Beginnen wir die Grafikkarten-Woche mit dem heutigen Review einer RTX 4070 von Palit und einer Information, die ich mittlerweile ebenfalls bestätigt bekam: NVIDIA setzt die Belieferung der Boardpartner für einige Wochen aus. In den bisherigen News war meist explizit von der GeForce RTX 4070 die Rede, was sich in ähnlicher Form nun auch für die GeForce RTX 4080 ergab. Das heißt nicht, dass NVIDIA vielleicht keine Chips mehr herstellt, sondern das die Boardpartner darüber klagen, dass zu viele Karten sowohl im Channel als auch in den Fabriken liegen.
Der interessante Teil daran ist, dass bisher niemand die anfangs so gescholtene GeForce RTX 4070 Ti erwähnt, die ganz offensichtlich kontinuierlich weiterproduziert wird. Verschiedene Nachfragen im Channel und bei diversen Systemintegratoren (SI) ergaben, dass sich die GeForce RTX 4070 Ti erstaunlich gut stabilisiert habe und nach einer anfänglichen Zurückhaltung recht gut laufen würde. Genauso, wie die immer noch recht teure GeForce RTX 4090. Im Gegensatz zur GeForce RTX 4080 und auch der neuen GeForce RTX 4070, der man bis hin zu den Boardpartnern (AIC) einen gewissen Overstock nachsagt.
NVIDIA scheint hier erst einmal die Notbremse zu ziehen, wobei die Gründe für die schwache Nachfrage komplexer sind, als man vielleicht denken würde. Die Kritik der meist Technik-affinen Leser einschlägiger Webseiten oder der Konsumenten diverser Videos auf den gängigen Plattformen repräsentiert ja nicht zwingend die gesamten Käuferschichten. Doch auch der typische Media-Markt-Saturn-Käufer ist hier eher zurückhaltend, genauso wie die Käufer von Fertig-PCs, die normalerweise vom Marketing sehr leicht zu beeinflussen sind.
Eine eigene kleine Umfrage im Bekanntenkreis und bei einigen lokalen Händlern ergibt da ein durchaus interessantes Bild. Das Kaufverhalten einiger Schichten habe sich demzufolge komplett verändert, was man an einer extremen Polarisierung erkennen könne. Der typische RTX 4090 Käufer ordert nämlich auch weiterhin im gewohnten Stil, während die Konsumenten, die Mittelklasse-Produkte bevorzugen eher in Richtung Entry-Level gehen würden. Das macht man vor allem am Warenkorb fest, wo höherpreisige Artikel wie Grafikkarten neuerdings überdurchschnittlich oft mit eher niedrigpreisigen Komponenten wie günstigen Netzteilen oder Billig-Gehäusen kombiniert werden. Wer sich neue Hardware kauft und mindestens eine Grafikkarte oder CPU erwirbt, soll demzufolge auch bei den anderen Komponenten bis hin zu den Eingabegeräten sowie erweiterter Peripherie ungewohnt sparsam sein.
Das kann man dann am Ende sicher am ehesten mit der wirtschaftlichen Lage der Konsumenten begründen, bei denen es weiterhin eine (kleiner werdende) Schicht derer gibt, die jeden Preis mitgehen und kompromisslos weiterkaufen, während die Schere zur anderen Seite hin immer weiter auseinander klafft. Eine GeForce RTX 4070 trifft mit den angepeilten rund 600 Euro derzeit in ein Vakuum, denn diejenigen, denen in der oberen Mittelklasse das Geld noch locker genug sitzt, kaufen sich eher eine GeForce RTX 4070 Ti, die besser betuchten eine GeForce RTX 4090. Der GeForce RTX 4080 ist also irgendwie die Käuferschicht weggebrochen.
