Solange eine Firma bei ihren Produkten eine gewisse Schöpfungshöhe erreicht, sind die sogenannten NDAs (Verschwiegenheitserklärungen) selbstverständlich eine allseits zu akzeptierende Gegebenheit. Auch um sogenannte “Leaks” im Vorfeld nach Möglichkeit zu vermeiden und um dann einen “Launch” mit der wirklich geballten Schlagkraft aller Medien zu einem gewissen Zeitpunkt zu garantieren. Dieser Zeitpunkt, also die sogenannte Sperrfrist, liegt dann auf einem bestimmten Datum und, falls es eine ganz wichtige Angelegenheit ist, auch noch mit einer konkreten Uhrzeit.
CPUs und Grafikkarten, Motherboards oder höherwertige Gebrauchsgüter – man hat sich dran gewöhnt und hängt dann auch noch bei speziellen “Launchevents” (gern live oder per Video) vollumfänglich begeistert und schnappatmend an den Lippen der Protagonisten der vermeintlich überlebensnotwenigen Produktrevolutionen. Diese Herrschaften tragen dann gern auch mal Lederjacken oder -Jüpchen, je nach Geschlecht und Imageberater. Oder sie wiederholen gewisse Sätze am Schluss der Veranstaltung als Jahrhundert-übergreifenden Running Gag immer und immer wieder. Und man sitzt da und wartet wie eine gebannte Maus auf den einen Satz… Das alles kennen, akzeptieren und lieben wir sogar (wenn wir mal ganz ehrlich sind). Klappern gehört zum Handwerk und die hibbeligen Spannungskurven der gut bezahlten Marketing-Soldateska und werden vom professionell bespielten Publikum natürlich gern genommen.
Doch warum schreibe ich das alles, wo wir uns doch einig sind, dass all diese Sachen irgendwie auch mit dazugehören? Das Problem ist, dass man natürlich auch unterhalb der Grasnarbe mitbekommen hat, dass hochenergetisch komprimierte Höhenluft gut für den Teint ist. Was für Apple, NVIDIA, Intel oder AMD verbrieftes Recht ist, sollte für eine kleine Firma mit einem Alltagsprodukt nur billig sein. Auch hier sind NDAs üblich, was ich vollends akzeptiere. Nur ist die zweite Eskalationsstufe mit einer lokal eher unüblichen Tageszeit (z.B. bei lackierten Schrauben) dann schon etwas too much.
In Zeiten, wo man also selbst auf den Lack von Schrauben (gern auch noch gestaffelt nach Farben) schon eine Sperrfist um 15.43 Uhr und 11 Sekunden auferlegt bekommt (natürlich nur für die News, der Test darf dann eh erst eine Woche später zur gleichen Uhrzeit erscheinen) oder bereits ein trivialer Fön stellvertretend als Propaganda-Nabel des Universums herhalten muss, wird es dann schon reichlich albern. Apropos Fön – der nicht ganz zu unterdrückende Unmut, der hier im Editorial sicher nicht zu übersehen, pardon, zu überlesen ist, hat einen konkreten Grund. Wir sind keine Seite, deren monatliche Personalkosten den Gegenwert eines schönen Pelzmantels ausmachen und das auch gar nicht wollen, weil (a) Pelzmäntel an sich ja schon untragbar sind (also echte) und man sich (b) sehr schnell in Gefilden wiederfinden würde, wo man anfängt zu überlegen, ob man für die Konsolidierung der Finanzen auch gewisse Grundsätze über den Haufen schmeißen müsste.
An diesem Artikelplatz sollte heute früh ein Test stehen, der mit einer Sperrfrist auf ein gewisses Datum, also heute, versehen war. Da die Testobjekte erst im allerletzten Moment eingetroffen sind, war es schon eine sportliche Herausforderung, das überhaupt noch hinzubekommen. Artikel fertig und eingetimt, dann kam kurz vor der feierlichen Enthüllung der Gedankenblitz der PR zum Tragen, das einfach noch auf 16 Uhr festzutackern, weil es gerade so schon im Trend liegt und sich das Andienen als asiataische Firma an den US-Markt scheinbar anbietet, obwohl ich mir sehr sicher bin, dass diese Produkte in anderen Zeitzonen nicht weniger Absatz finden. Entweder, man kommuniziert das rechtzeitig und zusammen mit dem NDA, oder man lässt es besser. Jeden Tag steht ein Marketingopfer mehr auf, allerdings weltweit gesehen zu sehr unterschiedlichen Tageszeiten.
Deshalb wird der Artikel auch auf heute Nachmittag und 16 Uhr verschoben, denn Unterschrift ist leider Unterschrift. Aber ich werde nicht wegen einem Gehäuselüfter (habe ich jetzt doch was verraten? Sorry!) den Artikelplan umschmeißen oder den Mitarbeiter, der seine Freizeit geopfert hat, mit einem Termin in der nächsten Woche bestrafen. Da bitte ich um Verständnis, dass Ihr heute Nachmittag noch einmal Anlauf nehmen müsst, um dieses Wunderwerk der Technik dann vollumfänglich bestaunen zu können. Ob sich das dann lohnt oder ob man zumindest aus dem Fazit einen Running Gag ableiten kann, das ist dann Euch allein überlassen. Hauptsache, Ihr hattet heute früh wenigstens was zu lesen. Irgendeinen anderen Lückenfüller wollte ich Euch nicht antun, denn das ist wie ein Brötchen oder die Zeitung von gestern. Dann schon lieber den Einblick in mein Seelenleben, denn ich bin echt angefressen.
Ok, dann also bis 16 Uhr. Spannungskurve und so. 😀
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