen, dass pro Bildschirmpixel die maximalen Auslenkungen der Kurve noch sichtbar bleiben und andere, niedrigere Werte überschreiben. Rechnen darf man damit natürlich dann nicht mehr, oder doch?
Weil wir uns bei den Formeln doch recht viel Mühe gegeben haben und die Ausreißer im Verhältnis zur gesamten Datenmenge eher überschaubar bleiben, ist das Ganze gar nicht einmal so ungenau, denn wenn wir uns die Vorschauwerte beider Varianten in den Screenshots so anschauen, dann sehen wir bei der auf 1:100 reduzierten Variante (rechtes Bild) im Gegensatz zum Original (linkes Bild) ganze 0,1 Watt Unterschied auf dem externen PCI-Express-Anschluss! Die anderen Werte sind identisch. Für die Balkendiagramme nehmen wir übrigens die originalen Messdaten, zur Sicherheit.
Grafische Ausgabe der Spannungswerte
Was neu hinzugekommen ist, ist die Auswertung der Spannungswerte auf der 12-Volt Schiene an den externen PCI-Express-Anschlüssen. Auch diese Kurven sind hochinteressant und sollten einmal kurz besprochen werden. Denn immerhin ist ja die Leistungsaufnahme in Watt das Produkt aus Strom UND Spannung. Wir sehen beim Gaming-Loop ein mit einem Mittelwert von 12.08V ganz leicht übervoltendes Netzteil. Betrachten wir jedoch die Kurve einmal genauer, läge der Wert ohne Auslenkungen bei ca. 12.15V (Nominalwert ohne Lasteinflüsse). Das ist nicht dramatisch, aber interessant.
Unterm Strich bricht die Spannung nämlich häufiger ein, als dass sie den angenommenen Nominalwert übersteigt. Dann aber etwas deutlicher. Nur dürfen wir nicht vergessen, dass wir es hier mit einem Schaltnetzteil zu tun haben, dessen Kondensatoren auf der Sekundärseite ja eigentlich so gut glätten sollten, dass die Spannung möglichst konstant bleibt. Dieser Idealfall ist aber fast nie möglich, so dass man schon glücklich sein kann, wenn man (wie in unserer Grafik) innerhalb der festgelegten Ober- und Untergrenzen bleibt. Was man schön sieht, sind also die Wechselwirkungen zwischen Grafikkarte und Netzteil.
Die kurzen Spannungsspitzen verschwinden übrigens fast komplett, wenn man im Stresstest eine konstantere Last anlegt. Sie sind auch deutlich geringer, wenn die Grafikkarte eine bessere Filterung im Eingangsbereich ihrer Spannungsversorgung aufweist. Aktuell nutzen viele Karten bereits Spulen als Drossel, seltener diese jedoch in Verbindung mit Kondensatoren auch als einfache Tiefpassfilter. Trotzdem kann man Entwarnung geben, denn kaputt gehen wird davon erst einmal nichts. Nur ältere und vor allem billige Netzteile können dann schon einmal unverhofft abschalten (OVP oder UVP, je nachdem), falls sie denn überhaupt über eine ordentliche Schutzschaltung verfügen.
Auswertung der fließenden Ströme und Normeinhaltung
Auch in diesem Punkt sehen wir eine gewisse Analogie, denn bei konstanteren Lasten sehen auch die Messkurven der fließenden Ströme extrem unterschiedlich aus. Beim Gaming regelt der Arbitrator der Firmware je nach Sensorwerten, Last und Lastvorhersage brav die Spannungswerte an der GPU recht hektisch hoch und runter, was sich dann an den auch stark wechselnden Strömen erkennbar ist.
Wird die Last konstanter, fällt auch die Regelwut wieder und wir sehen deutlich geringere Extreme anhand der Kurven:
Und nun mal wieder die Geschichte mit der PCI SIG und den geltenden Normen. Mit maximal 3,7 Ampere (Torture) am Slot des Motherboards liegt die hier gemessene Karte noch weit unterhalb dessen, was die PCI SIG mit maximal 5,5 Ampere (66 Watt) für die 12-Volt-Schiene am Mainboard-Slot festlegt. Die gern kolportierten 75 Watt sind übrigens Nonsens, weil die PCI SIG nur den Strom vorgibt. Die 75 Watt ergäben sich dann aus den erwähnten 5.5A Maximalwert und der laut ATX-Norm maximal möglichen Spannung als Produkt.
Und nun: die Leistungsaufnahme als Grafik
Wir haben die Detailtreue der Grafiken durch die neue Kurvenberechnung (Reduktion) noch einmal deutlich verbessern können. Für die Netzteilberechnung sind jedoch nur die Mittelwerte (gestrichelte dicke Linien) wichtig, den Rest bügelt die Sekundärseite eigen locker weg. Kurzzeitige Spitzen werden stets gefolgt von ebensolchen Einbrüchen, so dass in der Summe ein sehr genauer Mittelwert entsteht, an dem allein man sich orientieren sollte. Allerdings erinnern uns die Spitzen auch immer wieder daran, beim Netzteil nicht allzu sehr zu sparen. Denn dann rächt sich der Geiz vielleicht doch schneller, als es einem lieb sein mag.
Beim Stresstest mit den konstanteren Lasten sehen wir den Zuwachs an Detailtreue noch viel deutlicher und die Kurven folgt denen des Stromflusses ziemlich deckungsgleich.
Zusammenfassung
Neues Projekt, neue Technik! Diesen Artikel nehmen wir (wir die anderen auch) natürlich mit auf die neue Seite, versprochen. Und wir werden Grafikkarten in Zukunft noch genauer auswerten können. Gerade Letzteres kann nie übersichtlich genug sein.
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