Das Gleiche gilt sicher auch für die GeForce RTX 4070, deren eigentliche Zielgruppe nunmehr eher Produkte für unter 500 Euro bevorzugen könnte. Genau da aber wartet die GeForce RTX 4060 Ti. Ich will an dieser Stelle bewusst nicht über den Speicherausbau oder das Speicherinterface spekulieren, denn die Masse der potentiellen Käufer wird dies mangels technischer Kenntnisse nie interessieren. Da geht es nur um den Preis. Da ist die GeForce RTX 4070 Ti das beste Beispiel, denn sie ist teurer als die RTX 4070 ohne Ti und verkauft sich, im Verhältnis gesehen, doch besser.
Meine eigenen Informationen zur GeForce RTX 4060 Ti sind allerdings auch keine wirklich guten Nachrichten. Denn obwohl NVIDIA letzte Woche Meetings mit einigen Boardpartnern hatte, wurde der eigentlich erwartete Embargo-Termin für die GeForce RTX 4060 Ti beharrlich ausgeschwiegen. Hatte man noch vor Kurzem einen Launch im Mai noch vor der Computex kolportiert, ist davon keine Rede mehr. Das verwundert auch nicht, denn man würde der GeForce RTX 4070 dann wohl endgültig das Wasser abgraben.
Update vom 24.04.2023 10:00 Uhr
Wie es aussieht, wird NVIDIA die GeForce RTX 4060 Ti wohl doch Ende Mai, Anfang Juni launchen und sogar ins Regal bringen. Die Anzahl der zum Launch wirklich verfügbaren Karten soll wohl unter denen der RTX 4070 liegen, aber auch hier ist noch nichts wirklich bestätigt, nur “angemerkt”.
Die Radeon RX 7600 und die fehlenden Geschwister
Eines ist in den letzten Monaten auch klar geworden: Neue Grafikkarten verkaufen sich nicht mehr nur nach Leistungsklassen, sondern vor allem nach Preisklassen. Und wenn die breite Mittelschicht wegbricht, wie oben bereits geschildert, verbleiben nur noch Zielgruppen im High-End und im Bereich zwischen Entry-Level und unterer Mittelklasse übrig. Um Karten wie eine kolportierte Radeon RX 7800XT gewinnbringend verkaufen zu können, müsste man in den Bereich der GeForce RTX 4070 vorstoßen, der sich gerade als hinreichend kaufresistent erwiesen hat. Doch billiger kann (und darf) auch AMD nicht werden, denn damit würde man den eigenen Gewinn extrem schmälern und die Boardpartner quasi aushungern.
Was ich aber bestätigen kann ist, dass einzelne (!) Boardpartner von AMD eine Radeon RX 7600 zur Computex als fertiges Produkt zeigen werden, während andere Partner, die sowohl AMD- als auch NVIDIA-Chips nutzen, erst einmal abwartende Zurückhaltung üben. Um es einmal höflich zu umschreiben. Die Aussage, dass man nichts produzieren möchte, nur um der Produktion Genüge zu tun und wo man keinerlei Chancen auf Gewinne sieht, tut dann schon etwas weh. Für eine Radeon RX 7700XT fehlt momentan jegliche Preisgrundlage, denn man könnte sogar in die Verlustzone rutschen, weil sich die Zielgruppe verschiebt und der Preis nicht mehr passen dürfte.
Es ist natürlich reichlich spekulativ, aber die aktuellen Preisverwerfungen durch eine stark gestiegene Inflation sind real, aber ganz offensichtlich noch nicht im Bewusstsein vieler Konsumenten angekommen. Die Meisten sehen nur Butter, Brot, Gemüse und Obst. Und da sind wir bereits oft genug bei 20 bis 30 Prozent angelangt. Und das liegt nicht nur am bösen Einzelhandel (wohl aber auch mit). Und so werden sich wohl in absehbarer Zeit auch die Grafikkarten-Klassen eher an den Einkommensklassen orientieren und nicht mehr nur an der tatsächlichen Performance.
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